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Panofsky, Erwin; Saxl, Fritz
Dürers "Melencolia I": eine quellen- und typengeschichtliche Untersuchung — Studien der Bibliothek Warburg, Band 2: Teubner, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.31125#0161
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140

VII. Anhang

oder der Holzschnitt des Rostocker Kalenders von 1523, der
genau mit dem entsprechenden Schnitt der Straßburger (?) Folge
(Abb. 15) iibereinstimmtx) und ebenso wie dieser auf die bekannte
Darstellung des Schönspergerschen Kalenders (Abb. 8) zurückweist
— sodann aber diejenigen, in denen (wenn auch unter vielfacher Be-
nutzung älterer Einzelmotive) eine freie Neuschöpfung versucht wird.
Zu ihnen zählt etwa die Darstellung des „Malenconico“ in der Icono-
logia des Cesare Ripa (Abb. 45): ein dunkelbekleideter stehender
Mann, in der einen Hand ein Buch, das seine Neigung zum Studieren
bedeuten soll, in der andern einen Beutel, der seinen Geiz kennzeichnet,
um den Mund eine Binde, die seine Schweigsamkeit anzeigt, und auf
dem Kopf einen Sperling, der seinen Hang zur Einsamkeit symboli-
siert; ferner der Le Blonsche Titelkupfer zu Burtons „Anatomy of
Melancholy“ (Abb. 46), der, ganz ähnlich wie es in Shakespeares
„Wie es euch gefällt“ geschieht2), gleichsam die unterschiedlichien
Haupttypen des melancholischen Charakters zur Anschauung zu brin-
gen sucht, den Liebeskranken, den Hypochonder, den Tollwütigen und
den Rosenkranz betenden Mönch, der es sich hier (für das protestan-
tische England überaus bezeichnend!) gefallen lassen muß, als„Super-
stitiosus“ vorgeführt zu werden.3)

Von höherem Interesse sind naturgemäß die von Dürer abhän-
gigen Darstellungen. Wir erwähnten bereits, daß Dürer als erster
nordischer Künstler, und vielleicht nicht unabhängig von dem ver-
lorenen Gemälde Mantegnas, an die Stelle des Melancholikerbildes ein
Melancholiebild gesetzt, d. h. die bisher rein deskriptive Darstellung
ins Symbolische gewendet habe. Dem widerspricht, wie man meinen
könnte, die Tatsache, daß schon in der mit Recht berühmten Wiener
Handschrift des Reneromans, d. h. in einem u;m 1475 entstandenen

Kodex, die Darstellung einer „Melancholie“ begegnet (Abb. 47 ).4)

- •

1 Die Phlegmatikerdarstellung dieser Folge (Abb. 13) ist, worauf Herr
Geh. Rat Friedländer uns freundlichst aufmerksam macht, in Anlehnung an einen
von Lehrs veröffentlichten Kupferstich des Meisters E. S. entstanden (Jahrb. d.
Kgl. Pr. Kunstslgn. XII, 1891, p. 128).

2) IV, 1. Jaques: ,,Ich habe weder des Gelehrten Melancholie, die Nach-
eiferung ist; noch des Musikers, die phantastisch ist . . .“ usw.

3) Im übrigen enthält der Le Blonsche Stich das Porträt des Autors (als
Democritus iunior) und seines antiken Vorbildes, des Democritus Abderites, ferner
zwei Allegorieen auf die Gründe, bzw. Eigentiimlichkeiten der melancholischen
Geisteshaltung (Zelotypia — Neid und Solitudo — Einsamkeit) und endlich die Dar-
stellungen zweier Heilmittel: Borago und Helleborus, der auch in dem oben
zitierten Peutingerkodex (Clm. 4011, fol. 23) ausfiihrlich als Mittel gegen die
Melancholie gepriesen wird.

4) Nach Jahrb. der Kunstslgn. d. Allerh. Kaiserh. XI, 1S90, Taf. XVI
(Chmelarz).
 
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