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KLEIN
Stockburger Haufen besetzt wurde. Allerdings erlitt das Kloster nur geringen Schaden. — Alle
diese Umbrüche machen es unwahrscheinlich, daß ein solcher Geschichtscodex in Maul-
bronn blieb — ganz ausschließen läßt es sich nicht.
Bedenklicher noch stimmt, was von dem angeblichen Schreiber der Vorlage, des Thesaurus
Antiquitatum, berichtet wird: der edle, hochgelehrte Moritz (Mauritius) Fessler (Fesler, Fester,
Fisler, Tesler) habe vor zweihundert Jahren gelebt. Nach anderen Stellen war er württembergi-
scher Kanzler89. — Anfang des 15. Jahrhunderts ist aber kein württembergischer Kanzler oder
auch nur Kanzleiverwandter dieses Namens bezeugt90. Anders ein Jahrhundert später. In der
Mitte des 16. Jahrhunderts war Johann Fessler (1501 -1572) Kanzler der Herzöge Ulrich
(1487-1550), Christoph (1515-1568) und Ludwig (1554-1593), einer der bedeutendsten
Beamten von Württemberg91. Ein Bücherverzeichnis, gefertigt 1539 nach seiner Flucht aus
Württemberg, zeigt weite Interessen92 93. Dabei überwiegen juristische, theologisch-reformatori-
sche und humanistisch-philosophische Texte, doch fehlen historische Werke nicht, etwa die
Chronica Nauclerin und eine (nicht identifizierte) Historia Germanorum. Er selbst verfaßte eine
Wahrhaftige beschreibung wie das land Württemberg durch kayser Maximilian den ersten diß na-
mens zu einem hertzogthumb seye erhöht worden. Auch beschreibung der. .. herren von Würtembergk
. . ,94. Auch seine Kenntnis württembergischer Orte war außergewöhnlich: 1571 baten die ge-
heimen Räte, seinem mehrfach gestellten Ansuchen, aus Altersgründen aus dem Dienst ent-
lassen zu werden, nicht zu entsprechen, da keiner wie er imstande sei, über alles, was land und
leute belange, guten, satten, gewissen bericht zu geben, weshalb man ihn als das legerbuch der kanzlei be-
zeichnen könne95. Kaum ein anderer hätte also wie er eine landbuchartige Beschreibung von
Württemberg verfassen können. Deshalb wurden ihm bis heute solche Texte zugeschrieben,
89 S. besonders die Anm. 46-49, 57, 62, 79 genannten Überlieferungen; zum Übergabebrief vgl.
Anm. 97.
90 Die umfassenden Verzeichnisse von W. Pfeilsticker, Neues Württembergisches Dienerbuch
(NWDB) 1-3, Stuttgart 1957-1974, kennen keinen Moritz Fessler; auch unter anderen Vornamen oder
verwandten Nachnamen taucht im gegebenen Zeitrahmen keine passende Person auf.
91 G. Wunder, Johann Feßler, in: Lebensbilder aus Schwaben und Franken 10 (1966) S. 14-30; Bern-
hardt (wie Anm. 84) S. 291-293. Nach Wunder S. 14 stammte die Familie aus Oberschwaben.
92 HStASt A 17 Bü 50, 2/4 (Inventar) fol. 12 r —15 r; derj. Kothe, Der fürstliche Rat in Württemberg
im 15. und 16. Jahrhundert (DarstWürttG 29), Stuttgart 1938, S. 137 (Nr. V, 11 Anm. 10) erwähnte Druck
des Bücherverzeichnisses kam nicht zustande. Vgl. aber J. Lange-Kothe, Zur Sozialgeschichte des fürst-
lichen Rates in Württemberg im 15. und 16. Jahrhundert, in: VjschrSozialWirtschG 34 (1941) S. 237 -
267, hier S. 263f: Interpretation des Bücherverzeichnisses.
93 J. Nauclerus (Vergenhans, 1425-1510), Memorabilium omnis aetatis et omnium gentium chronici
commentarii 1-2, Tübingen 1516; nach Wunder (wie Anm. 91) S. 15 trug der Vater, Kilian Fessler, zu de-
ren Finanzierung bei. — Bei der anschließend genannten Geschichte der Germanen könnte es sich um
eine Tacitusausgabe handeln.
94 Druck in: F. Hortleder, Der römischen Kaiser . . . Handlungen . . . von Ursachen des teutschen
Krieges, Gotha 1617, hier 21645, S. 808 - 824 (I, 3,1); Abschriften HStASt J 1 Nr. 21 fol. 2 r - 7 v, 214 r bis
242 v; 48 b, S. 108-155, Klein (wie Anm. 1) S. 87,119; Struve (wie Anm. 72) Editio 1740 S. 1237; Moser
(wie Anm. 4) S. 21 f; Pfaff (wie Anm. 4) S. 26 f; inhaltliche Bewertung M. Bayer, Die Darstellung des er-
sten Herzogs von Württemberg, Eberhard im Bart, in den Chroniken von Wolleber, Gadner und Fess-
ler, Kommentar und Edition, Tübingen 1979 (Zulassungsarbeit, masch.).
