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Verein Historisches Museum der Pfalz [Hrsg.]; Historischer Verein der Pfalz [Hrsg.]
Pfälzisches Museum: Monatsschrift d. Historischen Vereins der Pfalz und des Vereins Historisches Museum der Pfalz — 6.1889

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Nr. 7 (1. Juli 1889)
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https://doi.org/10.11588/diglit.29791#0053
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Die ManeMde Handschrift.
a diese Handschrift schon einmal im „Pfälzer Museum"
1888, No. 4, Seite 32, näher beleuchtet wurde, so will
ich, da inzwischen neue, erfolgreiche Studien durch Herrn
Hofrat Dr. Zangemeister in Heidelberg stattgesunden
haben, im Anschluß an einen im „Deutschen Herold" 1889,
No. 3 von mir jüngst veröffentlichten Artikel kurz über den
jetzigen Stand der Forschung Bericht erstatten; weiß ich doch,
daß in der Pfalz großes Interesse für diesen einst pfälzisch ge-
wesenen, seltenen Schatz herrscht. Ist das herrliche Altheidel-
berg „die Feine, die Stadt an Ehren reich" auch leider nicht
mehr im altangestammten Besitze des pfalzbairischen Hauses, so
hat doch jeder Pfälzer noch die wärmste Sympathie für alles,
was mit der früheren Hauptstadt von Kurpfalz im Zusammen-
hänge steht.
Wenn ich dabei einiges Wenige des in No. 4 des „Pfälzer
Museums" v. 1888 Gesagten wiederhole, so war dies der Deut-
lichkeit halber nicht zu vermeiden.
Als Hauptquelle sür diese nachstehende Zusammenstellung
— auf „mehr" macht diese Abhandlung keinen Anspruch! —
nenne ich:
1. ) Bericht über die Wiedervereinigung der Manessischen
Liedersammlung mit den Handschristen der .Lidliotlmea Uaürtiua",
erstattet v. Oberbibliothekar Hofrat Dr. Zangemeister (Anhang
zur Akad. Rede zum Gebnrtsfeste des sel. Großherzogs Karl
Friedrich — 22. 11. 1888 — pao-, 58 — 62) — der insbesondere
bezüglich der angeführten, allerhöchsten, urkundlichen Handschreiben
sowie der Art der feierlichen Übergabe höchst interessant ist.
2. ) Aus gleicher Feder: „Zur Geschichte der großen
Heidelberger Liederhandschrift" (Westdeutsche Zeitschr. VII.
S. 325-371.)
Demnach steht bis jetzt folgendes fest: Die Handschrift ist
(Ende des 13ten ? oder) Anfang des 11. Jahrhunderts, wahr-
scheinlich in der Zeit um 1300 bis 1315 (Nachtrag zwischen
1315 und 1340), entstanden und enthält zirka 7000 vortrefflich
in gotischer Minuskel (mit blauen und roten, gotischen Anfangs-
majuskeln ausgestattete) schwarzgeschriebene Strophen von 140
Minnesängern, sowie 140 gleichzeitige Bilder dieser letzteren in
bunter Malerei, deren Farben sich frisch erhalten haben; nur
das Silber hat sich im Laufe der Zeit in graues Schwarz ver-
wandelt. Die Bilder stellen Kampf-, Jagd-, Tanz- und Minne-
Szenen und Momente aus dem häuslichen Leben u. s. w. dar
und sind stets mit dem Wappen des betreffenden Minnesängers
versehen.
Als Sammler der Lieder bezw. als Autoren der Hand-
schrift nimmt man, einem gleichzeitigen Joh. Hadlaubschen Ge-
dichte zufolge, den Züricher Ritter Rüdiger II Manesfe von
Manegg, fl 1304, und feinen Sohn Johann (Chorherr), -f 1297, an.
Bis zum Jahre 1596 hört oder liest man nichts über die
Manessische Handschrift, doch hat Hofrat Dr. Zangemeister
genau nachgewiesen (u. a. nach Briefen des Pfälz. Rats Mar-
quard Freher an Goldast — Weftd. Zeitschr. VII. S. 353—356),
daß vor dem Jahre 1596 dieselbe bereits Eigentum
des Kurfürsten Friedrich IV. von der Pfalz (1592—1610)
war. Sie wurde — wahrscheinlich zwischen 1594 und 1596
— dem Freiherrn Johann Philipp, von Hohensax auf Forstegk
(bei Rorschach), der sich viel mit gelehrten Studien, insbesondere
mit der Erforschung des Deutschen befasste, vom Kurfürsten von


