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Verein Historisches Museum der Pfalz [Editor]; Historischer Verein der Pfalz [Editor]
Pfälzisches Museum: Monatsschrift d. Historischen Vereins der Pfalz und des Vereins Historisches Museum der Pfalz — 1.1884

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Nr.1 (1. Januar 1884)
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https://doi.org/10.11588/diglit.29786#0016
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Ä -

Zum Werk;
Was wir wollen mit dieser „Monatsschrift für heimatliche
Litteratur nnd Kunst, Geschichte und Volkskunde" ist Dir, verehrter
Leser, leicht zu sagen nnd von Dir, verehrter Abonnent
nnd M itarb eiter, leicht zu th nn.
Von Männern der Pfalz, welche bemüht sind, den Sinn siir das
Reich des Idealen nnd der Wahrheit zu heben und zu stützen,
wird seit Jahren der Gedanke erwogen, siir solche Bestrebungen einen
Sammelpunkt zu bilden durch die Gründung eines periodisch erscheinen-
den Organes.
In diesen: sollen gesammelt werden poetische Erzeugnisse, kleinere
Novellen, wissenschaftliche Skizzen, die sich aus Litteratur, Kunst, Ge-
schichte, Altertums- und Landeskunde beziehen, biographische Notizen, die
leicht perloren gehen nnd deren Bewahrung der Mühe lohnt, kurze
Kritiken über literarische Erscheinungen, über Ereignisse der musikalischen
Welt und der Biihne — nnd für die Aufnahme in diese Sammlung
soll die Frage entscheidend sein: ist es ein Beitrag zum pfälzischen
Museum? Vor Allem svlleu und müssen sich die hier veröffentlichten
poetischen nnd p r o saischen Geistesprodnkte beziehen auf die Heimat
die Pfalz a in Rhein.
Ihr, dem Lande an Ehren nnd an Schätzen reich, wie wenig
sonst im deutschen Lande, fehlte es bisher an einer Stelle, wo sich
Dichter nnd Geschichtsschreiber, Autor und Leser die Hand reichten, nm
von den Geistesthaten, die ans dem Boden der Pfalz geschahen
und geschehen, zu melden nnd zu Horen. Und diese Blätter
sollen für die Zukunft, wenn unsere Leser mit übereinstimmen nnd ihre
Unterstützung znsichern, der Boden werden, wo pfälzisches Dichten
und Denken, pfälzisches Forschen nnd Sinnen geprüft, nieder-
gelegt, nnd dem Andenken unseres Volkes überliefert werden soll.
Nicht ausschließlich soll als Autor der Pfälzer hier Geltung
haben, aber das, was ein Schriftsteller hier vermeldet, soll dnrchhancht
sein von dem Odem unseres Landes, soll erinnern an den Epheu
und die Rebe, die unsere Burgen üppig umhegen nnd unsere Berge
/ fröhlich nmkrünzen.
Aber daß solch Werk gedeihe nnd blühe, daß es den Männern,
welche die Gaben freudig bringen nnd die Last der Verantwortung
opferwillig tragen, den Dank der Anerkennung edlen Strebens
bringe, müssen wir uns der thatkr ästigen Unterstützung derer ver-
sichert halten, für die diese Blätter geschrieben sind. Und bestimmt
sind diese pfälzischen Monatsblätter für die Pfälzer, für
Männer und Franen, welche unser schönes Land, seine Geschichte,
seine Sagen, seine Burgen und Denkmäler, die das Volk dieser Gaue
und dessen inneres und äußeres Leben lieben nnd denen ein gütiges
Antlitz entgegenbringen, welche die reichen Schütze zu Hebei: suchen, mit
denen Apollo und die Grazien die Perle am Rhein beschenkt
haben.
An Euch, ihr Beamten, welche Ihr die Standarte des Pfalz-
grafen bei Rhein hütet, an Euch, ihr Geistliche und Lehrer, welche
Ihr im Volke nnd für das Volk die Wächter des Idealen zu sein
berufen seid, an Euch ihr Vertreter des Landes, denen es obliegt, die
geistigen nnd materiellen Interessen der Psalz wahrzunehmen,
an Euch Alle endlich, die Ihr ein Herz habt für die Pfalz und die
Pfälzer diesseits und jenseits des Rheines, richtet sich unser Ersuchen:
„Helft mit am Werke, das wir bereiten, der Psalz zur Ehre, den
Pfälzern zu Nutz!"
Wir Mitarbeiter werden unsere Sinne und Gedanken ans die
Reinheit und auf die Unparteilichkeit unserer Spenden richten,
wir werden bemüht sein, nach Kräften den Schönheitssinn in der
Form und die Wahrheitsliebe im Inhalt walten zu lassen.
Sollten aber unsere Anstrengungen vergebens sein, sollten sich
unter der Bevölkerung der Pfalz nicht einige Hundert Familien finden,
welche mit uns das Banner des Idealismus und der Heimat-
liebe Hochhalten wollen, sollten diese Blätter wieder verwelken, so
werden wir uns nut dem Spruche trösten:
in lunZnais et voluisZe snt 68t.
Die Pcdantmn.

