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Hercules Prodicius

gegenkam. So finden wir — ganz abgesehen von der Dichtung Jacob
Lochers, in der ja der Übergang von der epischen Erzählung zum Bühnen-
dialog so gut wie vollzogen ist — schon im Jahre 1490 den Einzug
Karls VIII. in Vienne durch eine Aufführung verherrlicht, die das
Prodikos-Motiv in eine mittelalterliche „Moralität“ geradezu verwoben
zeigt. Der Festzug passierte 5 auf offener Straße errichtete Schaugerüste
(„loges“, „echafauds“), auf deren erstem die Demut und Loyalität der
Stadt Vienne allegorisiert wurde. Das zweite aber zeigte die bekannte
„Fontaine du Bien et du Mal“ (die auch als „la Fontaine d’Arbitre libe-
ral“ bezeichnet wird), und an dieser Fontaine erschien nun auch
Hercules — „prefigurant le Roy“* 1) —, um den bitteren Trank der in
Silber gekleideten „Volupte“ zurückzuweisen und die süße Labe der
„Vertu“ entgegenzunehmen, nicht ohne daß das „Entendement“,
diese in Frankreich fast unentbehrliche Figur der allegorisierenden
Dichtung, den Hergang erläuterte.2) Selbständigere Bühnenspiele glei-

la cima d’un monte consacrato all’eteriiita'''; vgl. Vasari, Mil. III, S. 134; vgl. Arturo
Stanghellini, Vita di Lorenzo Costa, s. a., S. 52, 71. Und zu Ehren der Ferrareser Gesandt-
schaft, die im Jahre 1501 die Lucrezia Borgia aus Rom abholte, wurde der Zweikampf
zwischen Hercules und Fortuna dargestellt (über diesenConcetto und sein Weiter-
leben vgl. E. Cassirer, Individuum und Kosmos in der Philos. d. Renaiss., Stud. d. Bibi.
Warburg, X, 1927, S. 77ff. und unsere Bemerkungen S. 164L; vielleicht ist von hier
aus die 1457 abgefaßte Beschreibung einer angeblich antiken Gemme zu verstehen, auf der
Hercules dargestellt war „volens verberare mulierem quasi nudam et sedentem, et puer
nudus trahens Herculem ne mulierem verberet”, zitiert u. a. bei Oscar Lenz, Münchner
Jahrbuch d. bild. Kunst, N. F. I, 1924, S. 99). Wir werden uns in der Folge mit derartigen
Verwendungen des Herculesmythus nur in soweit befassen, als es sich um bildkünst-
lerische oder dichterische Ausgestaltungen der eigentlichen Prodikosfabel handelt.

1) Diese ganz typische Verwendung der Prodikosfabel als ,,Fürstenspiegel” be-
legt bereits der lange Widmungsbrief an den jungen Alessandro Gonzaga, dem Saxeo-
lus Pratensis seine Xenophonübersetzung dedizierte (vgl. oben S. 54).

2) Vgl. Josephe Chartrou, Les entrees solennelles et triomphales de la Renaissance,
1928, S. 36, nach J. J. A. Pilot, Entree et sejour de Charles VIII a Vienne en 1490 (Bull.de
la societe de statistique du departement de l’Isere, 2.me Serie, t. I, S. 274), Grenoble 1851.

Volupt6: „Volupte suis qui gouverne et regente
Tous les delitz de mondaine plaisance.

Re£oy ce bien quant je le te presente,

Laisse vertu et prens mon aliance.”

Vertu: „Tourne tes yeulx, mon beau filz Hercules

A moy Vertu digne et excellente:

Car Volupte a tendu ses filletz
Pour toy tirer a sa secte puante.”

Hercules: ,,A volupte j’ay tourne ma jeunesse;

Mais en la fin j'ai bonne entention
Que de Vertu j’auray teile largesse,

Qu’h tous jamaiz en sera mention”.

Die Quelle ist wohl auch hier Basilius Magnus — nur daß in diesem Falle auch die
„Tugend” als eine „belle fille” geschildert wird: kein Wunder, da auch sie von einer
jungen Dame der Gesellschaft dargestellt wurde.
 
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