Heidelberg aus leihweise überlassen, und so kam es, daß man
den Coder 1596 auf Forstegk im Nachlasse des in diesem Jahre
plötzlich verstorbenen Freih. Joh. Phil. v. Hohensax sand.
Eine Reihe von Jahren verging, bis der Kurfürst seinen
Schatz zurückverlangte. Anfangs des 17. Jahrhunderts ist der
Foliant wiederholt bei Liebhabern zur Ansicht herumgcschleppt
worden, Wohl „mehr zur Befriedigung der Neugierde, als zum
Nutzen der Wissenschaft" (Zangemeister a. a. O. S. 345); von
1599—1603 war er bei Dr. jur. Schobinger in St. Gallen,
1606 bei Junker Hans von Schellenberg zu Randeck im Hegau,
1607 beim Banner-Herren Holzhalb in Zürich und dann im
gleichen Jahre wieder auf Forstegk.
Als Kurfürst Friedrich IV. nach wiederholten, vergeblichen
Reklamationen die Geduld verloren hatte, ließ er die Handschrift
endlich dnrch einen eigenen Boten von Forstegk abholen und
so kam diese endlich 1607 wieder nach Heidelberg zurück.
Im 30jährigen Kriege, vermutlich 1622 (Einnahme der
Stadt: 16. Septbr., des Schlosses: 19. Septbr. 1622) bei der
allgemeinen Wegführung der Heidelberger Bibliothekschätze in
den Vatikan wurde auch unsere vielgewanderte Handschrift wie-
der von Heidelberg entführt und kam wahrscheinlich mit den
anderen Schätzen nach Rom. Wie sie von hier wieder verschwand
(als Geschenk?) ließ sich bis jetzt nicht feststellen. Doch erscheint
sie 1656 auf einmal in Paris im Besitze des Gelehrten und
Kustos der Kgl. Bibliothek zu Paris, Jacques Dupuy (ff 1656).
Am 4. Juli 1657 kamen dessen ganze, dem König kraft testa-
mentarischer Bestimmung geschenkten Sammlungen, einschließlich
unserer Handschrift, in den Besitz der Kgl. Bibliothek. Der
aus dieser Zeit stammende, rote Saffianeinband zeigt heute
noch den von einer Krone überragten Lilienfchild Ludwigs XI7.
v. Frankreich in Goldpresfung.
Von 1657 an hatte die Manessische Handschrift nun ihre
Heimstätte zu Paris.
1815 machte Jakob Grimm einen vergeblichen Versuch,
dieselbe sür Deutschland wieder zu erlangen, ebenso 1823 von
der Hagen, der sie gegen altfranzösische Handschriften in Breslau
eintaufchen wollte. Trotzdem auch 1871 vereinzelte Stimmen
laut wurden, die beim Friedensschlüsse außer Elfaß-Lothringen
auch die Manessische Handschrift als alten, deutschen Besitz wie-
der verlangten, ließ sich doch nichts machen, da diese letztere
legales Eigentum Frankreichs war.
Dem Buchhändler K. I. Trübner in Straßburg i. Els.
war der Ruhm und das Verdienst vorbehalteu, die Verhand-
lungen zu einem Umtausch dieses Codex gegen Teile der Lord
Ashburnhamfchen Bibliothek: 166 Manuskripte, welche die
französischen Beamten Libri und Barroy seiner Zeit in fran-
zösischen Bibliotheken gestohlen hatten, einzuleiten und am 7.
Febr. 1888 abzuschtießen. Der Neubegründer des deutschen
Reichs, unser großer Kaiser Wilhelm I, hat auch noch Teil an
diesem ruhmvollen Werke, das ihn ebenfalls als „Mehrer des
Reichs" kennzeichnet. Denn er war es, der Trübner zu den
Unterhandlungen bevollmächtigte und die erforderlichen, hohen
Mittel bewilligte.
Die Auslieferung der Handschrift an die deutsche Botschaft
in Paris geschah am 23. Febr. 1888 und die feierliche Über-
gabe in Heidelberg am 10. Apr. 1888; an diesem Tage hielt
der herrliche Codex nach langen und vielen Irrfahrten zum
drittenmal seinen Einzug in die Illbliotüeea Ualatiim und ist
nun in eiserner Kiste an feuersicherem Orte aufbewahrt.
 
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