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50 Dürei

vom Melancholiker entsprachen, so ist es ohne weiteres einleuchtend,
daß Dürer nicht mehr die „unedle Komplex“ der Trägen und Stumpf-
sinnigen dargestellt hat, sondern die edle Melancholie des „denkenden
Arbeitsmenschen“.1) Zirkel und Buch, nicht Rocken und Spindel, sind
jetzt die Attribute der Gestalt, und statt am hellen Tage bei der Ar-
beit einzuschlafen, wacht diese Frau im Dunkel des nächtlichen Him-
mels, in weltabgeschiedener Einsamkeit, den Blick voller Trübsinn,
aber auch voller Gedanken ins Ferne gerichtet, —- in mehr als einem
Sinn der Fledermaus vergleichbar, deren schwerfälliger Flug erst mit
der Dämmerung anhebt.2)

Über diese allg'emeine Entsprechung hinaus läßt sich der Einfluß
der „libri de vita“ auch im einzelnen nachweisen. — Drei Kategorien
von Gegenmitteln waren es ja, die Ficino den Melancholikern empfahl:
diätetische, medikamentöse und magisch-astrologische; und
alle drei Kategorien finden wir auf Dürers Stich genau in der ihnen
zukommenden Rangordnung vertreten: die diätetischen Mittel (um
mit dem prosaischsten zu beginnen) bekämpfen die „menschliche“ Ur-
sache, nämlich die Verdickung des Blutes und die Austrocknung des
Gehirns infolge der angestrengten Denkarbeit, sowie die Behinderung
des Stoffwechsels infolge der sitzenden Lebensart3); und da unter ihnen

1) Warburg, Heidn.-ant. Weissagung, p. 61.

2) Zur Deutung der Fledermaus darf vielleicht auf eine Stelle aus dem 7.Ka-
pitel des ersten Buches de vita triplici hingewiesen werden (Opera p. 500), wo
vor der abendlichen und nächtlichen Ai'beit gewarilt wird: ,,Spiritus fati-
gatione diurna praesertim subtilissimi quique denique resolvuntur. Nocte igitur
pauci crassique supersunt, literarum studiis ineptissimi, ut non aliter mancis horurn
{retum alis ingenium volare possit, quam vespertiliones atque bubones.“ Auch
Dürers Melancholie ist ja im Gegensatz zu der bisherigen Auffassung in eine
N acli tlandschaft versetzt, auch sie erscheint — bei allen Zeichen höchster gei-
stiger Schöpferkraft -— doch zweifellos im Augenblick in eine tiefe Depression,
in mühsam-dumpfes Brüten versunken, und man mag deswegen neben der soeben
zitierten Ficinostelle über die Fledermaus gern auch das berühmte Gleichnis des
Aristoteles (Met. II — A öXdTTinv — 993 b) heranziehen, auf das schon Endres hin-
gewiesen hat: , "Qcirep y«P tci tüjv vuKTepiöuiv öppaTa rrpöc tö cpeYT0C cXei t° peö’
fpafpav, outui nai Tfjc ijpeTepac Miuxqc irpöc tü Trj cpöcei qaavepüiTaTa rravTUiv“. Im
iibrigen werden aber auch dem Saturn alle Nachttiere zugeordnet. Ranzovius,

Tractatus Astrologicus, in der Frankf. Ausg. von 1602 p. 47: ,,Ex animalibus.

omnia, quae tioctu vagantur.“ Noch Ramlers „Mythologie“ erwähnt die Fledermaus
(zit unten p. 57, Anm. 1).

3) De vita triplici 1,4 (Op. p. 496/497): ,,Ut autem literati sint melan-
cholici, tres potissimum causarum species faciunt: prima coelestis, secunda natu-
ralis, tertia est humana . . . Humana vero ea ex nobis causa est. Quoniam fre-
quens sagittario mentis cerebrum vehementer exsiccat, igitur humore magna ex parte
consumpto... calor quoque plurimum solet extingui, unde natura cerebri sicca
frigidaque evadit, quae quidem terrestris, et nrelancholica qualitas nominatur.
Praeterea ob frequentissimum inquisitionis motum spiritus quoque moti continue
resolvuntur. Resolutos autem spiritus ex subtiliore sanguine instaurari necessarium
 
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