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Pfisterer, Ulrich; Donatello
Donatello und die Entdeckung der Stile: 1430-1445 — München: Hirmer Verlag, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.57354#0325

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bzw. Architektur.150 Dem entspricht der Umfang und die Bedeutung, welche
Alberti selbst seiner Beschäftigung mit Kunst in der zwischen 1436 und
1438 zusammengestellten Vita bis dato einräumt, nämlich 36 von 433 Zei-
len in der von mir zitierten modernen Ausgabe.15’ Er scheint sich in seiner
literarischen Selbstdarstellung nach antikem Vorbild um vielfältige Beschäf-
tigung in den scientie und einigen arti d’industrie zu bemühen, um die
»rotunditä delle virtu ehe e detta da’ Greci«.152 Und bereits die Zeitgenos-
sen - wie Lapo da Castiglionchio 1438 - erkannten und lobten seine viel-
fältige, herausragende Begabung: »Er ist nämlich von der |Wesens-]Art, daß
welcher Disziplin auch immer er sich zuwendet, er in ihr leicht und sehr
schnell alle anderen übertrifft.«153 Alberti benutzt den Malereitraktat also
auch als Ausweis seiner breiten Bildung.
Der Aufbau der Schrift und das Kriterium der Komposition jedoch - und
damit sind wir bei der entscheidenden Überlegung angelangt - resultieren
aus Albertis übergreifendem Vorhaben der 1430er Jahre, die moderne Flo-
rentiner Kultur gegen die der Antike zu verteidigen, sie dieser gleichzustel-
len oder die klassischen Vorbilder sogar noch zu übertreffen. Alberti wan-
delte sich in der spezifischen historischen Konstellation (Rückkehr aus der
Verbannung, Sprachstreit) ganz zum Patrioten. Er wählt zwei exemplari-
sche Bereiche - Sprache und Kunst - aus, in denen sich Florenz seit jeher
besonders ausgezeichnet hatte. Seine jeweiligen Argumentationsstrategien
zugunsten des Volgare bzw. der Malerei entsprechen sich. Durch den Nach-
weis einer rationalen Struktur und Ordnung (Perspektive, Grammatik,
L'1’ Vg| zum Architekturtraktat die Überlegungen bei Hartmut Biermann, »Die Auf-
bauprinzipien von L. B. Albertis De re aedificatoria«, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte, 53
(1990), 443-485; insgesamt Locher 1999, 99-104.
151 Alberti, Vita, 72f.
152 Die Zitate stammen aus Palmieri, Vita civile, 39 f., der in den frühen 1430er Jah-
ren am konzisesten dieses Ideal des allseitig gebildeten Bürgers entwirft; zu Albertis Univer-
salitätsanspruch Grafton 1997, 52-55 (mit Zweifel an der Zuschreibung der Vita an
Alberti), und Pierluigi Panza, »>Lui geometra, lui musico, lui astronomo<. Leon Battista
Alberti e le discipline liberali«, in: Le arti e le scienze, hg. Stefano Zecchi, Bologna 1996,
243-258. - Daß Malerei, Skulptur und Architektur in der Antike zum umfassenden Bil-
dungskanon gehörten, belegen Aristoteles, Politik, 1338a-b, und Plinius, Naturalis Histo-
ria, 35, 77; die Passagen werden etwa zit. bei Francesco Petrarca, De remediis utriusque
fortunae, cap. XL (nach Petrarca, Opera, Bd.l, fol.51f.), und Patrizi, Reipublica,
fol. XVIII u. XIXv. - Die Erziehungstraktate des 15. Jhs. nennen zumeist an untergeordneter
Stelle die ars designativa, dazu Pfisterer 1996.
113 Lapo da Castiglionchio, De curiae commodis (nach Prosatori latini, 208): »Est enim
eiusmodi, ut ad quacumque se conferat facultatem, in ea facile ac perbrevi ceteris antecel-
lat«; vgl. dann 1450 Flavio Biondo, Italia Illustrata: »Baptista Albertus nobili ad multas
artes bonas versatili ingenio patriam exornat«, und die weiteren Quellen bei Franco Borsi,
Leon Battista Alberti, Mailand 1975, 359-375.

5. >Moderne< Kunst und Patriotismus 325
 
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