95 Bernhardt (wie Anm. 84) S. 293 nach HStASt A 202 Bü 62.
KLEIN
Stockburger Haufen besetzt wurde. Allerdings erlitt das Kloster nur geringen Schaden. — Alle
diese Umbrüche machen es unwahrscheinlich, daß ein solcher Geschichtscodex in Maul-
bronn blieb — ganz ausschließen läßt es sich nicht.
Bedenklicher noch stimmt, was von dem angeblichen Schreiber der Vorlage, des Thesaurus
Antiquitatum, berichtet wird: der edle, hochgelehrte Moritz (Mauritius) Fessler (Fesler, Fester,
Fisler, Tesler) habe vor zweihundert Jahren gelebt. Nach anderen Stellen war er württembergi-
scher Kanzler89. — Anfang des 15. Jahrhunderts ist aber kein württembergischer Kanzler oder
auch nur Kanzleiverwandter dieses Namens bezeugt90. Anders ein Jahrhundert später. In der
Mitte des 16. Jahrhunderts war Johann Fessler (1501 -1572) Kanzler der Herzöge Ulrich
(1487-1550), Christoph (1515-1568) und Ludwig (1554-1593), einer der bedeutendsten
Beamten von Württemberg91. Ein Bücherverzeichnis, gefertigt 1539 nach seiner Flucht aus
Württemberg, zeigt weite Interessen92 93. Dabei überwiegen juristische, theologisch-reformatori-
sche und humanistisch-philosophische Texte, doch fehlen historische Werke nicht, etwa die
Chronica Nauclerin und eine (nicht identifizierte) Historia Germanorum. Er selbst verfaßte eine
Wahrhaftige beschreibung wie das land Württemberg durch kayser Maximilian den ersten diß na-
mens zu einem hertzogthumb seye erhöht worden. Auch beschreibung der. .. herren von Würtembergk
. . ,94. Auch seine Kenntnis württembergischer Orte war außergewöhnlich: 1571 baten die ge-
heimen Räte, seinem mehrfach gestellten Ansuchen, aus Altersgründen aus dem Dienst ent-
lassen zu werden, nicht zu entsprechen, da keiner wie er imstande sei, über alles, was land und
leute belange, guten, satten, gewissen bericht zu geben, weshalb man ihn als das legerbuch der kanzlei be-
zeichnen könne95. Kaum ein anderer hätte also wie er eine landbuchartige Beschreibung von
Württemberg verfassen können. Deshalb wurden ihm bis heute solche Texte zugeschrieben,
89 S. besonders die Anm. 46-49, 57, 62, 79 genannten Überlieferungen; zum Übergabebrief vgl.
Anm. 97.
90 Die umfassenden Verzeichnisse von W. Pfeilsticker, Neues Württembergisches Dienerbuch
(NWDB) 1-3, Stuttgart 1957-1974, kennen keinen Moritz Fessler; auch unter anderen Vornamen oder
verwandten Nachnamen taucht im gegebenen Zeitrahmen keine passende Person auf.
91 G. Wunder, Johann Feßler, in: Lebensbilder aus Schwaben und Franken 10 (1966) S. 14-30; Bern-
hardt (wie Anm. 84) S. 291-293. Nach Wunder S. 14 stammte die Familie aus Oberschwaben.
92 HStASt A 17 Bü 50, 2/4 (Inventar) fol. 12 r —15 r; derj. Kothe, Der fürstliche Rat in Württemberg
im 15. und 16. Jahrhundert (DarstWürttG 29), Stuttgart 1938, S. 137 (Nr. V, 11 Anm. 10) erwähnte Druck
des Bücherverzeichnisses kam nicht zustande. Vgl. aber J. Lange-Kothe, Zur Sozialgeschichte des fürst-
lichen Rates in Württemberg im 15. und 16. Jahrhundert, in: VjschrSozialWirtschG 34 (1941) S. 237 -
267, hier S. 263f: Interpretation des Bücherverzeichnisses.
93 J. Nauclerus (Vergenhans, 1425-1510), Memorabilium omnis aetatis et omnium gentium chronici
commentarii 1-2, Tübingen 1516; nach Wunder (wie Anm. 91) S. 15 trug der Vater, Kilian Fessler, zu de-
ren Finanzierung bei. — Bei der anschließend genannten Geschichte der Germanen könnte es sich um
eine Tacitusausgabe handeln.
94 Druck in: F. Hortleder, Der römischen Kaiser . . . Handlungen . . . von Ursachen des teutschen
Krieges, Gotha 1617, hier 21645, S. 808 - 824 (I, 3,1); Abschriften HStASt J 1 Nr. 21 fol. 2 r - 7 v, 214 r bis
242 v; 48 b, S. 108-155, Klein (wie Anm. 1) S. 87,119; Struve (wie Anm. 72) Editio 1740 S. 1237; Moser
(wie Anm. 4) S. 21 f; Pfaff (wie Anm. 4) S. 26 f; inhaltliche Bewertung M. Bayer, Die Darstellung des er-
sten Herzogs von Württemberg, Eberhard im Bart, in den Chroniken von Wolleber, Gadner und Fess-
ler, Kommentar und Edition, Tübingen 1979 (Zulassungsarbeit, masch.).
95 Bernhardt (wie Anm. 84) S. 293 nach HStASt A 202 Bü 62.