geströmt, mir der junge Mönch stand noch an der vorigen Stelle und
starrte trüb vor sich hin. „Er hat die Streitaxt gegen mich erhoben,"
sagte er zu sich selbst. „Vir sind wie "Abel nnd Kain." Da hielt
Rothari bereits neben ihm und legte ihm die Hand aus die Schulter.
„Knabe, Knabe, wie siehst dn ans? Dn Sohn meines Vaters! Bist
du ein Cyniker geworden, ein Philosoph oder gar ein Mönch am Ende?"
„Ich bin gekommen, Rothari," sagte der Jüngling, „nm dir
das Deine zu bringen, dn wirst es gesunden haben, nm dich zu
bitten, nur meine Sunde zn vergeben und dich zn dem zn sichren, der
unser "Aller Sünde vergibt."
„Drei Dinge ans einmal, von denen lang zu handeln wäre,"
lächelte Rothari. „Ich aber mich znr Hcerschan zurück. Erwarte mich
dort unten in der Kiesgrube, dort sind wir ungestört. Sobald ich ab-
kommen kann, will ich dort dich suchen." Und nochmals strich er
zärtlich über das wirre Haupt des verwilderten Bruders, winkte einen
Grust nnd sprengte rasch nach der Brücke.
Mehrere Stunden währte es, bis der ergraute Herrscher das
ganze Lager abgeschritten nnd alle Magazine mit Pseilen, Schlender-
bleien nnd anderen Geschossen! nnd Geschützen sachkundigen Blickes ge-
mustert hatte. Endlich trat er. mit Gratian nnd den höheren Offizieren
in das Prätoriuin, vor dein ein Eentnrio mit zwei Wachen nunmehr
den Zugang sperrte. Zn dem geräumigen Vestibnlnm hörte Valcntinian
zunächst des Syagrius Vorschläge über die Einrichtungen des Kastells,
das ans deni Berge gebaut werden sollte. "Auch wenn der glänzende
Kreis der hohen Offiziere den "Augustus nicht so ehrsürchtig umgeben
hätte, würde das "Auge sosort ihn als den Herrscher herausgesunden
haben, so sehr gebot das majestätische "Auftreten dieser gewaltigen
Imperatorengestalt Ehrfurcht. Das war er, der Riese, der mit einem
Zucken seiner herrischen Brauen meuternde Legionen zur Ruhe gebracht
hatte. Zeine Haltung war streng, der Blick der schielenden "Augen
stechend nnd niemand hielt ihn lang ans, den er stark in's Ange faßte.
So sest der Kaiser an sich hielt, dennoch machte sein ganzes Benehmen
den Eindruck einer mühsam verhaltenen Wildheit und seine Gegenwart
legte sich wie etwas Furchtbares auch ans die Muthigen, denn jeder
gedachte der Martern nnd entsetzlichen Dodesarten, die der Schreckliche
schon verhängt hatte. Er war gekommen, nm die Ursache des gestrigen
"Allarms, der wie ein Lauffeuer die Kunde von einem neuen Ranbznge
der "Alamannen bis nach Gallien verbreitet hatte, zn untersuchen nnd
man fürchtete, er werde über den Schuldigen eine seiner schauerlichen
Strafen ansfprechen. "Aber was man stets an Balentinian rühmte,
daß er sich im Dienste zn mäßigen wisse, bewährte sich auch heute.
Wenn drängende Geschäfte, Sorgen, Gefahren andere Tyrannen seiner
"Art noch reizbarer machten, stellte die Not in seiner von Leidenschaften
zerissenen Brnst die Mannszncht her. Kam ein Staatsgesehäst von
Belang an ihn, alsbald wandelte sich seine Wnth zn vollkommener
Klarheit des Geistes, ja in eine fast heitere Ruhe nnd Milde nm, denn
es war ihm ernstlich nm das Wohl des Reichs und um Gerechtigkeit
zn thnn. Während sein Privatleben von Ausschreitungen besteckt war,
die an Nero nnd Earaealla erinnern, trugen seine Amtshandlungen
ohne Ausnahme den wohlthuenden Stempel gelassener Energie nnd
ruhiger Umsicht. Wäre er nicht maßlos gewestn im Strafen, man
hätte über der geordneten Ruhe feines Regiments die leidenschaftliche
Wut seines Temperaments vergessen. So aber stand auch hente
der Kreis hoher Generale bang nm den sinster blickenden Angnstns,
als er sich nach den gestrigen Vorgängen erkundigte. Alle schonten
ängstlich nach Arator und Rothari, während Syagrius seine Anklage
gegen beide mit schneidender Kälte, jedes Wort wie ein Messer znspitzend,
vortrug. „Wer war der Alamanne, dem dn dnrchhalsst, Rothari?"
fragte der Augustus mit rauher Stimme, als Syagrius geendet.
