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Mitternacht geschehen und unter bestimmten Zauberformeln.
Auch der Mond hat Einfluß auf diese unterirdischen Schätze,
welche sich mit dem ab- und zunehmenden Lichte senken und
heben. Ferner muß der Schatzgräber ein Sonntagskind sein,
und er muß auch in der rechten Jahreszeit graben, sonst sind
ihm die unterirdischen Geister abhold, bereiten ihm Schrecknisse
oder nehmen ihm sogar das Leben. Gesunden wurde Wohl nichts,
denn die Schatzgräber blieben arm bis heute.
Das Wesen und der Charakter des Scharsencckers ist in
den obigen Sagen offenbar sehr verschieden. Vom gewöhnlichen
Raubritter steigt derselbe zu wunderbarer, mythologischer Er-
habenheit empor und sinkt andrerseits wieder herab zum nächt-
lichen Spuck, der die Menschen neckt, erschreckt und quält. Diese
letztgenannte Seite seines Wesens zeigt der „Schlosser" jedoch
nicht aus Scharseneck selbst, Wohl aber in dem angrenzenden
Waldgebiete und besonders auf dem Wege, der über den Zimmer-
platz, am alten Schloßgarten vorbei, nach Gleisweiler führt.
Es gilt für gefährlich und für beherzt, diesen Weg nachts allein
zu gehen. Schon viele mußten dort keuchend und schwitzend den
Geist aus dem Rücken herauftragen; andere hat er außerdem
noch stundenlang im Walde irrgcleitet, obwohl ihnen sonst jeder
Weg und Steg sehr gut bekannt war. Besonders ausfällig er-
ging es einst einem jungen Kürassier, der auf diesem Wege
nachts in Urlaub ging. Er sah einen großen, schwarzen Mann
vor sich hergehen, und rief ihm zu: „Landsmann halt, es gibt
Gesellschaft!" Der Spuck stand, wurde bei der Annäherung
immer größer, gab keine Antwort, wich aber auch nicht aus dem
Wege. Der Soldat zog den Säbel, hieb öfter zu, aber jedes-
mal war es ihm, als ob er auf einen harten Stein schlüge,
daß Feuersunken sprühten. Der Geist aber stob jedesmal zur
Seite, höhnte und lachte, „er hat gehauen, vergeblich gehauen!"
Müd, bleich und schweißtriefend kam der Soldat gegen Morgen
zu Hause an, und sein Säbel zeigte sovicle tiefe Scharten, als
er Hiebe geführt hatte.
(Schluß folgt).
Eine Wanderung im Reichende,
vwn m. kUi. kp.
ls auf die drückend heißen Tage Ende August und An-
fangs September 1886 eine kühlere Witterung gefolgt
war, fuhr mir aufs neue die „wonnigliche Reiselust" in
die Glieder, die ich noch nicht genug gestillt hatte. Es
drängte mich hinaus ins Freie, Weite, es lockte mich
mit dem Wanderstab in der Hand über Berg und Thal, durch
Wald und Feld zu schweifen, bevor der griesgrämige Winter
wieder seinen Einzug hielte und jedermann zwischen die vier
Wände bannte. Schnell war das Ränzlein gepackt. Wohin?
Dies war die Frage, die mich unn lebhaft beschäftigte. Nicht,
als ob es mir an Neiseplänen gefehlt hätte, im Gegenteil, cs
gingen mir mindestens ü—6 im Kopse herum. Es ist nun ein-
mal meine besondre Schwäche — und wer wäre frei von solchen?
— mindestens ein halbes Dutzend Projekte zu entwerfen, wenn
ich Willens bin ans Reisen zu gehen. Da stehe ich denn alle
Qualen der Wahl aus, und was schließlich den Ausschlag gibt,
ist in der Regel nicht das Ergebnis einer, wie man zu sagen
pflegt, reiflichen Erwägung, wodurch gerade das und das Reise-
ziel als das meistversprechende sich bestimmt herausstellte, sondern
eher etwas zufälliges, ein augenblickticher Einfall, der aber um
so stärker wirkt und um so mächtiger fortreißt. Doch bin ich
mit dieser Methode noch immer gut gefahren. Diesesmal las
ich gerade viel in den Zeitungen von den Vorbereitungen, die
in Straßburg und sonst in den Reichslanden zum Empfang des
Kaisers getroffen wurden. Da ging mir ein Licht auf: „Auf
nach Straßburg, der wunderschönen Stadt, zum Einzug des
Kaisers! Auf ins Elsaß zu den Manövern!" — so lautete nun
meine Losung. Am 10. Sept, früh morgens trug mich das
Dampfroß aus der Westpsalz der reichsländifchen Grenze zu.
