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Panofsky, Erwin; Saxl, Fritz
Dürers "Melencolia I": eine quellen- und typengeschichtliche Untersuchung — Teubner, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.31125#0076
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Astiologische Quellen und Bildtradition 55

Reichtum-Spenders und -Behüters zukam (ist er doch der Antike nicht
nur der Herrscher des „goldenen“ Zeitalters, sondern auch der Hüter
der Ararien und der Erfinder des g'emünzten Geldes1) — so ist er auch
in der Hierarchie der Planetengötter der „mächtigste“2) und aer
„Schatzmeister“2), und wie wir sahen, verleiht er selbst noch in

1) * Vgl. namentlich Isidorus, Etymol. VIII, 11,32 (,,Postea a Saturno
aereus nummus inventus; ipse enim signari nummos et scribi instituit“); ferner
vgl. den II. Anhang.

2) Vgl. etvva Marsiglio Ficino III, 22 (zitiert oben p. 35). Ferner Reitzen-
stein, Das iranische Erlösungsmysterium, 1921, p. 180; clerselbe, Die Göttin Psyche
(Sitzungsber. der Pleidelb. Akad., 1917, p. 30: Kpövoc als Inhaber cles CKfiTrxpov und
TtptuToc ktictöc) ; ferner die Stelle des Abü Ma'sar, laut vvelcher Saturn diejenigen
erzeugt, die ,,die Herrschaft lenken“ uncl „andere sich untertan machen“, und
deren spätantike Quellen (siehe Anhang II). Auch in Plarran gehörte zum Sa-
turn u. a. ein ,,auf einem Elefanten reitender König“.

3) Vgl. Saxl, Beiträge, p. 153, 2 (lt. der Kosmographie des Kazvvini). Der-
selbe, Verzeichnis astrol. u. mythol. Handschr. in röm. Bibliotheken, Abb. 30,
unsere Abb. 18. In einem interessanten Zusammenhang mit diesem Darstellungs-
typus, der den Saturn als einen am Tisch rechnenden und (Geld?) zählenden
Mann veranschaulicht, scheint die bisher nicht gedeutete Gestalt links oben auf
dem Saturnblatt der Tübinger Planetenhandschrift (Univ.-Bibl. M. d. 2., unserer
Abb. 25) zu stehen: ein sitzender König, der mit der Rechten auf einen großen
Geldkasten Goldstiicke zählt, mit der Linken aber einen Becher emporhebt. Das
Tübinger Blatt — auf clessen Hauptfigur vvir noch zurückzukommen haben — ist
nicht leicht zu erklären, insbesondere macht die dem sitzenden König gegenüber-
stehende Christusfigur der Deutung Schvvierigkeiten. Daß sie mit Kurt Rathe (Mitt.
d. Ges. f. vervielfältig. Kunst, 1922, p. 17, Anm. 2) als ein christianisierter ,,Dekan“
aufzufassen sei, ist schvverlichaufrechtzuerhalten, vielmehr verdient die Deutung von
Herrn Geh. Rat Boll — Herrn Dr. Rathe schriftlich mitgeteilt und von diesem freund-
lichst uns zugänglich gemacht — den Vorzug, vvonach die Christusfigur, in unmittel-
barer Nachbarschaft des Steinbocks angeordnet, und auf dem Stern der Magier
stehend, auf den Monat Dezember als den Geburtsmonat Christi hindeutet. Da-
mit ist dann aber auch der sitzende König erklärt: Wie die Christusfigur zumStein-
bockgehörtundauf denDezember hinvveist, sogehörter zum Wassermann undbe-
deutet den Januar, der in fast allen Monatsbilderzyklen durch schmausende und
bechernde Menschen dargestellt wird (vgl. etwa die Darstellung im ersten deut-
schen Kalender, Muther, Buchillustration, Tafel 31), und den als König zu
drapieren die .Vorstellung des Epiphaniastages gerade hier, wo auf der andern
Blattseite der Stern der hl. drei Könige zu sehen vvar, besonders nahelegen mochte:
vgl. etvva den Holzschnitt bei Schreiber, Manuel, VIII, Nr. 117, auf dem die Dar-
stellung der Epiphaniasszene vom Zeichen des Wassermannes beherrscht wird.
Daneben mag die Vorstellung des ,,Königs“ Janus eingevvirkt haben. Wenn nun
aber — und das ist in unserem Zusammenhang das Wichtige — dieser bechernde
König mit der andern Hand Geld zählt, so ist das daraus zu erklären, daß das
herkömmliche Schema der Monatspersonifikation sich gleichsam verbunden hat mit
der Darstellung des Planeten Saturn, der ja den Januar nicht minder als den De-
zember beherrscht; und daß dieser Vorgang kein singulärer ist, beweist das
Merkurblatt der gleichen Handschrift, vvo, an entsprechender Stelle, ein Mann in
Gelehrtentracht zu sehen ist, der in der einen Hand ein Buch emporhält (Abb.
bei Hauber, a. a. O. Abb. 41) — auch er nicht Sternbild oder Dekan, sondern
eine Replik des Planetengottes selbst, der als Gott der Schrift und der Gelehrsam-
keit auch sonst in dieser Weise dargestellt erscheint (vgl. Saxl, Beiträge, p. 154
und Abb. 27/28, 29).
 
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