„Ter Alamanne war König Macrian," erwiderte Rothari
gleichmüthig.
Die stolze Schaar der römischen Offiziere schrak bei dieser Ant-
wort zusammen, daß man das Klirren ihrer Rüstungen hörte. Ein
unterdrückter Laut des Entsetzens ging durch den Saal.
Balentinian allein behielt die Fassung und seinen schielenden
Blick starr auf Rothari richtend, fragte er kalt: „Was bestimmte dich,
den schlimmsten Feind Roms ans deiner Hand zn lassen?"
„Hätte ich gewußt," erwiderte Rothari, „daß du hente hier sein
würdest, ich Hütte Macrian ersucht, sich dir zu einer friedlichen Be-
sprechung zn stellen." Ein böses Zucken lief über das finstere Ange-
sicht des Kaisers und sein Auge wurde bohrender. „Aber du liebst
die Ueberraschnngen," fuhr Rothari trotzig fort, „weil dn keinem von
uns trau'st. Schon an der Mosella sagte ich dir, daß dein Argwohn
das Reich nm die Hülste deiner Ersolge bringt. Auch jetzt Rst du im
Stillen überzeugt," fügte der Germane mit leichtem Spott hinzu, „ich
hätte als Alamanne mit Alamannen gegen dich gehandelt. Was wäre
denn aber die Folge gewesen, wenn wir nach dein Vorschläge deines
weisen Notars Macrianns festgehalten Hütten? Schon hente stürmten
die Alamannen diese schwachen Wälle. Dn hättest den Krieg, den dn
jetzt doch am wenigsten brauchen kannst, da noch keine deiner neuen
Anlagen vollendet ist."
„Aber wir hatten eine Geisel," warf Syagrius dazwischen.
„Lehre doch du mich die Alamannen kennen, Schreiber von
Byzanz," erwiderte Rothari mit Hohn. „Der König hätte sich eher
das Haupt im Kerker eingestoßen, als daß er geduldet hätte, daß seinem
Stamme ein Nachteil ans seiner Gefangenschaft entspränge. Neue
Könige wachsen den Alammnen in einer Stunde nnd mein Volk hätte
keinen auf deu Schild erhoben, der nm ein Haar schlechter.gewesen
wäre als Macrian."
„Mag sein," erwiderte der Augustus mürrisch, „aber du hast
dir eine Entscheidung angemaßt, die nur mir znstand."
„Handle an meiner Stelle, ganz wie ich," schriebst du mir
in deiner letzten Vollmacht. Daß du keinen Vertreter brauchtest, weil
dn selbst zur Stelle warst — wie sollte ich das wissen? .Ich spiele
ein gewagtes Spiel", sagte ich mir, aber Valentinian denkt groß: er
wird verstehn, warum ich that, wie ich thne. linker Julian hätte ich
mich gehütet, denn der spielte den Großen aber er dachte klein. Habe
ich mich geirrt, so nimm deinen Auftrag zurück. Ich kann seiner nur
warten, wenn du mir trau'st."
„ilnd was hast dn mit Macrian verhandelt?"
„Er vermnthete, daß wir hier oben bauen wollen nnd droht
mit Gewalt, falls wir den Verträgen zuwider die Berge befestigen.
Für den Augenblick ist er aber offenbar zum Angriff nicht gerüstet."
„Getraust dn dir den Barbaren wieder in meine Hände zn
locken, wenn nur zum Kriege bereit sind?" fragte der Kaiser lauernd.
„Nein," erwiderte Rothari unwillig nnd ein hohes Roth färbte
fein edles jugendliches Angesicht. „Ich verkaufte Rom mein Schwert,
nicht mein Gewissen. Ich will nicht, daß ihr ihn mordet wie Vithikab."
