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Das Hevculesspiel des ,,Arvianotov" und Sebastian Braut

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C. Epilog (Szenenwechsel).

Bildbeschreibung VIII: das Todesschach (Dialog) mit anschließenden
Moralversen.

Man wird nicht leugnen können, daß „Arvianotor“ die heikle Auf-
gabe, den Inhalt der ziemlich handlungsarmen Prodikoserzählung in die
Geschehnisfolge eines Bühnenspieles umzusetzen, mindestens ebenso ge-
schickt gelöst hat, wie später Wieland oder Metastasio.1) Und um so
lieber würde man von ihm und seiner Dichtung Näheres erfahren. Nun
hat sich zwar zunächst die Persönlichkeit des „Gregorius Arvianotor“,
wiewohl er als Poeta Laureatus bezeichnet wird, und daher seinen Lor-
beer zwischen 1487 und 1515 empfangen haben müßte2), nicht im ge-
ringsten auf klären lassen.3) Gleichwohl darf aber über sein Herculesspiel
eine Vermutung gewagt werden. Es hat sich nämlich herausgestellt,
daß die bereits beobachteten Beziehungen der Schwenterschen Hand-
schrift zu Sebastian Brant erheblich enger sind, als der Entdecker
dieser Beziehungen4) annahm: die 5 Bibelzitate stehen, an genau ent-
sprechender Stelle, in der lateinischen Bearbeitung des Narrenschiffs5);
die sechszeilige Inhaltsangabe, die wir auf S. 89 zum Abdruck brachten,
ist eine wörtliche Übersetzung des Brantschen „Argumentum“ (vgl. oben
S. 41); und das Todes-Schach, das Jahresrätsel sowie das satirische
Gedicht auf Fol. 12 r entstammen den „Varia Carmina“, die im
Jahre 1498 bei Bergmann von Olpe erschienen waren.6) Nun aber

1) Vgl. unten S. 134 ff.

2) Die erste Dichterkrönung eines deutschen Humanisten war bekanntlich die des
Celtes im Jahre 1487; vgl. neuestens K. Schottenloher, Kaiserliche Dichterkrönungen im
Hl. Röm. Reiche („Papsttum und Kaisertum“, Paul Kehr zum 65. Geburtstag dargebracht,
1926, S. 648ff.).

3) Auch die auf Bitte des Verf. freundlichst unternommenen Nachforschungen der
Herren Prof. Schottenloher-München und Oberarchivrat Pfeiffer-Speyer sind leider ergeb-
nislos verlaufen; möglicherweise ist „Arvianotor“ ein Pseudonym oder ein Anagramm.
Jedenfalls deutet aber die Bezeichnung „von Speier" auf einen Angehörigen des ober-
rheinischen Humanistenkreises hin, womit für unseren Zusammenhang schon einiges ge-
wonnen ist.

4) W. Fränger a. a. O. (vgl. oben S. 56).

5) Abdruck oben S. 69, Anm. 2.

6) Das Gedicht „Seidt blutte meidlin wurden wert“ (oben S. 92, Anm. 2) steht
in „Varia Carmina“ fol. K 6 v, das Todesschach und das Jahresrätsel (oben S. 92, Anm. 1)
ebendort fol. L 1 r (diese beiden Stücke auch bei Zarncke, S. 153). Die Reihenfolge
der Todesverse ist — übrigens nicht unglücklich — etwas verändert worden (die bei-
gedruckten Zahlen geben die Reihenfolge der „Varia Carmina“), sonst ist die Überein-
stimmung bis auf die Orthographie eine vollkommene. — Man hat also wohl anzunehmen,
daß der ganze Epilogteil deutsch abgefaßt war und gespielt wurde, — was mit dem Um-
stand übereinstimmt, daß Schwenter in seiner Schlußschrift die Worte „ausz latein in
teutsch gebracht“ wieder gestrichen hat. Auch Chelidonius hat jeden Akt seiner „Discep-
tatio“ mit einem deutschen Prolog eingeleitet.

Das Brantische Schachgedicht ist seinerseits vermutlich durch ein in Straßburg be-
 
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