Hin Schreiber.''
Geschichte aus der Wirklichkeit
von Eduard Jost.

„Wen einst die Muse mit dem Blick der Weihe
Mild angelächclt, da er ward geboren,
Der ist und bleibt zum Dichter auserkoren,
Ob auch erst spät der Kern zur Frucht gedeihe."
Veibei.
I.
An einem schwülen Nachmittag im Juli des Jahres 1858 be-
fanden sich in der düsteren „Gerichtsschreiberei" einer Stadt in: Westrich
zwei Personen von ganz eigentümlichem Wesen.
Vor einem mit Papieren und Schriften bedeckten Tische saß ein
junger Mann im fadenscheinigen Büreanrocke, mit Cvpieren beschäftigt.
Sein blasses wohlgeformtes Gesicht zeigte ein paar dunkele lebensvolle
Angen, ein feiner Schnurrbart kräuselte sich über der Oberlippe. Am
Tische des Copisten stand ein alter, kahlköpfiger Mann mit scharfkantigen,
abstoßenden Zügen, der unter dem linken Arm ein Aktenbündel trug
und mit der Rechten den silbernen Knopf seines Rohrstvckes dicht unter
die Nase hielt. Der junge Mann war der Gehilfe des Gerichtsschreibers
Zöpfle nnd hieß Emil Junker, der alte Herr nannte sich Strüppler nnd
war ein gefürchteter Gerichtsbote.
„Sie habens aber sehr eilig," ließ sich jetzt der Schreiber ver-
nehmen, ohne von seiner Arbeit anszublicken, „Sie könnten doch die
Exekution noch einige Tage hinausschieben."
„Geht nicht," antwortete der Gerichtsbote kält; „wenn ich ihn
heute nicht fasse, habe ich später gar nichts zu hoffen."
Das Wort: „Vampyr!" glitt leise über die Lippen des Schreibers;
dann sagte er mit einem eigentümlichen Blick ans den der Urteilsaus-
fertigung harrenden Gerichtsboten: „Das ist hart für den armen
Teufel!"
„Was kümmert das Sie?" antwortete trocken der Arm der
Gerechtigkeit.
„Einem Würdigen versage ich mein Mitleid nie," entgegnete ernst
und mit vorwurfsvollem Blicke der junge Mann.
„Der verdient kein Mitleid," antwortete fast barsch der Exekutor.
„Der Mauu hat nichts im Beutel aber große Rosinen im Kops. Schickt
sein Mädel aus's Eonservatorium und kann die Schuld des verrückten
Musikanten Krögler nicht bezahlen, für den er sich verbürgt hat. —-
Machen Sie, daß ich die Ausfertigung des Urteils bald erhalte. In
längstens zwei Stunden muß es in meinen Händen sein."
„Und wenn Sie's bis dahin nicht haben?" fragte Emil ruhig.
„Das wollen wir doch einmal sehen, mein vorlauter junger
Herr," polterte Strüppler und sein pergamentartiges Gesicht nahm eine
kirschrote Farbe an. „Sie haben hier gar nichts zu sagen, verstehen
Sie? Ich will doch einmal sehen, ob Sie oder der Herr Sekretär
hierzu befehlen haben?"
Wütend drückte der Exekutor den Hut in die Stirne, verließ
hastig die Kanzlei nnd Ivars die Thüre heftig hinter sich zn.
„Ein netter Patron!" murmelte Emil mit bitterm Lächeln vor
sich hin. „Da läuft er nun hin nnd denkt an eine fette Exekution,
während der Arme, dem die Pfändung bevorsteht, vielleicht der Ver-
zweiflung nahe ist."
Ernst blickte der junge Mann eine Weile vor sich hin; dann
stand er seufzend aus und warf unmutsvoll die Feder auf den Tisch.
„O Prosa und kein Ende," flüsterte er, durch das düstere Gemach
schreitend, vor sich hin. „Und doch muß ich ihr huldigen, will ich
täglich mein Brot genießen. Ach, wie schön war es, als ich noch, die
Brust voll froher Hoffnung, die Classiker nnterm Arm, nach dem Gym-
nasium schritt, als ich mich, statt in staubige Akten und langweilige
Gerichtsverhandlungen in meine lieben Dichter vertiefen konnte!"
Der Blick des jungen Mannes siel bei diesen Gedanken zum
Fenster hinaus iu den zum Gerichtsgebände gehörenden Garten, der in:
vollen Schmucke des Sommers prangte.

*) Nachdruck verboten.
 
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