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Neumann, Wilhelm Anton; Bader, Friedrich Wilhelm [Ill.]; Deckers, Peter [Ill.]
Der Reliquienschatz des Hauses Braunschweig-Lüneburg — Wien, 1891

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https://doi.org/10.11588/diglit.19254#0026
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Leider stehen uns sehr wenig Diplome aus jenen entfernten Zeiten zu Gebote; aber auch was wir
an documentarischen Nachrichten vom Anfange des XL Jahrhunderts besitzen, schweigt hartnäckig über
den Ort Braunschweig: so die Stiftungsurkunde von Stederburg, welches Kloster doch den Zehnten
vor der (späteren) Stadt Braunschweig besass; so die Diöcesanbeschreibungen von Halberstadt und
Hildesheim (Anfang des XI. Jahrhunderts), so die Urkunde des Kaisers Heinrich IL vom Jahre 1013 bei
Leibnitz, Scriptores rerum Brunsvic, II, p. 155. Aber dass die Villa Brunesvic darum wirklich nicht exi-
stirt habe, dass sie nicht irgend einem der vielen an jenen Uferlanden ehemals bestehenden, längst ver-
gessenen Dörfer eingegliedert war, wäre ein allzu schneller Schluss. Sicher bestand am Anfange des
XL Jahrhunderts eine Gemeinde am rechten Ufer der Ocker, dort, wo jetzt der Stadttheil Altenwick
sich befindet, in Villa Brunesvic, welche nach dem Chronicon rhythmicum, XVI, 41 um das Jahr 1026
so zunahm, dass einer der freien Bewohner, wohl ein sehr reicher Mann, Hatheguard, mit seiner
Gemahlin an den Bau einer eigenen Kirche schritt, noch vor 1031, welche er dem h. Magnus weihte und
mit zwei Hufen Land bestiftete, die er vom Grafen Liudolf zu Lehen hatte. Dieser Graf Liudolf selber
aber schenkte noch ein Stück Land dazu. Die Kirche wurde, weil am rechten Ufer der Ocker gelegen,
vom Bischöfe von Halberstadt, Branthago, geweiht 1031 (Anm. 2). Noch in den dreissiger Jahren des
XL Jahrhunderts entstanden die Kirche neben Dankwarderode, welche den Titel S. Blasii führt, und die
S. Ulrichskirche.

Ist es ein blosses Spiel des Zufalls, dass die heiligen Magnus und Ulrich an die Gauen am
Lech, an das Grenzgebiet zwischen Schwaben und Baiern erinnern, und dass S. Blasius an Schwaben
erinnert, wo der Heilige wohl sein berühmtestes Kloster im Schwarzwalde hatte? Sanct Magnus (richtiger
Magnoaldus) ist der Apostel des Algäu, der bedeutendste Schüler des h. Gallus, und hat am Eingange zu
einem vielbesuchten Alpenpass am jungen Lechflusse das Stift Füssen gegründet. Schon 890 ist ihm
eine Kirche neben der Stiftskirche von S. Gallen gewidmet. S. Udalrich ist der volksthümliche, berühmte
Bischof von Augsburg am Lech, erzogen in S. Gallen, 923 auf den bischöflichen Stuhl berufen, der tapfere
Vertheidiger seiner Bischofstadt gegen die Ungarn 955. Er stirbt 973, wird canonisirt 983 in der ersten
vom Papste vollzogenen Heiligsprechung (Anm. 3).

Woher diese schwäbischen Heiligenculte in Sachsen? Stammte etwa die Mehrzahl der Bewohner
der Villa Brunesvic aus Schwaben? Hängt das Haus der Brunonen mit Schwaben zusammen? Wie kommt
es, dass schon im XL Jahrhunderte im Billung'schen Hause der Taufname Magnus erscheint?

Wirklich fehlt es nicht an Verbindungen des sächsischen Fürstenhauses mit Schwaben. Die Mutter
des oben erwähnten Grafen Liudolf, mit Namen Gisla, Tochter des Herzogs Hermann II. von Schwaben,
hat dreimal geheiratet (man vergleiche Cohn, Stammtafeln, Taf. 19): 1. Gemahl Bruno II. von Braun-
schweig (f 1003), durch den sie die Mutter unseres Liudolf wurde; 2. Gemahl Ernst Herzog von
Schwaben (f 1015), dem sie den Hermann von Schwaben gebar; 3. Gemahl Kaiser Konrad (f 1039),
dem sie den späteren Kaiser Heinrich III. gebar. So wäre am unmittelbarsten die Uebertragung
schwäbischer Heiligenculte oder gar auch von Reliquien derselben nach Braunschweig erklärt.

Eine andere Verbindung zwischen Sachsen und Schwaben bildet Liudolf, Sohn des sächsischen
Kaisers Otto L, welchem Schwaben als Herzogthum verliehen wurde 948 (noch bei Lebzeiten des
h. Ulrich), und dessen Sohn sein zweiter Nachfolger wurde 973, jener Otto, der sich und seiner Schwester
ein Denkmal in Essen gesetzt hat in dem bekannten schönen Kreuze mit dem Emailbildchen, das ihn
und die Aebtissin Mathildis darstellt (gewidmet in den Jahren 974 bis 982).

Rechnen wir hinzu, dass des Kaisers Otto I. Bruder Heinrich mit Baiern belehnt wurde (945),
dessen Tochter die durch SchefFel's herrliche Dichtung allen Deutschen wohlbekannte Herzogin LIedwig
von Schwaben war (f 994): so haben wir sächsische Verbindungen mit Schwaben und Baiern genug.

Noch eine Verbindung ist anzuführen. Obgleich wir nicht den braunschweig'schen Bruno I. zum
Bruder des Liudolfingischen Herzogs Heinrich von Baiern, also zum Oheim des Kaisers Heinrich II. des
Heiligen machen (man vergleiche Bethmann, Westermann'sche Monatshefte 1861, S. 532; Böttger, Die
Brunonen, S. 292), so möchten wir doch die Angabe, dass Bruno früher Comes in Bavaria, dann in

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