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i86

Hercules Prodicius

sonders wichtig ist, — auf die gedrängte, aber eigentümlich schichten-
hafte, vermittels senkrechter und wagerechter Motive tektonisch ver-
spannte und durch symmetrische Hintergrundsfiguren ins Gleichgewicht
gebrachte Gesamtkomposition des Holzschnittes eingewirkt hat
(Abb. 114 und 116).

Während also der deutsche Chelidonius-Illustrator, der den Kampf
mit Geryones darstellen will, aus Dürers Holzschnitt nur die all-
gemein verwendbare Hercules-Figur benutzt hat und deren ein-
zige Besonderheit — das Kalbfell anstelle der Löwenhaut — geflissent-
lich auslöschte, hat der Meister (J, der die Bestrafung des Cacus vor-
zuführen beabsichtigt, dem Dürerblatte gerade umgekehrt diejenigen
Personen und Motive entlehnt, die für den Darstellungsgehalt indivi-
duell charakteristisch sind.1) Er braucht den exakten mythogra-
phischen Sinn der übernommenen Motive durchaus nicht gekannt zu
haben, ja es ist äußerst unwahrscheinlich, daß er ihn gekannt hat, da er
sonst den „Cacus duplex“ nicht vereinfacht, und die „Caca“ nicht in
ikonographisch sinnloser Weise verdoppelt hätte (den Anstoß zu dieser
Verdoppelung dürfte die Anlehnung an das Kompositions-Schema Rossos
gegeben haben). Allein der Rückgriff gerade auf die inhaltsbedeut-
samen Einzelheiten des Dürerblattes spricht immerhin für die Ver-
mutung, daß dieses im 16. Jahrhundert noch mit dem Namen des Cacus
verbunden zu werden pflegte, — mit einem Namen übrigens, der merk-
würdig genau in den (absichtlich ?) leer gebliebenen Raum des „Ercules“-
Cartellino hineinpassen würde.

1) Die Beziehung des französischen Holzschnitts zu B. 127 wurde bereits von E.W. Bredt
beobachtet (Hercules = Die Welt der Künstler, Bd. III, Abb. n, Text, S. 9), der daraus
auch schon folgert, daß der Dürerschnitt ebenfalls als „Hercules und Cacus“ zu deuten sei.
Wir hoffen, diese von Bredt nicht weiter begründete und auf die Nebenpersonen gar nicht
eingehende Hypothese — die uns erst nachträglich bekannt geworden ist — nunmehr auch
unter mythographischen Gesichtspunkten einigermaßen wahrscheinlich gemacht zu haben.
 
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