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Panofsky, Erwin; Saxl, Fritz
Dürers "Melencolia I": eine quellen- und typengeschichtliche Untersuchung — Teubner, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.31125#0064
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Ficino

43

Magie, indem sie Körper und Geist des Kranken durch Anwendung
entsprechender Mittel den „verborgenen Sternkräften“ aussetzen (selbst
der Spaziergang im Freien, der fiir einen Constantinus Africanus eine
rein diätetische Maßregel ist, und den wir Heutigen zumeist als wesent-
lich ästhetisches Erlebnis betrachten, hat für Ficino seinen eigentlichen
Sinn nur darin, daß uns „die Strahlen der Sonne und der Sterne von
überallher in ungehinderterer und freierer Weise erreichen und unse-
ren Spiritus mit dem Weltpneuma erfüllen, das durch die Strahlen
reicher herabströmt“1)), — und wenn die Magier, um einen Talisman
„für langes Leben“ zu gewinnen, in der Stunde des Saturn das Bild
eines Greises mit verhülltem Haupt auf einen Saphir gravieren2), so
tun sie letzten Endes noch „Natlirliches“, indem sie allgemeine kos-
mische Gesetze durch Schaffung geeigneter Wirkungsbedingungen
sich zunutze machen — nicht viel anders, als wenn der Bauer durch
zweckmäßige Anwendung mechanischer Kraft die Milch in Butter ver-
wandelt.3) Sub specie einer solchen Denkweise ist Ficino vollkommen
berechtigt, die „Magia naturalis“ derjenigen, die „naturales materias
opportune causis subjiciunt naturalibus“, scharf von der „magia pro-
fana“ der gottlosen Dämonenbeschwörer zu unterscheiden und für
nicht minder unschädlich und legitim zu erklären als die Arzneikunst

Was die Musik betrifft, so kann auch auf Kap. III, 2 (Op. p. 534) verwiesen wer-
den, wonach, obzwar die Musik im allgemeinen der Venus gehört, diesem Planeten
doch recht eigentlich nur die heitere zukommt: die ernste gehört zu Sol und
Jupiter, die neutrale (bezeichnenderweise) zum Merkur; vgl. auch d. v. tr. III, 11,
beides im IV. Anhang zitiert). Die allgemeine Gesetzlichkeit, auf der die Heil-
wirkung der Musik auf den menschlichen Organismus beruht, uncl die natiirlich
auch eine kosmische ist, wird in dem Brief an Antonio Canigiani (Opera p. 650 f.)
auseinandergesetzt; was die Tätigkeit von „Imaginatio“, „Ratio“ und „Mens“ be-
trifft, vgl. p. 45 ff.

1) D. v. tr. III, 11 (Opera p. 544, vollständiges Zitat im IV. Anhang):
„Inter haec diutissime diurno tempore sub divo versaberis, quatenus tuto vel
commode fieri potest (!), in regionibus altis et serenis atque temperatis. Sic eninj
Solis stellarumque radii expeditius puriusque undique te contingunt, spiritumque
tuum complent mundi spiritu per radios uberius emicante.“ Wie anders (bei aller
Ähnlichkeit der Vorschrift als solcher) die oben p. 21, Anm. 2, bereits ange-
zogenen Sätze eines Constantinus Africanus: „Melancholici assuescant ad pedum
exercitia aliquantulum, apparente Sole, per loca spatiosa ac plana, arenosa ac
saporosa!“

2) D. v. tr. III,i8 (Opera p. 556f.): „Saturni veteres imaginem ad vitae
longitudinem faciebant in lapide Feyrezech, id est Saphyro, hora Saturni, ipso
ascendente atque feliciter constituto Forma erat: homo senex in altiore cathedra
sedens vel dracone, caput tectum panno quodam lineo fusco, manus supra caput
erigens, falcam manu tenens aut pisces, fusca indutus veste.“ Die Beschreibung
geht zuriick auf den Picatrix, wozu Saxi, Rep. XLIII, 1921, p. 238 zu ver-
gleichen ist.

3) Vgl.*; Ritter a. a. O.
 
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