Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
70

Hercules Prodicius

Leben weniger in der Gestalt der Gottseligkeit, als in Gestalt des Nach-
ruhms, ja der Apotheose, verheißt: eine solche „Virtus“ hat mit der ver-
trockneten, zerlumpten und ihre Arbeitsamkeit durch unaufhörliches
Spinnen beweisenden „Tugend“ Basilianisch-Brantischer Prägung nicht
sehr viel mehr als den Namen gemeinsam.

Die Anschauung, die diese beiden Figuren geformt hat, ist nicht
mehr mittelalterlich, sie ist auch nicht in einem allgemeinen Sinne
antik, sondern sie ist spezifisch römisch. Und in der Tat: sehen wir
ab von den Entlehnungen aus anderen klassischen Dichtern, auf die ein-
zugehen zu weit führen würde, und von den zahlreichen Beispielen, die
„Tugend“ und „Laster“ für ihre Behauptungen beibringen, so entschält
sich als Kern des Locherschen Kampfgesprächs die innerhalb ihrer
Grenzen sehr großartige „Synkrisis“ des Silius Italicus, aus der, mit
nur geringen Änderungen, rund 15 Verse wörtlich übernommen sind:

Silius Italicus.1)

Has, lauri residens iuuenis uiri-
dante sub umbra,

Aedibus extremis uoluebat pectore
curas,

Cum subito assistunt, dextra laeua-
que per auras

Allapsae, haud paulum mortali
maior imago,

Hinc Uirtus, illinc uirtuti inimica
Uoluptas.

Altera Achaemenium spirabat uer-
tice odorem,

Ambrosias diffusa comas et ueste
refulgens,

Ostrum quafuluoTyrium suffuderat
auro;

Fronte decor quaesitus acu, lasciua-
que crebras

Ancipiti motu iaciebant lumina
flammas.

Jacob Locher.2)

Obiectio Voluptatis.

„En ego sincerae virtuti inimica vo-
luptas

Adsum victrici lauro redimita: per
orbem

Signa mei fulgent castris suffulta
triunphi:

Semper Achemenios spirant mea
tempora flores:

Et redolet violas collecti fascia cri-
nis.

In niueis soleo manicas gestare la-
certis:

Et vestes tyriae fulgentia brachia
velant.

Est facies lasciua nimis: stant lu-
mina multo

Inuidiosa ioco: petulantes frontis
ocellos

Ostendo: mallem frangunt qui saepe
iuuentam:

1) Silius Italicus, Punica XV, v. i8ff.

2) Brant-Locher, Stultifera Navis, fol. 131 v. der Ausgabe vom 1. Aug. 1497: unser
Abdruck ist wesentlich gekürzt, die wichtigeren Übereinstimmungen sind durch Kursiv-
druck kenntlich gemacht.
 
Annotationen