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auzusaugeu, von ihrem Vermögen nach der benachbarten Festung
Philippsburg zu schaffen, was sie in der Eil fvrtbringeu konn-
ten. Mit welchem ungeheuren Verluste dieß geschah, läßt sich
leicht denken: besonders da sich die französischen Soldaten alle
Muhe gaben, ihnen die Befchwerde zu erleichtern, und sie der
Last des Fortschafsens zu ülerhcben. Aber vielen Bürgern lag
d'e deutsche Frchheit und das Vaterland so sehr am Herzen,
daß sie lieber alles im Stiche ließen und mit der größten
Lebensgefahr über den Nhein setzten. Blanche stürzten sich vor
den Angell der Franzosen in die Fluth, und fanden darinnen
ihren Tod, wenn sie das gegenseitige Ufer nicht erreichen konnten.
So nahm z. B. ein junges Mädchen ihre alte kraftlose Mutter-
ans den Rücken, und wußte mit Hülfe eines Kahns das andere
Ufer des Rheins zu erreichen.
Endlich machte der Kriegsintendant la Fond am 28. Map
bekannt: „daß auf königlichen Befehl die ganze Stadt abgebrannt
und allein der Tom verschont bleiben sollte. In diesen möchte
nun ein jeder sein hölzernes Geräth und was er sonst fortzu-
bringen nicht im Stande wäre, hineinfchaffen." — Alles Bitten
war vergebens — und am Pfingstdienstage, den 3l. May.
wurde die Stadt tvürklieh in Brand gesteckt. Fichtenholz, Pech,
! Schwefel. Flachs und Stroh wurde in "die Häuser gebracht, und
in einigen Stunden brannte die Stadt an allen Enden. Kirchen
und Schulen, öffentliche und Privatgebäude, Klöster und Spitäler
alles wurde ein Raub der gefräßigen Flamme. Ja selbst
die Schonung des Doms war nur vorgewendet worden. Mau
wollte dadurch nur recht viel brennbare Sachen hineinschaffen,
nm dieses feste massive Gebäude desto leichter in einen Aschen-
Haufen zu verwandeln.
Die Jesuiten waren die einzigen Geistlichen, deren Kolle-
gium so lange geschont wurde, lis sie ihre köstlichen Weine in
Sicherheit gebracht hatten. Der Pater Reetor, oder der Oberste
des Klosters, wußte es im Voraus, daß auch der Dom nicht
verschont bleiben sollte, und hielt diese Nachricht, zum unersetz-
lichen Verlust dieses schönen gvthischen Gebäudes, verschwiegen.
Es gerieth aus verschiedenen Seiten in Brand, und wurde fast
völlig zu Grunde gerichtet. Altäre, Gemälde, Stühle, das dar-
iun ansbetvahrte Geräthe — alles wurde in Asche verwandelt.
Tie Gewölbe sprangen, die Glocken stürzten herunter und das
geschmolzene Bley stoß wie ein .Wasserstrom die Straße entlang.
Dabey plünderte der Troß der französischen Truppen die Kapellen
und Sakristeien, eröffnete die kayserlichen Gräber, beraubte die
Körper ihres Schmuckes rind warf die Gebeine umher. Ter
Kayser Konrad der Zwepte, welcher im Jahre 1030 den Grund-
stein zur Domkirche eelcat, machte die Verordnung, daß alle
Kayser, welche innerhalb des deutschen Reichs stürben, ohne sich
einen befvnderu Begräbnißort zn wählen, in dieser Kirche l ep-
l gesetzt werden sollten. Taher erhielten würklieh acht Kayser hier
ihre Ruhestätte, nämlich: Konrad der Zwepte selbst, Heinrich
der Dritte, Vierte und Fünfte, Philipp von Schwaben, Rudolph
veu Habsburg, Albrecht von Testerreich und Adolph von Nassau.
Alle diese Leichname - die zum Theil schon in Gerivve
verwandelt waren, zum Theil sich in dem Zustande der Vew
wesuug befanden — wurden aus ihren Ruheplätzen heraus.,e-
worfen. und dein Leichnam des heiligen Guido — welcher, weil
er einbalfamirt war, es der Füulniß widerstanden hatte
wegen der silbernen Krone sogar das Haupt abgerissen. Das
selbe Schicksal, welches dieses herrliche Gebäude nieder-gestürzt
harte, traf auch alle übrigen Kirchen. Was der Flamme wider-
stand, wurde nachher vollends abgelrochen, um die ganze Stadl
in einen wüsten Steinhansen zu verwandeln. Als man ein
großes Crueisix aus der zertrümmerten Dominikanerkirche her-
austrug, schlug ein französischer Offizier auf das Bild des Er-
lösers, und stieß dabey die ruchlosen nnd lästerlichen Worte
aus: Knrebe. Illuwio, inareük!
