Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Panofsky, Erwin; Saxl, Fritz
Dürers "Melencolia I": eine quellen- und typengeschichtliche Untersuchung — Teubner, 1923

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.31125#0073
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
52

Dürer

gisch-astrologischen Mittel endlich begegnen der „himmlischen“
Ursache, d. h. dem Einfluß derjenigen Planeten, die zugleich die Sterne
der geistigen Arbeit und der melancholischen Erkrankung* sind, des
Merkur und namentlich des Saturn* 1), und diese Mittel finden wir zu Häup-
ten der Figur repräsentiert in Gestalt eines jener „magischen“ Zahlen-
quadrate, die — ein mathematisch-bildloser Ersatz für die von Ficino
angepriesenen „imagines“ der Sterndämonen — vermutlich im islami-
schen Orient ihren Ursprung haben, und die, wie Warburg nach-
wies2 * * * *), dem Abendland bereits im XIII. und XIV. Jahrhundert als

zugeordneten Pflanze identisch sei und demzufolge als ein seiner Natur nach
feuchtes, daher der trockenen Natur der schwarzen Galle entgegenwirkendes zu
gelten habe. Sicher ist also jedenfalls so viel, daß der Kranz der Melancholie,
auch wenn er nicht aus „Teucrium“ bestehen sollte, zu antimelancholischen Iieil-
zwecken getragen wird. — Schwer verständlich ist es, wie Paul Weber (Beitr. zu
Diirers Weltanschauung 1900, p. 82) den Kranz, obgleich er ihn sogar fiir einen
Kranz aus Teucriumblättern hält, als Beweisstück fiir seine These anziehen kann,
wonach die von Diirer dargestellte Melancholie gar nichts mit der durch die
atra bilis verursachten Krankheit oder Komplexion zu tun habe, sondern im Sinn
eines modern empfundenen Weltschmerzes zu deuten sei: gerade der von ihm
herangezogene Brief Melanchthons an Pannonius (Corp. ref. V, col. 2994) er-
zählt ausdrücklich die bekannte, auf Plinius (Nat. Hist. XXV7, 5) zuriickgehende
Geschichte, daß Teukros jenes Kraut angewandt habe, „cum atra bile laboraret“
(nach Plinius ward es geradezu als „splenion“ bezeichnet).

1) D. v. tr. I, 4 (op. p. 496): „Coelestis, quoniam Mercurius, qui ut doctri-
nas investigemus invitat, et Saturnus, qui efficit, ut in doctrinis investigandis perse-
veremus inventasque servemus, frigidi quodammodo siccique ab astronomis esse
dicuntur, vel si forte Mercurius non sit frigidus, fit tamen saepe Solis propinquitate
siccissimus, qualis est natura apud medicos melancholica, eandemque naturam Mer-
curius ipse et Saturnus literarum studiosis, eorum sectatoribus, impertiunt ab
initio ac servant augentque cotidie.“ (Über das Verhältnis des Saturn zum Mer-
kur, vgl. oben p. 36, Anm. 3.)

2) Heidnisch-antike Weissagung, p. 60f. (dort auch die Zurückweisung
der Ansicht, daß das Quadrat der „Melancholie“ gleichsam nur ein Symbol der
dem Melancholiker eignenden mathematischen Erfindungsgabe darstelle). Die
abendländischen Quellen, in denen die Planetensiegel vor 1400 begegnen, sind
zwei lateinische Handschriften, die mit dem sog. Picatrix zusammenhängen (Wien,

Hofbibl. cod. lat. 5239 saec. XIV. und Rom, cod. Reg. 1283, um ^ß00, Abb. 17);
im Orient selber sind sie wahrscheinlich schon im IX./X. Jahrhundert bekannt.
Durch den Nachweis eines so frühen Vorkommens ist der Argumentation von
Ahrens, der Giehlows ohne Zweifel richtiger Erkenntnis gegenüber die magisch-
astrologische Bedeutung des Dürerischen Zahlenquadrates bestritt (Z.f. b.K.,
N. F.XXVI, 1916, p. 291 ff.) jeglicher Boden entzogen. Aber auch ohnedies

wären die von Ahrens beigebrachten Gründe leicht zu entkräften gewesen. Daß

die planetarische Bedeutung der magischen Quadrate innerhalb der gedruckten

Literatur erst bei Agrippa von Nettesheim zu belegen ist, besagt natiirlich nichts
dagegen, daß sie schon früher bekannt war (so bereits Pauli, Rep. XLI, 1918,

p. 23); daß die in Amulettform erhaltenen Stücke zumeist (nicht immer!) auf
ihrer Rückseite eine bildliche Darstellung zeigen, die explicite auf den betreffen-
den Planeten hinweist, kann hier, wo die mensula Jovis — um iiberhaupt erkenn-
bar zu sein — in der Form einer Wandplakette auftritt, wenig beweisen; und daß
spätere Zeiten — nachdem Adam Iliese und Michael Stifel das rein mathematische
 
Annotationen