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Panofsky, Erwin; Saxl, Fritz
Dürers "Melencolia I": eine quellen- und typengeschichtliche Untersuchung — Teubner, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.31125#0040
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Die Melancholie (Aristoteles)

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„Temperamenten“ gegenüber für alle folgenden Jahrhunderte so bedeu-
tungsvoll und problematisch, so beneidenswert und unheimlich gemacht
hat1), — sie begründet auch die tiefste und entscheidendste Entspre-
chung zwischen der Melancholie und dem Saturn: es sind nicht nur
die Eigenschaften der Kälte und Trockenheit, die die schwarze Galle
mit dem vermeintlich ebenso gearteten Gestirn verbinden, es ist nicht
nur die Neigung zu Trübsinn, Einsamkeit und visionären Zuständen, die
der melancholische Mensch mit dem Planeten des baxpu, des cxfipa pova-
Xiköv und der Wahrsager gemeinsam hat, sondern darüber hinaus besteht
noch eine tiefere Analogie; wie die Melancholie, so verleiht auch der
Saturn, dieser Dämon der Gegensätze, der Seele auf der einen Seite die
Trägheit und den Stumpfsinn, auf der andern die Kraft der Intelligenz
und Kontemplation, wie sie bedroht auch er die ihm Unterworfenen,
mögen sie an und für sich noch so erlauchte Geister sein, stets mit
den Gefahren des Trübsinns oder der irren Ekstase — er, der, um
abermals Ficino zu zitieren, „selten gewöhnliche Charaktere und Schick-
sale bezeichnet, sondern Menschen, die von den andern verschieden
sind, göttliche oder tierische, glückselige oder vom tiefsten Elend dar-
niedergebeugte“.2)

1) Besonders schön die Stelle des Ficino (de vita triplici I, 6, Opera
p. 499): ,,Quorsum haec de atrae bilis humore tam multa ? Ut meminerimus,
quantum atra bilis, immo candida bili« eiusmodi, quaerenda et nutrienda est tam-
quam optima, tantum illam, quae contra se habet, ut diximus, tamquam pessimam
esse vitandam. Adeo enim dira est, ut a malo daemone eius impetus instigari
Serapio dixerit et Avicenna sapiens non negaverit.“

2) Ficino, de vita triplici III, 2 (Opera p. 533). Ausfiihrliches Zitat im
IV. Anhang.
 
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