Ter Kaiser biß sich auf die Lippen. Aber zn rechter Zeit
mischte sich Arator ein. Auch er entwickelte, daß bei der augenblicklichen
Lage des Reichs Rothari's Verfahren das klügste gewesen. Rach seiner
Meinung wäre das Festhalten des Königs einer Kriegserklärung gleich-
gekommen und eine solche stehe niemanden zn als dem Angnstns. Als
Valentinian seinen Blick im Kreise umhergehen ließ, nm zu sehen, wie
die andern Führer die Sache benrtheilten, ward er gewahr, wie sein
schmächtiger Sohn den Arm über Rothari's Nacken geschlungen hatte
nnd ihm zärtlich die Wange koste. Da brach ein Strahl von Freund-
lichkeit auch ans seinem bösen Ange. Aber alsbald ward sein Ange-
sicht wieder hart nnd starr nnd er sagte: „Ihr folgt mir alle nach
Alta Ripa."
„Das Rvthari nicht lebend verlassen wird," spielte es deutlich
nm Syagrius' ironisch sich kräuselnde Lippen. Aber bereits schritt der
Kaiser zur Thüre und das Gefolge schloß sich ihn: an. Bon Rothari
hielten alle sich seitwärts, nur Gratiau hing sich an ihn: „Sage,
Bruder, woher nahmst du den Muth? Mir schlotterten ja die Kniee
vor Angst und Sorge."
Rothari zog ein Pergamentblättchen ans dem Gürtel nnd
Gratian las: „Fürchte nichts; dein Stern ist im Steigen." Der
lange Knabe schaute Rothari albern an. „Von deiner Medea," sagte
Rothari spöttisch.
„Was, du jagst in meinem Revier?" erwiderte der Knabe
ärgerlich.
„Ich bewahre sie dir bis dir der Bart wächst," erwiderte
Rothari, indem er ihm lachend über das Haar strich. Da waren sie
am Thore. Im Augenblicke saß die Schaar ans den Rossen nnd im
Sturme flog die Cavalcade auf "Alta Ripa.
starrte trüb vor sich hin. „Er hat die Streitaxt gegen mich erhoben,"
sagte er zu sich selbst. „Vir sind wie "Abel nnd Kain." Da hielt
Rothari bereits neben ihm und legte ihm die Hand aus die Schulter.
„Knabe, Knabe, wie siehst dn ans? Dn Sohn meines Vaters! Bist
du ein Cyniker geworden, ein Philosoph oder gar ein Mönch am Ende?"
„Ich bin gekommen, Rothari," sagte der Jüngling, „nm dir
das Deine zu bringen, dn wirst es gesunden haben, nm dich zu
bitten, nur meine Sunde zn vergeben und dich zn dem zn sichren, der
unser "Aller Sünde vergibt."
„Drei Dinge ans einmal, von denen lang zu handeln wäre,"
lächelte Rothari. „Ich aber mich znr Hcerschan zurück. Erwarte mich
dort unten in der Kiesgrube, dort sind wir ungestört. Sobald ich ab-
kommen kann, will ich dort dich suchen." Und nochmals strich er
zärtlich über das wirre Haupt des verwilderten Bruders, winkte einen
Grust nnd sprengte rasch nach der Brücke.
Mehrere Stunden währte es, bis der ergraute Herrscher das
ganze Lager abgeschritten nnd alle Magazine mit Pseilen, Schlender-
bleien nnd anderen Geschossen! nnd Geschützen sachkundigen Blickes ge-
mustert hatte. Endlich trat er. mit Gratian nnd den höheren Offizieren
in das Prätoriuin, vor dein ein Eentnrio mit zwei Wachen nunmehr
den Zugang sperrte. Zn dem geräumigen Vestibnlnm hörte Valcntinian
zunächst des Syagrius Vorschläge über die Einrichtungen des Kastells,
das ans deni Berge gebaut werden sollte. "Auch wenn der glänzende
Kreis der hohen Offiziere den "Augustus nicht so ehrsürchtig umgeben
hätte, würde das "Auge sosort ihn als den Herrscher herausgesunden
haben, so sehr gebot das majestätische "Auftreten dieser gewaltigen
Imperatorengestalt Ehrfurcht. Das war er, der Riese, der mit einem
Zucken seiner herrischen Brauen meuternde Legionen zur Ruhe gebracht
hatte. Zeine Haltung war streng, der Blick der schielenden "Augen
stechend nnd niemand hielt ihn lang ans, den er stark in's Ange faßte.