Auf dem Bahnsteig des stattlichen Bahnhofs zu Saargemünd
fand sich eine ansehnliche Zahl von Reisenden zusammen, die
das gleiche Ziel wie ich, nämlich den Besuch Straßburgs während
der Kaisertage, erwählt hatten. Besonders zahlreich war Saar-
brücken und Zweibrücken vertreten. Ich machte nun mit einigen
mir bekannten Herren die weitere Fahrt zusammen und auch in
dem Menschengewühl während der Festtage hielten wir uns
landsmannschaftlich bei einander. Es war mir eine Herzens-
freude wahrzunehmen, in welcher gehobenen, patriotischen Stim-
mung meine Reisegefährten sich befanden: man sah es einem jeden
an und hörte es heraus, wie sehr er sich darauf freute, den all-
verehrten Kaiser inmitten eines Kranzes erlauchter Fürstlichkeiten
und an der Spitze eines aus Truppen der verschiedenen deutschen
Staaten zusammengesetzten, auserlesenen Armeekorps in der alten
Hauptstadt des schönen Elsaß einziehen zu sehen und jubelnd zu
begrüßen. Die Strecke Saargemünd-Saarburg bietet dem Auge
des Reisenden in landschaftlicher Hinsicht nichts besonderes. Die
Bahn, dem Laufe der Saar folgend, führt durch breite, wohlan-
gebaute Ackerflächen, auf denen ab und zu ein Streifen Wald
auftaucht. Dies ist ja das fast überall gleiche Aussehen des
Lothringer Plateaus. Einzelne der von der Bahn berührten
Städtchen und Dörfer zeichnen sich durch eine anmutige Lage
aus, so Saar-Union, das aus den beiden Städtchen Bockenheim
und Neu-Saarwerden besteht. Die Namen aller dieser Orte
sind gutdcutsch, wie Neuscheuern, Hambach, Willerwald, Schop-
perten, Pisdorf, Wolsskirchen, Finstingen, Berthebuingen be-
zeugen. Der Leser möge mir hier einige Bemerkungen über die
Ortsnamen Deutsch-Lothringens und im Anschluß hieran, über
die Sprache und Abstammung sowie über die Anhänglichkeit seiner
Bewohner an Frankreich gestatten. Aus den Ortsnamen eines
Landes liest der Kundige die Geschichte desselben heraus. Tie
Ortsnamen Deutsch-Lothringens, dessen heutige, politische Ab-
grenzung von Frankreich bekanntlich nicht mit der im Ganzen
gegen frühere Zeiten unverändert gebliebenen, sprachlichen Grenze
zusammenfällt, rühren, soweit sie deutschen Ursprungs sind,
größtenteils von den Franken her. Die Einwanderung chattischer,
d. h. hessischer Franken aus ihrer Heimat im früheren Kur-
hessen und in Oberhessen erfolgte schon um die Mitte des 5.
Jahrhunderts und zwar in südwestlicher Richtung in das Gebiet
zwischen Rhein, Nahe und Mosel. Don hier aus besetzten sie
Deutsch-Lothringen bis zur deutschen Nied. Die letzten Aus-
läufer der chattischen Wanderungen findet man im Quellgebiet
der Saar, also durch ganz Lothringen, soweit die Sprachgrenze
reicht, teilweise noch darüber hinaus. Diese Thatsache erhellt
aus der merkwüdigen Übereinstimmung einer ansehnlichen Zahl
von Ortsnamen Deutsch-Lothringens mit solchen, die in Hessen
selbst und solchen, die in der — Rheinpfalz Vorkommen. Denn
auch unsere Pfalz ist vorwiegend von Angehörigen des großen,
fränkischen Stammes besiedelt worden. Gerade wie im Südosten
des jetzigen Deutsch-Lothringen Alemannen, die Wohl etwas früher
den Weg das Rheinthal entlang, eingeschlagen hatten und dann
Mitternacht geschehen und unter bestimmten Zauberformeln.
