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Hercules Prodicius

virtutum, nisi malitia prius interimatur, que iugiter vigilat ad custodiam
vitiorum.“*)

In der Folge ist man auf diesem Weg der Auslegung noch weiter ge-
gangen, indem man die Hesperidenäpfel nicht nur als ein Tugendsymbol
unter vielen andern, sondern gewissermaßen als das Tugendsymbol schlecht-
hin interpretierte. Schon das Vienner Festspiel vom Jahre 1490 läßt — mit
betonter politischer Anspielung — auf die Entscheidungsszene alsbald die
Übernahme des Universums von Atlas und, als Abschluß des Ganzen, die
Eroberung der Hesperidenäpfel folgen1 2); und im nächsten Jahrhundert
hat man die Tugendsymbolik dieser Äpfel nicht nur noch schärfer zu
akzentuieren, sondern auch sorgsam zu differenzieren versucht, indem
man für jeden eine besondere Deutung erfand. ,, Quant o ad Hercole
s’appartiene“, so heißt es etwa bei Pierio Valeriano, „prima fu
detto da noi della sua artificiosa statua in Campidoglio per la clava e
per la spoglia del leone riguardevole, e che i tre pomi nella mano
sinistra di quella le tre piü Illustre Virtü Eroiche ne di-
mostrano, cioe la moderatione dell’ ira, iltemperamento
dell’ avaritia e de' piaceri un generoso disprezzo “3); und
fast genau dasselbe lesen wir bei Ripa sub voce „Virtü“.

Es bedeutet nur den folgerichtigen Abschluß dieser Entwicklung,
wenn der gelehrte Stephanus Vinandus Pighius, dem die antiken
Studien so viel verdanken, die hier zitierte Kapitolinische Bronze-
figur (und eine andere ihr ähnliche) ausdrücklich mit der Pro-

1) Liebeschütz, S. 125. Die Zahl der Hesperiden wird also nicht ausdrücklich an-
gegeben, doch hat die reizende Illustration (Liebeschütz, Tafel XXVII) ohne weiteres die
Dreizahl angenommen — ein Zeichen für die Festigkeit, die diese Überlieferung inzwischen
gewonnen hatte.

2) Vgl. J. J. A. Picot a. a. O., S. 288. Die Hesperiden, drei an der Zahl, sind über-
glücklich, daß Hercules sie aus dem Gefängnis ihres Gartens befreit hat, und widmen ihm
ein begeistertes Ruhmes-Terzett. Unmittelbar anschließend spricht Hercules das Schluß-
wort des Ganzen:

„Des pommes d’or jadis fus possesseur
Et du dragon forfay la felonnye,

Et ces pucelles plaines de grant douleur
Je delivray sans nulle villenye.

Ainsi fera au dragon plain d’envye,

Qui en Bretaigne veult faire residence
Pour y cuyder acquerir seigneurie;

Charles huictieme et noble Roy de France
Les pucelles mectra a delivrance
Pour en faire ä son noble vouloir;

Des pommes d’or aura pris jouyssance;

Ainsi soit-il, chescun le doit vouloir!“

3) Pierio Valeriano, Hieroglyphica, Buch 54, S. 717 der Frankfurter Ausgabe
von 1678.
 
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