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Der ,,.Hercules“-Stich Albrecki Dürers 169

der weibliche Akt und der bewehrte Unterarm des Satyrs der nach Mante-
gnas Stich B. 18 gepausten Albertina-Zeichnung L. 455 entstammen (wahr-
scheinlich hat jedoch noch eine andere, aus Mark-Antons Stich B. 319
erschließbare Mantegna-Vorlage hineingespielt, die den Frauenakt des
Herculesblattes auch im einzelnen vorbereitet, und die auch für den Amy-
monestich bedeutungsvoll gewesen sein dürfte* 1), vgl. Abb. 105 und 106),
und daß der Oberkörper und der linke Arm der stehenden Rückenfigur
der von Antonio Pollaiuolo abhängigen Bonnatschen Zeichnung L. 347
entlehnt sind2): „wie in einem Kaleidoskop sind die von Haus aus frem-
den Elemente zum Bilde zusammengemischt ..., die Klarheit der Erzäh-
lung mochte dabei immerhin einen Knick bekommen.“3)

Wie dem auch sei: wir wissen, daß Dürer selbst den Kupferstich „den
Herculem“ genannt hat4); und diese Angabe hätte schon längst zu der
richtigen Lösung geführt, wenn man sich nicht dem Vorurteil unter-
worfenhätte, daß sie mit einer „allegorischen“ Interpretation des Blattes —
die doch durch dessen ganzen Charakter unbedingt nahegelegt wird —
in Widerspruch stehe. Entweder, so meinte man, stelle der Kupferstich
eine Allegorie dar — dann sei es unmöglich, dafür den Namen,, Hercu-
les“ zu akzeptieren; oder aber man lasse die Bezeichnung „Hercules“
gelten — dann müsse die dargestellte Szene notwendig unter den Taten
des Helden gesucht werden.5) Sobald wir uns aber von diesem Vorurteil

gebrochenen Orpheus nachgebildet ist (Abb. 108). Der krasse Kontrapost ist absichtlich
gemildert: die Oberschenkel sind weniger auseinandergespreizt; das zurückgewandte Ant-
litz ist nicht gehoben, sondern, um dem Blick der Veronika zu begegnen, etwas gesenkt;
und da die aufgestützte Hand auf einem Stein ruht, ist die Knickung im Hüftgelenk
minder gewaltsam; allein die Gesamtbewegung ist völlig erhalten geblieben. Wenn sich
also Raffael in seinem Spasimo den Dürerschen Kreuzträger zum Vorbild nahm, so hat er
damit gleichsam die Repatriierung eines von Haus aus italienisch-antiken Motives vollzogen.

1) Der Hinweis auf diesen, 1506 datierten Kupferstich und seinen Zusammenhang
mit Dürer wird Frl. Dr. Martens verdankt.

2) Daneben wäre nach H. und E. Tietze (Der junge Dürer, S. 32) noch eine weitere,
nur aus Nachbildungen erschließbare Pollaiuolozeichnung für die grätschigen Beine des
Hercules benutzt worden, die auch schon dem breitspurigen Landsknecht des Stiches B. 88
zum Vorbild gedient hätte. Tietzes Datierung des Herculesstichs auf 1496 erscheint uns
etwas zu früh.

3) H. Wölfflin, Die Kunst Albrecht Dürers, 5. Aufl., 1925, S. 128.

4) L. F. I2i, 7. Daß die Notiz sich nur auf B. 73 beziehen kann, ist jüngst von Oscar
Lenz a. a. O., S. 98ff. so eingehend begründet worden, daß jedes weitere Wort sich er-
übrigt.

5) Alle in dieser Richtung vorgehenden Erklärungsversuche sind gescheitert. Die
Deutung auf Hercules und Deianira ist von Wölfflin ausreichend widerlegt worden. Aber
auch die von Lenz vorgeschlagene Interpretation auf das Zentauren- und Lapithen-
Abenteuer (Befreiung der Hippodameia aus den Armen des Zentauren Eurytion) ist
offenbar unzutreffend. Selbst wenn man die bei andern Künstlern vorkommende Ver-
wechslung zwischen Zentauren und Satyrn auch dem gut unterrichteten Dürer Zutrauen
wollte: der Augenschein lehrt, daß sich die angebliche Hippodameia mit ihrem Partner in
 
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