Auch der Mond hat Einfluß auf diese unterirdischen Schätze,
welche sich mit dem ab- und zunehmenden Lichte senken und
heben. Ferner muß der Schatzgräber ein Sonntagskind sein,
und er muß auch in der rechten Jahreszeit graben, sonst sind
ihm die unterirdischen Geister abhold, bereiten ihm Schrecknisse
oder nehmen ihm sogar das Leben. Gesunden wurde Wohl nichts,
denn die Schatzgräber blieben arm bis heute.
Das Wesen und der Charakter des Scharsencckers ist in
den obigen Sagen offenbar sehr verschieden. Vom gewöhnlichen
Raubritter steigt derselbe zu wunderbarer, mythologischer Er-
habenheit empor und sinkt andrerseits wieder herab zum nächt-
lichen Spuck, der die Menschen neckt, erschreckt und quält. Diese
letztgenannte Seite seines Wesens zeigt der „Schlosser" jedoch
nicht aus Scharseneck selbst, Wohl aber in dem angrenzenden
Waldgebiete und besonders auf dem Wege, der über den Zimmer-
platz, am alten Schloßgarten vorbei, nach Gleisweiler führt.
Es gilt für gefährlich und für beherzt, diesen Weg nachts allein
zu gehen. Schon viele mußten dort keuchend und schwitzend den
Geist aus dem Rücken herauftragen; andere hat er außerdem
noch stundenlang im Walde irrgcleitet, obwohl ihnen sonst jeder
Weg und Steg sehr gut bekannt war. Besonders ausfällig er-
ging es einst einem jungen Kürassier, der auf diesem Wege
nachts in Urlaub ging. Er sah einen großen, schwarzen Mann
vor sich hergehen, und rief ihm zu: „Landsmann halt, es gibt
Gesellschaft!" Der Spuck stand, wurde bei der Annäherung
immer größer, gab keine Antwort, wich aber auch nicht aus dem
Wege. Der Soldat zog den Säbel, hieb öfter zu, aber jedes-
mal war es ihm, als ob er auf einen harten Stein schlüge,
daß Feuersunken sprühten. Der Geist aber stob jedesmal zur
Seite, höhnte und lachte, „er hat gehauen, vergeblich gehauen!"
Müd, bleich und schweißtriefend kam der Soldat gegen Morgen
zu Hause an, und sein Säbel zeigte sovicle tiefe Scharten, als
er Hiebe geführt hatte.
(Schluß folgt).
Eine Wanderung im Reichende,
vwn m. kUi. kp.
ls auf die drückend heißen Tage Ende August und An-
fangs September 1886 eine kühlere Witterung gefolgt
war, fuhr mir aufs neue die „wonnigliche Reiselust" in
die Glieder, die ich noch nicht genug gestillt hatte. Es
drängte mich hinaus ins Freie, Weite, es lockte mich
mit dem Wanderstab in der Hand über Berg und Thal, durch
Wald und Feld zu schweifen, bevor der griesgrämige Winter
wieder seinen Einzug hielte und jedermann zwischen die vier
Wände bannte. Schnell war das Ränzlein gepackt. Wohin?
Dies war die Frage, die mich unn lebhaft beschäftigte. Nicht,
als ob es mir an Neiseplänen gefehlt hätte, im Gegenteil, cs
gingen mir mindestens ü—6 im Kopse herum. Es ist nun ein-
mal meine besondre Schwäche — und wer wäre frei von solchen?
— mindestens ein halbes Dutzend Projekte zu entwerfen, wenn
ich Willens bin ans Reisen zu gehen. Da stehe ich denn alle
Qualen der Wahl aus, und was schließlich den Ausschlag gibt,
ist in der Regel nicht das Ergebnis einer, wie man zu sagen
pflegt, reiflichen Erwägung, wodurch gerade das und das Reise-
ziel als das meistversprechende sich bestimmt herausstellte, sondern
eher etwas zufälliges, ein augenblickticher Einfall, der aber um
so stärker wirkt und um so mächtiger fortreißt. Doch bin ich
mit dieser Methode noch immer gut gefahren. Diesesmal las
ich gerade viel in den Zeitungen von den Vorbereitungen, die
in Straßburg und sonst in den Reichslanden zum Empfang des
Kaisers getroffen wurden. Da ging mir ein Licht auf: „Auf
nach Straßburg, der wunderschönen Stadt, zum Einzug des
Kaisers! Auf ins Elsaß zu den Manövern!" — so lautete nun
meine Losung. Am 10. Sept, früh morgens trug mich das
Dampfroß aus der Westpsalz der reichsländifchen Grenze zu.
