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Panofsky, Erwin; Saxl, Fritz
Dürers "Melencolia I": eine quellen- und typengeschichtliche Untersuchung — Teubner, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.31125#0172
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Die nachdürerischett Melancholiedarstellungen bis zmn XVII. Jahrhundert 151

mit 16 tanzenden und misizierenden Putten darstellte *), und das ja,
wie wir sahen, vielleicht schon für Diirers Kupferstich nicht ohne Be-
deutung gewesen war. Allein während in jenem Fall die Übereinstim-
mung nur eine äußerst allgemeine gewesen wäre, erscheint sie hier, wo
diePutten in fast ebenso großer Anzah.1 und in der gleichen,,tanzenden
und musizierenden“ Beschäftigung wiederkchren, relativ weitgehend;
und da uns im übrigen eine ähnliche Darstellung nirgends begegnet,
so werden wir schwerlich fehlgehen, wenn wir das Cranachbild mit
jenem heute verschollenen Werke Mantegnas in Zusammenhang brin-
gen. Der Künstler braucht nicht einmal eine Kopie oder Skizze
danach gesehen zu haben, denn schon eine mündliche oder briefliche
Nachricht konnte genügen, um seine stilistisch und kompositionell ganz
eigenwüchsige Darstellung im Sinne der mantegnesken Erfindung zu
beeinflussen. Daß Cranach statt der 16 Putten nur 15 anbringt, er-
scheint vergleichsweise belanglos und wäre bei mangelnder Autopsie
um so erklärlicher. Die genaueAnzahl war ja für den deutschenMeister
kaum von besonderer Bedeutung, während sie, wie man vermuten darf,
von Mantegna nicht ohne eine bestimmte Absicht beliebt worden ist;
denn diesem so stark archäologisch interessierten Meister, der seine
Gemälde gelegentlich sogar griechisch signiert hat, darf wohl die
Kenntnis der Tatsache zugetraut werden, daß eines der berühmtesten
Kunstwerke des Altertums die personifizierende Gestalt eines erwach-
senen Menschen mit gerade 16 spielenden Kindern zusammengruppiert
hatte: die Statue des Nil.2)

Weniger zahlreich ist naturgemäß die Nachkommenschaft, die
Dürers Kupferstich auf italienischem Boden hervorgebracht hat: es
sind uns nur drei sichere Beispiele bekannt geworden, von denen über-
dies der dritte als eine Weiterbildung des zweiten sich darstellt.

Schon Julius v. Schlosser hat darauf hingewiesen, daß der um
die Mitte des XVI. Jahrhunderts schreibende Literat und Kunsttheo-
retiker Giovanni Francesco Doni die Personifikation der „Scoltura“,

1) Die eben p. 21, Anm. 3, bereits angeführte Stelle bei Campori hat fol-
genden Wortlaut: „Un quadro su l’ascia di mano del Mantegna con 16 fanciulli,
che suonano e ballano, sopra scrjttovi Malancolia, con cornice dorata, alta on. 14,
largo on. ao1/^.“

2) Plinius, Nat. Hist., XXXVI, 58: „Numquam hic (sc. basanites), maior
repertus est, quam in templo Pacis ab imperatore Vespasiano Augusto dicatus
argumento Nili, sedecim liberis circa ludentibus . . .“

Über die Repliken der Gruppe (das vatikanische Exemplar ist bekanntlich
erst unter Leo XIII. gefunden) vgl. W. Amelung, die Skulpt. d. Vatik. Mus. I,
1903, p. 130.
 
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