Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Giovanni StracLano: Restitution des Cerberus-Typus

33

ist: er denkt — auch in den anderen Darstellungen dieser Serie tritt das
hervor — zugleich „antiquarischer“ und weniger „antik“ als die klassische
Hochrenaissance. Damit rückt auch das Motiv des „Signum triciput“
in eine neue Beleuchtung: es ist nicht Hieroglyphe, aber auch nicht
Dämon — nicht Träger eines christlich moralischen Sinngehalts, aber
auch nicht Verkörperung heidnischer „Superstitione“, sondern Objekt
und Ausdruck einer aus kühlem Sach-Interesse und ästheti-
scher — oder besser artistischer — Sehnsucht gemischten
Empfindung, wie sie gerade aus der Entfernung oder Entfremdung
entspringt. Das spätere Cinquecento hatte der Antike gegenüber nicht
mehr das sichere Besitz- und Nähegefühl der Vollrenaissance, wie wir es
in Raffaels Apollo erleben, aber auch noch nicht die schon ein wenig
gegenwartsfremde, aber um so unbedingtere Bewunderung der Bellori-
Zeit, sondern es schwankte zwischen kennerhaft-antiquarischer Korrekt-
heit, sensitiver Erregung und angstvoller Scheu (man denke nur an
die verbitterte Sinnenfeindschaft der gegenreformatorischen Kunst-
literatur, an die formelle „Bekehrung“ Ammanatis oder an die im In-
nersten zerrissene Haltung eines Mannes wie Jacopo Zucchi1)); das Ver-
hältnis zur Antike war nicht mehr selbstverständlich, sondern es wurde
beherrscht von eben den Spannungen, die allen Lebensäußerungen
dieser Zeit den Charakter einer eigentümlichen Verkrampftheit oder
Verhaltenheit geben (von hier aus ist es auch verständlich, daß die
mythologischen Bilder dieser „Manieristen“ in ihrer gläsernen Kühle
auf uns so sehr viel „sinnlicher“ wirken als die Gemälde der Venezianer
oder sogar Correggios), und die erst der Barock — vor allem auch in der
barocken Oper — zu lösen vermochte, indem er ihr Entladungsmöglich-
keiten schuf. Bis dahin hatte sich das Individuum — auch der Antike
gegenüber in eine zweifelhafte Freiheit hineingestellt — von sich aus zu
entscheiden, ob es die auf gerissene Kluft aus eigner innerer Schwungkraft
überfliegen oder durch die Flucht in die Haltung eines äußerlich
korrekten und abgeklärten, innerlich aber von vielerlei Zweifeln und
Sehnsüchten zernagten „Virtuosentums“ umgehen wollte. Diese letztere
Haltung ist, der Antike gegenüber, auch diejenige Giovanni Stradanos.
Und es ist für die Gespaltenheit des Zeitbewußtseins überaus bezeichnend,
wenn ebenderselbe Künstler, der in den Teufeln seiner Dante-Illustra-
tionen (Abb. 27) den phantastischsten (und zugleich realistischsten)
Bruegel-Visionen Gestalt verlieh und sich, wie wir gesehen haben, von
der „Albricus“-Typik des 15. Jahrhunderts nicht losmachen kann, zu-
gleich für unser dreiköpfiges Ungeheuer als Erster die „antiquarisch-

1) Vgl. Schlosser, Kunstliteratur, S. 378ff. Zu Zucchi vgl. F. Saxl, Antike Götter
in der Spätrenaissance (Studien d. Bibi. Warburg VIII), 1927.

Studien der Bibliothek Warburg Heft 18: Panofsky

3
 
Annotationen