Wie bey solchen Auftritten das Herz der armen unglück-
lichen Einwohner bluten mußte, das kann man sich leicht vor-
stellen. Viele der Bedauernswerthen fanden einen schrecklichen
Tod in den Flammen. Andere wurden von den herabstürzen-
den Balken erschlagen: Kranke nnd Schwache gaben in den kalten
schaurigen Nächten unter sreyem Himmel ihren Geist auf. Ein
alter Greis, der im obern Stock beym Tomglöckner wohnte,
und Schwachheitshalber nicht entfliehen konnte, mußte elendig-
lich verbrennen. Der Dechant zu Allerheiligen, der an einer
schweren Krankheit darnieder lag, ließ sich in den Keller tragen,
und hoffte daselbst sein Leben zu erhalten; aber das einstürzende
Haus sprengte das Gewölbe und zerschmetterte den armen Mann.
Eine mehr als hundertjährige Frau wurde aus ihrem Dach-
stübchen von dem herabstürzenden Dache erschlagen. Mehrere
kranke Weiber, säugende Mütter und kraftlose Greise lagen aus
der Gasse und flehten um Gottes Barmherzigkeit, man möchte
sie doch in den nahen Wald tragen, wo sie gern sterben wollten,
man möchte sie nur hier nicht so jämmerlich verbrennen lassen;
aber ihr Flehen und Winseln war umsonst — sie sanden ihren
Tod unter den Trümmern der Stadt.
Diejenigen, welche sich außerhalb der Stadt befanden, und
das Brausen der Flammen, das Krachen der cinstürzenden Ge-
bäude, das klägliche Winseln der Rettungslosen und den teuf-
lischen Jubel der Plünderer hörten, hatten ein nicht minder
unglückliches und beklagenswerthes Schicksal. Sie sahen ihre
Häuser und ihre geliebte Vaterstadt zusammen stürzen, und alle
Bande der Freundschaft und Liebe gewaltsam zerrissen: nun
wollten sie wenigstens doch ihr theures Vaterland nicht verlassen,
und deshalb suchten sie, trotz des strengen Verbots, über den
Rhein zu flüchten. Es waren aber nicht nur alle Uebergäuge
mit starken Wachten besetzt, sondern auch vierzig sogenannte
Strickreiter zu in Aufpassen angestellt. Diese waren ganz blau
gekleidet, hatten aus ihren Wchrgehängen, statt der französischen
Lilien, Galgen, Rad und Schwerdt gestickt, und auf ihren
Achseln trugen sie ein großes Bündel Stricke. So ritten diese
Meuschensänger in lind außer der Stadt umher, und trieben die
Flüchtigen, die sie am Nhein, oder auf dem Wege dahin, an-
trafen, mit Stricken gebunden, wieder zurück. Dies traurige
Loos traf unter andern auch die Nonnen von Sankt Maria
Magdalena, welche auf der Flucht ertappt, schrecklich gemiß-
handelt nnd gefangen fvrtgeführt wurden. Ja, die Härte gegen
die Flüchtigen gieng so weit, daß der feindliche General am
M. May unter Trommetschlag verkünden ließ: „es solle jedem
„Soldaten erlaubt seyn, alles, was von Speyerschen Bürgern
„nnd andern Inwohnern aus der Flucht über den Nhein ange-
„troffen würde, zn plündern und todt zu sehießeu."