So sest der Kaiser an sich hielt, dennoch machte sein ganzes Benehmen
den Eindruck einer mühsam verhaltenen Wildheit und seine Gegenwart
legte sich wie etwas Furchtbares auch ans die Muthigen, denn jeder
gedachte der Martern nnd entsetzlichen Dodesarten, die der Schreckliche
schon verhängt hatte. Er war gekommen, nm die Ursache des gestrigen
"Allarms, der wie ein Lauffeuer die Kunde von einem neuen Ranbznge
der "Alamannen bis nach Gallien verbreitet hatte, zn untersuchen nnd
man fürchtete, er werde über den Schuldigen eine seiner schauerlichen
Strafen ansfprechen. "Aber was man stets an Balentinian rühmte,
daß er sich im Dienste zn mäßigen wisse, bewährte sich auch heute.
Wenn drängende Geschäfte, Sorgen, Gefahren andere Tyrannen seiner
"Art noch reizbarer machten, stellte die Not in seiner von Leidenschaften
zerissenen Brnst die Mannszncht her. Kam ein Staatsgesehäst von
Belang an ihn, alsbald wandelte sich seine Wnth zn vollkommener
Klarheit des Geistes, ja in eine fast heitere Ruhe nnd Milde nm, denn
es war ihm ernstlich nm das Wohl des Reichs und um Gerechtigkeit
zn thnn. Während sein Privatleben von Ausschreitungen besteckt war,
die an Nero nnd Earaealla erinnern, trugen seine Amtshandlungen
ohne Ausnahme den wohlthuenden Stempel gelassener Energie nnd
ruhiger Umsicht. Wäre er nicht maßlos gewestn im Strafen, man
hätte über der geordneten Ruhe feines Regiments die leidenschaftliche
Wut seines Temperaments vergessen. So aber stand auch hente
der Kreis hoher Generale bang nm den sinster blickenden Angnstns,
als er sich nach den gestrigen Vorgängen erkundigte. Alle schonten
ängstlich nach Arator und Rothari, während Syagrius seine Anklage
gegen beide mit schneidender Kälte, jedes Wort wie ein Messer znspitzend,
vortrug. „Wer war der Alamanne, dem dn dnrchhalsst, Rothari?"
fragte der Augustus mit rauher Stimme, als Syagrius geendet.
„Ter Alamanne war König Macrian," erwiderte Rothari
gleichmüthig.
Die stolze Schaar der römischen Offiziere schrak bei dieser Ant-
wort zusammen, daß man das Klirren ihrer Rüstungen hörte. Ein
unterdrückter Laut des Entsetzens ging durch den Saal.
Balentinian allein behielt die Fassung und seinen schielenden
Blick starr auf Rothari richtend, fragte er kalt: „Was bestimmte dich,
den schlimmsten Feind Roms ans deiner Hand zn lassen?"
„Hätte ich gewußt," erwiderte Rothari, „daß du hente hier sein
würdest, ich Hütte Macrian ersucht, sich dir zu einer friedlichen Be-
sprechung zn stellen." Ein böses Zucken lief über das finstere Ange-
sicht des Kaisers und sein Auge wurde bohrender. „Aber du liebst
die Ueberraschnngen," fuhr Rothari trotzig fort, „weil dn keinem von
uns trau'st. Schon an der Mosella sagte ich dir, daß dein Argwohn
das Reich nm die Hülste deiner Ersolge bringt. Auch jetzt Rst du im
Stillen überzeugt," fügte der Germane mit leichtem Spott hinzu, „ich
hätte als Alamanne mit Alamannen gegen dich gehandelt. Was wäre
denn aber die Folge gewesen, wenn wir nach dein Vorschläge deines
weisen Notars Macrianns festgehalten Hütten? Schon hente stürmten
die Alamannen diese schwachen Wälle. Dn hättest den Krieg, den dn
jetzt doch am wenigsten brauchen kannst, da noch keine deiner neuen
Anlagen vollendet ist."
