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Neumann, Wilhelm Anton; Bader, Friedrich Wilhelm [Ill.]; Deckers, Peter [Ill.]
Der Reliquienschatz des Hauses Braunschweig-Lüneburg — Wien, 1891

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https://doi.org/10.11588/diglit.19254#0078
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I. KREUZE.

eicht stellen sich die im Schatze vorhandenen Kreuze in drei
Gruppen zusammen: vier Vortrag-, vier Stand- und drei Hänge-
( kreuze; letztere sind mittelst kurzer Kettchen, das nur an einem
derselben fehlt (Nr. 11, Mol. XXXII), zum Aufhängen eingerichtet.
Würden wir streng archäologisch vorgehen, so müssten die letzteren,
wenngleich die jüngsten, an erster Stelle behandelt werden : weil
die ältesten Nachrichten, welche wir über die Altarkreuze haben,
Hängekreuze betreffen. So behandelt auch das grosse Werk „La
Messe", herausgegeben von Ch. Rohault de Fleury, fortgesetzt
von dessen Sohne, im V. Bande die Cruces pensiles an
erster Stelle; dann folgen die Processions-, endlich die
Altarstandkreuze. Rohault de Fleury macht es sehr
plausibel, dass selbst an Stellen, wo die alten Schrift-
steller von Altarkreuzen sprechen, solche Hängekreuze
zu verstehen sind. Das älteste Hängekreuz dürfte das des heil. Paulinus (f 431) sein; es war seines
Schmuckes (monile), wohl einer Krone, die das untere Ende umgab, beraubt worden, weil man in sträflicher
Nachlässigkeit die Leiter, die man zum Anzünden der Lampen brauchte, stehen gelassen hatte. Denn an
den Querbalken desselben befanden sich zwei kleine und unten hing an einer Kette ein drittes Lämpchen.
(Rohault o. c. V, p. 118.) Auf dem Altare selbst standen bis weit ins Mittelalter hinein keine Leuchter.
(Vergl. Otte, Kirchliche Archäologie I, 157.) So tritt im Kreuze des Paulinus ein merkwürdig combi-
nirtes Gebilde uns entgegen: das Kreuz, die Krone, die Leuchter. Die Kreuze in Verbindung mit Kronen,
herabhängend an Ketten vom Baldachin, der über dem Altar sich wölbt, sind vom Schatze von
Quarrazar und von Monza (Abbildungen bei Bock, die Kleinodien des römisch-deutschen Reiches und bei
Rohault V, pl. 390 und folg.) bekannt genug. Sie konnten auch auf einem eigenen Gerüste hängen.
Im VI. Jahrhundert spricht S. Gregorius von Tours (De miraculis S. Juliani III, 43) deutlich von einem
solchen hängenden Kreuze. Im VIII. Jahrhundert wurden unter Gregor III. (im Liber Pontificalis ed.
Duchesne 1886, I, p. 417) sogar auf einmal vier hängende Kreuze an die S. Peterskirche geschenkt
und eine „goldene Krone mit Kreuz, welche über dem Altare hing". Rohault de Fleury behandelt im
V. Bande diese „Kronen", p. 101 und Tafel 390 bis 394. (Vergl. Otte, Kirchliche Archäologie I, 151.) —
Aber es gab auch Kreuze, welche ober dem Baldachine, also fest standen: ein solches Kreuz dürfte
jenes grosse Goldkreuz gewesen sein, welches Constantin und Helena in die S. Peterskirche spendeten.

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