lind dieser Blntbesehl wurde auch vollzogen. Tie Be-
wohner des jenseitigen Nheinnfers schlichen sich heimlich ans
Kähnen heran, nm ihre unglücklichen Landsleute aufznnehmeu:
ater viele von diesen redlichen Leuten wurden selbst ein Opser
der feindlichen Wirth. Dreß traf besonders die guten Schissleute
ans denn ülerrheinischen Dorfe Lnstheim. Einige hundert Frey-
benter lauerten nm User hinter den Büschen und Gesträuchen,
nnd erschossen jeden, der sich zu retten bemühte oder schon glück-
lich irr einen Kahn gestiegen war. Was man bey ihnen sand,
auzusaugeu, von ihrem Vermögen nach der benachbarten Festung
Philippsburg zu schaffen, was sie in der Eil fvrtbringeu konn-
ten. Mit welchem ungeheuren Verluste dieß geschah, läßt sich
leicht denken: besonders da sich die französischen Soldaten alle
Muhe gaben, ihnen die Befchwerde zu erleichtern, und sie der
Last des Fortschafsens zu ülerhcben. Aber vielen Bürgern lag
d'e deutsche Frchheit und das Vaterland so sehr am Herzen,
daß sie lieber alles im Stiche ließen und mit der größten
Lebensgefahr über den Nhein setzten. Blanche stürzten sich vor
den Angell der Franzosen in die Fluth, und fanden darinnen
ihren Tod, wenn sie das gegenseitige Ufer nicht erreichen konnten.
So nahm z. B. ein junges Mädchen ihre alte kraftlose Mutter-
ans den Rücken, und wußte mit Hülfe eines Kahns das andere
Ufer des Rheins zu erreichen.
Endlich machte der Kriegsintendant la Fond am 28. Map
bekannt: „daß auf königlichen Befehl die ganze Stadt abgebrannt
und allein der Tom verschont bleiben sollte. In diesen möchte
nun ein jeder sein hölzernes Geräth und was er sonst fortzu-
bringen nicht im Stande wäre, hineinfchaffen." — Alles Bitten
war vergebens — und am Pfingstdienstage, den 3l. May.
wurde die Stadt tvürklieh in Brand gesteckt. Fichtenholz, Pech,
! Schwefel. Flachs und Stroh wurde in "die Häuser gebracht, und
in einigen Stunden brannte die Stadt an allen Enden. Kirchen
und Schulen, öffentliche und Privatgebäude, Klöster und Spitäler
alles wurde ein Raub der gefräßigen Flamme. Ja selbst
die Schonung des Doms war nur vorgewendet worden. Mau
wollte dadurch nur recht viel brennbare Sachen hineinschaffen,
nm dieses feste massive Gebäude desto leichter in einen Aschen-
Haufen zu verwandeln.
Die Jesuiten waren die einzigen Geistlichen, deren Kolle-
gium so lange geschont wurde, lis sie ihre köstlichen Weine in
Sicherheit gebracht hatten. Der Pater Reetor, oder der Oberste
des Klosters, wußte es im Voraus, daß auch der Dom nicht
verschont bleiben sollte, und hielt diese Nachricht, zum unersetz-
lichen Verlust dieses schönen gvthischen Gebäudes, verschwiegen.
Es gerieth aus verschiedenen Seiten in Brand, und wurde fast
völlig zu Grunde gerichtet. Altäre, Gemälde, Stühle, das dar-
iun ansbetvahrte Geräthe — alles wurde in Asche verwandelt.
Tie Gewölbe sprangen, die Glocken stürzten herunter und das
geschmolzene Bley stoß wie ein .Wasserstrom die Straße entlang.
Dabey plünderte der Troß der französischen Truppen die Kapellen
und Sakristeien, eröffnete die kayserlichen Gräber, beraubte die
Körper ihres Schmuckes rind warf die Gebeine umher. Ter
Kayser Konrad der Zwepte, welcher im Jahre 1030 den Grund-
stein zur Domkirche eelcat, machte die Verordnung, daß alle
Kayser, welche innerhalb des deutschen Reichs stürben, ohne sich
einen befvnderu Begräbnißort zn wählen, in dieser Kirche l ep-
l gesetzt werden sollten. Taher erhielten würklieh acht Kayser hier
ihre Ruhestätte, nämlich: Konrad der Zwepte selbst, Heinrich
der Dritte, Vierte und Fünfte, Philipp von Schwaben, Rudolph
veu Habsburg, Albrecht von Testerreich und Adolph von Nassau.
Alle diese Leichname - die zum Theil schon in Gerivve
verwandelt waren, zum Theil sich in dem Zustande der Vew
wesuug befanden — wurden aus ihren Ruheplätzen heraus.,e-
worfen. und dein Leichnam des heiligen Guido — welcher, weil
er einbalfamirt war, es der Füulniß widerstanden hatte
wegen der silbernen Krone sogar das Haupt abgerissen. Das
selbe Schicksal, welches dieses herrliche Gebäude nieder-gestürzt
harte, traf auch alle übrigen Kirchen. Was der Flamme wider-
stand, wurde nachher vollends abgelrochen, um die ganze Stadl
in einen wüsten Steinhansen zu verwandeln. Als man ein
großes Crueisix aus der zertrümmerten Dominikanerkirche her-
austrug, schlug ein französischer Offizier auf das Bild des Er-
lösers, und stieß dabey die ruchlosen nnd lästerlichen Worte
aus: Knrebe. Illuwio, inareük!
