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Hercules Prodicius

inteso per la Ragione, che lasciasse il Senso in preda della Voluttä"x);
und nicht viel später hat VincenzoCartari — von diesem Standpunkt
aus mit vollem Recht — die Schilderung Dantes ausdrücklich mit der-
jenigen Xenophons in Parallele gesetzt, da sie gleich dieser einen
Wettstreit zwischen „Virtus“ und „Voluptas" zum Gegenstand habe:
„Prodico, come si legge appresso diXenofonte... finse, che Hercole
. . . andö non so come in certo luoco diserto . . . gli apparvero due femine,
l’vna delle quali era la Voluttä . . . l’altra . . . era la Virtü ... Et perche
a questa si accostö Hercole, hebbe cosi glorioso nome. Dante fingendo nel
suo Purgatorio hauer visto in sogno, la Voluttä ... et haurebbe tratto
lui ä se con sue dolci parole, se non che apparue vna donna santa et
honesta, la quäle, dice egli

L’altra prendeua et dinanzi l'apriua
Fendendo i drappi e mostrauami il ventre
Quel mi suegliö col puzzo che n’vsciua.

Le quali cose si confanno molto bene alle vie de’ piaceri vitiosi e della
Virtu.“1 2)

Der Renaissance ist es also gelungen, Dante und Prodikos als Einheit
zu sehen. Und es konnte ihr gelingen, weil sie, schon seit den Tagen Gia-
nozzo Manettis und Lorenzo Vallas, den antiken Begriff der „Virtus“
als einer Vollendung im Diesseits zugleich in vollem Umfang restituiert
und mit dem christlichen Dogma versöhnt hatte: es wird nicht mehr
als eine Schmälerung der göttlichen Allmacht, sondern gerade umgekehrt
als ihre tiefste Bestätigung empfunden, wenn im Mittelpunkt des Uni-
versums der freie Mensch steht — frei nicht mehr dank einer himm-
lischen Gnadenhilfe, sondern kraft seiner eingeborenen Tugend. Die
„Virtus“, für die das mittelalterliche Moralsystem keine eigentliche
Stelle gehabt hatte, wird jetzt zu dem, was den Menschen wahrhaft zum
Menschen macht (,,per solam denique Virtutem utrobique, tarn corpore
quam animo, Homines esse declaratur“, heißt es bei einem Schüler des
Nicolaus Cusanus)3), ja sie wird wieder das, was sie im Altertum gewesen
war: ,,la domitrice della Fortuna“; denn während das mittel-
alterliche Denken sich einen ,,Sieg“ über das von Gott mit der wahl-

1) Dante con l’espositione di M. Bernardino da Lucca, Venedig 1568, S. 370. Die
Sirene konnte übrigens schon von Landino und Benvenuto da Imola als „voluptä“ be-
zeichnet werden (für Landino vgl. u. a. die in der vorigen Anmerkung zitierte Stelle), weil
die Bedeutung dieses Ausdrucks im Mittelalter auf das „Trivium vitiorum“ beschränkt war.

2) Cartari a. a. O. S. 337 s. v. „Virtü“. Anschließend wird als weitere Möglichkeit,
das Thema der zwei Wege darzustellen, das Pythagoreische Y mit Zitation der pseudo-
virgilischen Verse behandelt.

3) Vgl. vor allem Cassirer, a. a. O. Der im Text zitierte Satz (von Bovillus) eben-
dort S. 310. Ferner P. Mestwerdt, Die Anfänge des Erasmus, 1917, S. 6off.
 
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