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Pfisterer, Ulrich; Donatello
Donatello und die Entdeckung der Stile: 1430-1445 — München: Hirmer Verlag, 2002

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.57354#0323

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Albertis Motivationen
Vor diesem Hintergrund läßt sich jetzt nochmals die Frage stellen, warum
gerade Leon Battista Alberti im Jahre 1435 einen Malereitraktat verfaßte
und dabei compositio als zentrales Beurteilungskriterium erwählte.
Seine erste und nicht geringe Motivation, über Malerei zu handeln,
scheint, daß dem Stoff bis dahin noch keine - oder doch wenigstens keine
überlieferte - Bearbeitung zuteil geworden war (der verlorene, Jacopo Bel-
lini gewidmete Traktat De arte pictoria des venezianischen Arztes und
Naturforschers Giovanni Fontana entstand wohl wenig später).142 Bereits
1428 hatte Alberti in der Schrift De commodis Utterarum atque incommo-
dis ausführlich das Problem der übermächtigen, praktisch alle Gebiete er-
schöpfenden antiken Tradition und das entsagungsvolle Dasein des Gelehr-
ten reflektiert:
Nichts kam mir jemals bei meinen Überlegungen in den Sinn, womit sich
nicht schon jene göttlichen Schriftsteller der Antike aufs Schönste
beschäftigt hätten, so daß es weder einem hochgelehrten Mann unserer
Zeit gegönnt ist, dasselbe besser als jene zu sagen, noch mir, etwas Ähn-
liches jenen angemessen und würdig zu behandeln.143
Indem er aber just über diese Mühen des Gelehrten schreibt, schließt er eine
bisher nicht erkannte Lücke, ein doch noch unbearbeitetes Thema (»mate-
riam nactus non vulgarem neque satis ante hoc tempus cxplicatam«).144 Der
römische Komödiendichter Terenz hatte das grundlegende Dilemma auf
den kürzesten Nenner gebracht: »Nihil dictum quin prius dictum«. Alberti
zitierte diese Formel mehrfach; sie - und mit ihr verbunden das Problem von
Innovation und Fortschritt - verfolgte ihn während des gesamten hier inter-
essierenden Zeitraums.'45 Noch der um das Jahr 1442 verfaßte Momus o
142 Mehrfach betont: Alberti, De Pictura, I, §1, 10—11; I, §21, 40-41; II, §26,
46-47; III, § 63, 106-107; vgl. die Charakterisierung Albertis bei Grafton 1997, 53-97,
und Locher 1999. - Zu Fontanas Traktat, der nachweislich vor 1440 entstand und offen-
sichtlich Probleme der Farbperspektive behandelte, s. Ursula Lehmann-Brockhaus, »Die
Fama Jacopo Bellinis«, in: Degenhart/Schmitt 1990, Bd. 1,19.
144 Alberti, De commodis, I, §3, 39: »Nihil mihi unquam pervestiganti in mentem
subiit, quod ipsum a priscis illis divinis scriptoribus non pulchre esset occupatum, ut neque
eam rem viro hac etate doctissimo quam iidem illi melius dicere neque mihi similia illis apte
et condigne agere relictum sit«.
144 Ebd. I, §7, 42.
I4?' Terenz, Eimuchus, 41; zir. bei Alberti, Profugiorum, 50 u. 82; Alberti, Momus,
4f.; s. dazu Nagel 1980; Luigi Trenti, »»Nihil dictum quin prius dictum«. La fenomenolo-
gia sentenziosa di Leon Battista Alberti«, in: Quaderni di Retorica e Poetica, 2 (1986),
51-62; Nella Bianchi-Bensimon, »»Nihil dictum quin prius dictum«: analyse de la methode
compositive chez Leon Battista Alberti«, in: La Constitution du texte: le tout et les parties.
Renaissance - Age classique, Poitiers 1998, 109-128.

5. »Moderne« Kunst und Patriotismus 323
 
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