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Der italienische ,,Paris-Typus“: Robetta und Giulio Romano IOj

und stehen herum, und, um mit Schwenters Worten zu reden, ,,zu
grosserm eer, lob vnnd breisz sind auch die drei gratiae dobei“, — als
ob der Stecher geradezu ein Musterblatt für ,,Dreiergruppen' ‘ hätte
liefern wollen. Denn das ist hier das Eigentümliche, daß auch die Per-
sonen der eigentlichen Entscheidungsszene zu einer völlig geschlos-
senen Dreiergruppe zusammengezogen erscheinen, d. h. daß Hercules
nicht in die isolierte Stellung des Paris eingerückt ist, sondern, rein
kompositorisch betrachtet, für eine der
zur Trias verbundenen Göttinnen
eintritt; und es ist vielleicht mehr als
bloßer Zufall, wenn sein Bewegungs-
motiv — dem Anschein nach entwickelt
aus jener auf den Stab gestützten Hir-
tenfigur, die für die Nebenseiten der
Endymion-Sarkophage typisch ist, und
deren nachdenkliche Pose sich leicht
mit der bekannten Schlaf- und Medi-
tationsgeste des übers Haupt gelegten
Armes verbinden konnte1) — in der
Minerva des Aldegreverischen Parisur-
teils fast wörtlich wiederholt erscheint.2)

Weit näher lag natürlich die andere
Lösung, die wir ja auch im Norden bevorzugt fanden: daß der
wählende Hercules die Stelle (und Stellung) des richtenden Paris er-
hält. Das eine Beispiel dieser Art ist wiederum ein Renaissance-
Cameo (Textabb. 5): Hercules ist ganz ähnlich wie der Paris der an-
tiken Sarkophagreliefs als sitzende Profilfigur gegeben, nur daß er
zugleich in gewisser Beziehung den Joel-Sklaven der Sixtinadecke
angeglichen ist, während die „Tugend“, in Gestalt der Minerva, sich
gegen die von Cupido begleitete Venus-Voluptas wendet3); das zweite
ist der bekannte Kupferstich des Adam Ghisi (recte Scultore), in
dem uns wahrscheinlich eine Komposition Giulio Romanos über-

1) Vgl. zu beiden Motiven Robert III, 1 XVI, 61 ff. Auf einigen Endymion-Sarko-
phagen, z. B. Robert III, x XIX, 75, findet sich auch der extravagant bewegte Erot der
rechten oberen Bildecke.

2) Stich B. 98 von 1538 (Singer Fig. 27), der übrigens auch die Kenntnis des oben
erwähnten Francia-Stichs P. 4 vorauszusetzen scheint.

3) Da der Cameo trotz eines,, adest"-Vermerks von 1893 im Berliner Antiquarium nicht
auffindbar war und in Furtwänglers Gemmenkatalog nicht abgebildet ist, müssen wir uns
auf die Abbildungen beiL. Beger, Thes. Brandenb. I, S. 208 und „Hercules Ethnicus“, 1705,
Tafel 4, verlassen. Ganz ähnlich muß der Beschreibung zufolge der Karneol ausgesehen haben,
den Rud. E. Raspe in seinem,,Catalogue raisonne d’une Collection generale de pierres gravees
ant. et mod.‘‘, 1791, unter Nr. 5678 aufführt (= Lippert, Daktyliothek III, 315).

Textabb. 5.
 
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