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Neumann, Wilhelm Anton; Bader, Friedrich Wilhelm [Ill.]; Deckers, Peter [Ill.]
Der Reliquienschatz des Hauses Braunschweig-Lüneburg — Wien, 1891

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https://doi.org/10.11588/diglit.19254#0341
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Kriegszügen immer mit sich führten, um über seinen Reliquien im Lager Messe zu hören und in der
Schlacht an der sichtbaren Gegenwart des Schutzpatrones ihres Hauses und seines ,starken Armes'
sich zu stärken". — Wohl sind nicht alle Ausdrücke so klar, wie es wünschenswerth wäre, namentlich
ist das „über seinen Reliquien Messe zu hören" recht unklar, vielleicht sogar dem verehrten Autor
selber. Auch gestehen wir es gerne, dass wir nicht die mittelalterliche Quelle kennen, aus welcher Beth-
mann geschöpft hat: aber der Gedanke selbst erscheint uns sehr richtig und erklärt uns das Bemühen
des Capitels auf eine einfache Weise, den Arm in Braunschweig festzuhalten.

Der Thatsache nun, dass der Arm in Braunschweig, zunächst im Dome,
dann seit 1829 im herzoglichen Museum leicht zugänglich war, verdanken wir
es, dass er öfter bei den Schriftstellern erwähnt und beschrieben ist.

Er ist in empaistischer Arbeit ausgeführt, wie fast alle unsere Metallarme:
über einen Holzkern, in dessen Höhlung die Reliquien verborgen sind, wurden
Streifen Goldblech angenagelt, deren Scheidungslinien deutlich erkennbar
sind. Die Finger und die Hand sind in ähnlicher Abfolge der einzelnen La-
mellen überzogen worden, wie wir es oben S. 264 beschrieben haben. Wenn
hie und da Unterschiede sich zeigen, so ist dieser Umstand den Restaurationen,
der verschiedenen Entstehungszeit und der verschiedenen Heimat dieses
Armes zuzuschreiben.

Denn allerdings braunschweigische Arbeit haben wir an dem Arme
nicht vor uns; die Unterschiede dürften dies klarstellen: der Daumen ist ein
wenig eingezogen, die Kleidung des Aermels noch gar nicht recht gekenn-
zeichnet. Augenscheinlich soll die schief über die Länge des Armes sich hin-
ziehende Borde den Abschluss des Oberkleides (der Dalmatica) gegen das
Unterkleid (die Alba) versinnbildlichen, aber es bleibt beim Sinnbilde, und
hätten wir die anderen S. Blasianer Arme nicht, so würden wir auch diese
Bordüre nicht verstehen. Die feine Fältelung der Alba ist noch gar nicht einmal
in ihrem Anfange vorhanden. Der ganze Arm ist glatt. Sämmtliche Bordüren
sind reich dessinirt mittelst Filigran, Perlen und Edelstein. Den Abschluss
der Hand- und der Fussgestellborde bildet ein breiter geperlter Draht; an
der schrägen Borde ist er viel feiner und liegen zwei solche Fäden anein-
ander. Das Filigran ist der feinste gekerbte Golddraht, der völlig auf der
Fläche aufgelöthet ist und nur in den horizontalen Bändern einige spärliche
Bindungen aufweist.

Vergleicht man dieses Filigran mit dem an der Oberplatte des Ger-
truden-Tragaltars (siehe oben S. 132), so findet man die volle Identität der
Arbeit; womit nicht gesagt ist, dass auch die Dessins gleich seien. Denn fl
jedes dieser Stücke hat seine besonderen Elemente der Zeichnung.

Unsere zwei Abbildungen zeigen dem Leser das Princip der Edelstein- Armreliquiar des h. Blasius,
und Perlenvertheilung, das der Goldschmied für jede der drei Borden ge- Massstab: o-sb = 1.

schaffen hat. Auf der oberen Borde steht je ein Edelstein (fast lauter Antiken) \.......° \ ] ] * ]

zwischen vier, auf der unteren aber zwischen acht Perlen; die Querborde stellt

ihre vielen Gemmen und Perlen ähnlich in drei Reihen. Der Rapport ist ziemlich gross und schliesst mit drei
über die Breite gestellten Perlen. Die Edelsteine verdienen eine Monographie: wir haben oben unter
anderen antiken Steinen einen Abraxas (Bucher, Gesch. der techn. Künste I, 321) gesehen, unten
zwischen drei Cameen ein Stück römisches Millefioriglas: genau so verwendet, wie sich solche Glas-
stücke am Andreasreliquiar in Trier, am grossen Essener Kreuze (mit der Schlange unter dem Kreuze),
in Osnabrück an einem Armreliquiar, in Halberstadt (Domschatz) an einem Kästchen finden. Diese
prachtvollen Glasstücke mochten sowohl von antiken Grabfunden stammen, als auch durch den Handel

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