„Aber wir hatten eine Geisel," warf Syagrius dazwischen.
„Lehre doch du mich die Alamannen kennen, Schreiber von
Byzanz," erwiderte Rothari mit Hohn. „Der König hätte sich eher
das Haupt im Kerker eingestoßen, als daß er geduldet hätte, daß seinem
Stamme ein Nachteil ans seiner Gefangenschaft entspränge. Neue
Könige wachsen den Alammnen in einer Stunde nnd mein Volk hätte
keinen auf deu Schild erhoben, der nm ein Haar schlechter.gewesen
wäre als Macrian."
„Mag sein," erwiderte der Augustus mürrisch, „aber du hast
dir eine Entscheidung angemaßt, die nur mir znstand."
„Handle an meiner Stelle, ganz wie ich," schriebst du mir
in deiner letzten Vollmacht. Daß du keinen Vertreter brauchtest, weil
dn selbst zur Stelle warst — wie sollte ich das wissen? .Ich spiele
ein gewagtes Spiel", sagte ich mir, aber Valentinian denkt groß: er
wird verstehn, warum ich that, wie ich thne. linker Julian hätte ich
mich gehütet, denn der spielte den Großen aber er dachte klein. Habe
ich mich geirrt, so nimm deinen Auftrag zurück. Ich kann seiner nur
warten, wenn du mir trau'st."
„ilnd was hast dn mit Macrian verhandelt?"
„Er vermnthete, daß wir hier oben bauen wollen nnd droht
mit Gewalt, falls wir den Verträgen zuwider die Berge befestigen.
Für den Augenblick ist er aber offenbar zum Angriff nicht gerüstet."
„Getraust dn dir den Barbaren wieder in meine Hände zn
locken, wenn nur zum Kriege bereit sind?" fragte der Kaiser lauernd.
„Nein," erwiderte Rothari unwillig nnd ein hohes Roth färbte
fein edles jugendliches Angesicht. „Ich verkaufte Rom mein Schwert,
nicht mein Gewissen. Ich will nicht, daß ihr ihn mordet wie Vithikab."
Ter Kaiser biß sich auf die Lippen. Aber zn rechter Zeit
mischte sich Arator ein. Auch er entwickelte, daß bei der augenblicklichen
Lage des Reichs Rothari's Verfahren das klügste gewesen. Rach seiner
Meinung wäre das Festhalten des Königs einer Kriegserklärung gleich-
gekommen und eine solche stehe niemanden zn als dem Angnstns. Als
Valentinian seinen Blick im Kreise umhergehen ließ, nm zu sehen, wie
die andern Führer die Sache benrtheilten, ward er gewahr, wie sein
schmächtiger Sohn den Arm über Rothari's Nacken geschlungen hatte
nnd ihm zärtlich die Wange koste. Da brach ein Strahl von Freund-
lichkeit auch ans seinem bösen Ange. Aber alsbald ward sein Ange-
sicht wieder hart nnd starr nnd er sagte: „Ihr folgt mir alle nach
Alta Ripa."
„Das Rvthari nicht lebend verlassen wird," spielte es deutlich
nm Syagrius' ironisch sich kräuselnde Lippen. Aber bereits schritt der
Kaiser zur Thüre und das Gefolge schloß sich ihn: an. Bon Rothari
hielten alle sich seitwärts, nur Gratiau hing sich an ihn: „Sage,
Bruder, woher nahmst du den Muth? Mir schlotterten ja die Kniee
vor Angst und Sorge."
Rothari zog ein Pergamentblättchen ans dem Gürtel nnd
Gratian las: „Fürchte nichts; dein Stern ist im Steigen." Der
lange Knabe schaute Rothari albern an. „Von deiner Medea," sagte
Rothari spöttisch.
„Was, du jagst in meinem Revier?" erwiderte der Knabe
ärgerlich.
„Ich bewahre sie dir bis dir der Bart wächst," erwiderte
Rothari, indem er ihm lachend über das Haar strich. Da waren sie
am Thore. Im Augenblicke saß die Schaar ans den Rossen nnd im
Sturme flog die Cavalcade auf "Alta Ripa.