II. TRAGALTÄRE (ALTARIA PORTATILIA).
n unserer Zeit ist es nicht mehr schwer, eine tiefgehende Abhandlung über die Tragaltäre
zu schreiben, da eine reiche alte und neue Literatur uns zu Gebote steht. Die alten
Canonisten (wie Gonsalez), die Liturgiker (wie Cardinal Bona), die liturgischen Kirchen-
bücher, die kirchenrechtlichen, liturgischen und archäologischen neueren Handbücher, eine
Unzahl von Zeitschriften und Berichten gelehrter Gesellschaften haben prachtvolles Materiale.
Dazu gehören nun noch die zusammenfassenden Studien über den Altar von Laib und
Schwarz (1857 über die Geschichte des Altars), Schmied Andreas (1871), Otte's Kirchliche
Archäologie I, 128, Kraus, Realencyklopädie s. v. Altar, die Reihe von Aufsätzen in
der Revue de l'art chretien 1883. — Nur ein Paar Specialwerke über den Tragaltar führen
wir an: Schmid, Dissertatio historicoecclesiastica de altaribus portatilibus, Jenae 1695,
in 40; Gattico, De usu altaris portatilis, und verweisen im Uebrigen auf die Literatur bei
Otte, o. c. I, 147, auf Rohault de Fleury, La Messe V, 1—47.
Wir schlagen einen mehr praktischen Weg ein, um den Unterschied der heutigen Anschauungen,
namentlich in Deutschland, gegen die leichteren des Mittelalters zu kennzeichnen; ein Unterschied,
dessen Ausbildung namentlich dem Concilium Tridentinum zuzuschreiben ist, welches die mit Reliquien
möglichen Täuschungen so fernzuhalten sich bemühte, als es nur möglich war, und daher dem willkürlichen,
uncontrolirten Oeffnen von Altären und Entnehmen von Reliquien ein Ende setzen wollte.
In der Cumberland-Galerie zu Hannover befinden sich einige Bleikistchen voll mit Reliquien.
Müller's Katalog des Weifenmuseums beschreibt zehn derselben, welche nach Lüneburg gehören, Molanus
führt zwei solche viereckige Bleikistchen in der Lipsanographia unter Nr. 141, 142 an. Diese Kistchen
waren ehemals in Altären eingeschlossen, wie Müller ganz richtig hinzufügt. Ihr Platz ist in oder unter
der steinernen Altarplatte oder Mensa. Die allerdings nicht ganz unbedeutende Höhe der Hannoveraner
Bleikistchen lässt vermuthen, dass sie in derselben Weise unter der Mensa im Aufbaue (Stipes) der Altäre
angebracht waren, wie wir es bei der Abtragung eines Altars in S. Stephan zu Wien beobachten konnten,
welcher circa 1464 erbaut worden war. Im Ziegelunterbau des Altars war ganz oben, in der Mitte
der Vorderseite, gerade hinter der ersten Ziegelschaar, ein viereckiger Raum ausgespart, in welchem das
Reliquiar gefunden wurde. Der Raum war gerade so gross, um das Glasfläschchen mit den Reliquien
aufzunehmen. Eigenen Deckel hatte diese Oeffnung nicht, denn die ganze riesige Altarplatte diente als
ihr Verschluss, als Sigillum des Bischofs. Ohne den Altar zu zerstören, konnte man zu den Reliquien
nicht gelangen.
Die jetzige Praxis kennt allerdings auch diese Art des Sepulcrums, Heiligengrabes; Jakob gibt
in „Die Kunst im Dienste der Kirche", vierte Auflage, S. 138, vier Arten an, das Sepulcrum im Altare
122
n unserer Zeit ist es nicht mehr schwer, eine tiefgehende Abhandlung über die Tragaltäre
zu schreiben, da eine reiche alte und neue Literatur uns zu Gebote steht. Die alten
Canonisten (wie Gonsalez), die Liturgiker (wie Cardinal Bona), die liturgischen Kirchen-
bücher, die kirchenrechtlichen, liturgischen und archäologischen neueren Handbücher, eine
Unzahl von Zeitschriften und Berichten gelehrter Gesellschaften haben prachtvolles Materiale.
Dazu gehören nun noch die zusammenfassenden Studien über den Altar von Laib und
Schwarz (1857 über die Geschichte des Altars), Schmied Andreas (1871), Otte's Kirchliche
Archäologie I, 128, Kraus, Realencyklopädie s. v. Altar, die Reihe von Aufsätzen in
der Revue de l'art chretien 1883. — Nur ein Paar Specialwerke über den Tragaltar führen
wir an: Schmid, Dissertatio historicoecclesiastica de altaribus portatilibus, Jenae 1695,
in 40; Gattico, De usu altaris portatilis, und verweisen im Uebrigen auf die Literatur bei
Otte, o. c. I, 147, auf Rohault de Fleury, La Messe V, 1—47.
Wir schlagen einen mehr praktischen Weg ein, um den Unterschied der heutigen Anschauungen,
namentlich in Deutschland, gegen die leichteren des Mittelalters zu kennzeichnen; ein Unterschied,
dessen Ausbildung namentlich dem Concilium Tridentinum zuzuschreiben ist, welches die mit Reliquien
möglichen Täuschungen so fernzuhalten sich bemühte, als es nur möglich war, und daher dem willkürlichen,
uncontrolirten Oeffnen von Altären und Entnehmen von Reliquien ein Ende setzen wollte.
In der Cumberland-Galerie zu Hannover befinden sich einige Bleikistchen voll mit Reliquien.
Müller's Katalog des Weifenmuseums beschreibt zehn derselben, welche nach Lüneburg gehören, Molanus
führt zwei solche viereckige Bleikistchen in der Lipsanographia unter Nr. 141, 142 an. Diese Kistchen
waren ehemals in Altären eingeschlossen, wie Müller ganz richtig hinzufügt. Ihr Platz ist in oder unter
der steinernen Altarplatte oder Mensa. Die allerdings nicht ganz unbedeutende Höhe der Hannoveraner
Bleikistchen lässt vermuthen, dass sie in derselben Weise unter der Mensa im Aufbaue (Stipes) der Altäre
angebracht waren, wie wir es bei der Abtragung eines Altars in S. Stephan zu Wien beobachten konnten,
welcher circa 1464 erbaut worden war. Im Ziegelunterbau des Altars war ganz oben, in der Mitte
der Vorderseite, gerade hinter der ersten Ziegelschaar, ein viereckiger Raum ausgespart, in welchem das
Reliquiar gefunden wurde. Der Raum war gerade so gross, um das Glasfläschchen mit den Reliquien
aufzunehmen. Eigenen Deckel hatte diese Oeffnung nicht, denn die ganze riesige Altarplatte diente als
ihr Verschluss, als Sigillum des Bischofs. Ohne den Altar zu zerstören, konnte man zu den Reliquien
nicht gelangen.
Die jetzige Praxis kennt allerdings auch diese Art des Sepulcrums, Heiligengrabes; Jakob gibt
in „Die Kunst im Dienste der Kirche", vierte Auflage, S. 138, vier Arten an, das Sepulcrum im Altare
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