Auf dem Bahnsteig des stattlichen Bahnhofs zu Saargemünd
fand sich eine ansehnliche Zahl von Reisenden zusammen, die
das gleiche Ziel wie ich, nämlich den Besuch Straßburgs während
der Kaisertage, erwählt hatten. Besonders zahlreich war Saar-
brücken und Zweibrücken vertreten. Ich machte nun mit einigen
mir bekannten Herren die weitere Fahrt zusammen und auch in
dem Menschengewühl während der Festtage hielten wir uns
landsmannschaftlich bei einander. Es war mir eine Herzens-
freude wahrzunehmen, in welcher gehobenen, patriotischen Stim-
mung meine Reisegefährten sich befanden: man sah es einem jeden
an und hörte es heraus, wie sehr er sich darauf freute, den all-
verehrten Kaiser inmitten eines Kranzes erlauchter Fürstlichkeiten
und an der Spitze eines aus Truppen der verschiedenen deutschen
Staaten zusammengesetzten, auserlesenen Armeekorps in der alten
Hauptstadt des schönen Elsaß einziehen zu sehen und jubelnd zu
begrüßen. Die Strecke Saargemünd-Saarburg bietet dem Auge
des Reisenden in landschaftlicher Hinsicht nichts besonderes. Die
Bahn, dem Laufe der Saar folgend, führt durch breite, wohlan-
gebaute Ackerflächen, auf denen ab und zu ein Streifen Wald
auftaucht. Dies ist ja das fast überall gleiche Aussehen des
Lothringer Plateaus. Einzelne der von der Bahn berührten
Städtchen und Dörfer zeichnen sich durch eine anmutige Lage
aus, so Saar-Union, das aus den beiden Städtchen Bockenheim
und Neu-Saarwerden besteht. Die Namen aller dieser Orte
sind gutdcutsch, wie Neuscheuern, Hambach, Willerwald, Schop-
perten, Pisdorf, Wolsskirchen, Finstingen, Berthebuingen be-
zeugen. Der Leser möge mir hier einige Bemerkungen über die
Ortsnamen Deutsch-Lothringens und im Anschluß hieran, über
die Sprache und Abstammung sowie über die Anhänglichkeit seiner
Bewohner an Frankreich gestatten. Aus den Ortsnamen eines
Landes liest der Kundige die Geschichte desselben heraus. Tie
Ortsnamen Deutsch-Lothringens, dessen heutige, politische Ab-
grenzung von Frankreich bekanntlich nicht mit der im Ganzen
gegen frühere Zeiten unverändert gebliebenen, sprachlichen Grenze
zusammenfällt, rühren, soweit sie deutschen Ursprungs sind,
größtenteils von den Franken her. Die Einwanderung chattischer,
d. h. hessischer Franken aus ihrer Heimat im früheren Kur-
hessen und in Oberhessen erfolgte schon um die Mitte des 5.
Jahrhunderts und zwar in südwestlicher Richtung in das Gebiet
zwischen Rhein, Nahe und Mosel. Don hier aus besetzten sie
Deutsch-Lothringen bis zur deutschen Nied. Die letzten Aus-
läufer der chattischen Wanderungen findet man im Quellgebiet
der Saar, also durch ganz Lothringen, soweit die Sprachgrenze
reicht, teilweise noch darüber hinaus. Diese Thatsache erhellt
aus der merkwüdigen Übereinstimmung einer ansehnlichen Zahl
von Ortsnamen Deutsch-Lothringens mit solchen, die in Hessen
selbst und solchen, die in der — Rheinpfalz Vorkommen. Denn
auch unsere Pfalz ist vorwiegend von Angehörigen des großen,
fränkischen Stammes besiedelt worden. Gerade wie im Südosten
des jetzigen Deutsch-Lothringen Alemannen, die Wohl etwas früher
den Weg das Rheinthal entlang, eingeschlagen hatten und dann