Wie bey solchen Auftritten das Herz der armen unglück-
lichen Einwohner bluten mußte, das kann man sich leicht vor-
stellen. Viele der Bedauernswerthen fanden einen schrecklichen
Tod in den Flammen. Andere wurden von den herabstürzen-
den Balken erschlagen: Kranke nnd Schwache gaben in den kalten
schaurigen Nächten unter sreyem Himmel ihren Geist auf. Ein
alter Greis, der im obern Stock beym Tomglöckner wohnte,
und Schwachheitshalber nicht entfliehen konnte, mußte elendig-
lich verbrennen. Der Dechant zu Allerheiligen, der an einer
schweren Krankheit darnieder lag, ließ sich in den Keller tragen,
und hoffte daselbst sein Leben zu erhalten; aber das einstürzende
Haus sprengte das Gewölbe und zerschmetterte den armen Mann.
Eine mehr als hundertjährige Frau wurde aus ihrem Dach-
stübchen von dem herabstürzenden Dache erschlagen. Mehrere
kranke Weiber, säugende Mütter und kraftlose Greise lagen aus
der Gasse und flehten um Gottes Barmherzigkeit, man möchte
sie doch in den nahen Wald tragen, wo sie gern sterben wollten,
man möchte sie nur hier nicht so jämmerlich verbrennen lassen;
aber ihr Flehen und Winseln war umsonst — sie sanden ihren
Tod unter den Trümmern der Stadt.
Diejenigen, welche sich außerhalb der Stadt befanden, und
das Brausen der Flammen, das Krachen der cinstürzenden Ge-
bäude, das klägliche Winseln der Rettungslosen und den teuf-
lischen Jubel der Plünderer hörten, hatten ein nicht minder
unglückliches und beklagenswerthes Schicksal. Sie sahen ihre
Häuser und ihre geliebte Vaterstadt zusammen stürzen, und alle
Bande der Freundschaft und Liebe gewaltsam zerrissen: nun
wollten sie wenigstens doch ihr theures Vaterland nicht verlassen,
und deshalb suchten sie, trotz des strengen Verbots, über den
Rhein zu flüchten. Es waren aber nicht nur alle Uebergäuge
mit starken Wachten besetzt, sondern auch vierzig sogenannte
Strickreiter zu in Aufpassen angestellt. Diese waren ganz blau
gekleidet, hatten aus ihren Wchrgehängen, statt der französischen
Lilien, Galgen, Rad und Schwerdt gestickt, und auf ihren
Achseln trugen sie ein großes Bündel Stricke. So ritten diese
Meuschensänger in lind außer der Stadt umher, und trieben die
Flüchtigen, die sie am Nhein, oder auf dem Wege dahin, an-
trafen, mit Stricken gebunden, wieder zurück. Dies traurige
Loos traf unter andern auch die Nonnen von Sankt Maria
Magdalena, welche auf der Flucht ertappt, schrecklich gemiß-
handelt nnd gefangen fvrtgeführt wurden. Ja, die Härte gegen
die Flüchtigen gieng so weit, daß der feindliche General am
M. May unter Trommetschlag verkünden ließ: „es solle jedem
„Soldaten erlaubt seyn, alles, was von Speyerschen Bürgern
„nnd andern Inwohnern aus der Flucht über den Nhein ange-
„troffen würde, zn plündern und todt zu sehießeu."
lind dieser Blntbesehl wurde auch vollzogen. Tie Be-
wohner des jenseitigen Nheinnfers schlichen sich heimlich ans
Kähnen heran, nm ihre unglücklichen Landsleute aufznnehmeu:
ater viele von diesen redlichen Leuten wurden selbst ein Opser
der feindlichen Wirth. Dreß traf besonders die guten Schissleute
ans denn ülerrheinischen Dorfe Lnstheim. Einige hundert Frey-
benter lauerten nm User hinter den Büschen und Gesträuchen,
nnd erschossen jeden, der sich zu retten bemühte oder schon glück-
lich irr einen Kahn gestiegen war. Was man bey ihnen sand,