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Die Altdeutsche Kunst vor Dürers Geburt
19
DIE ALTDEUTSCHE KUNST
VOR DÜRERS GEBURT
„UM 1467"
Der Titel ist natürlich zu genau, um genau zuzutreffen. Aber die
1460er Jahre der deutschen Kunst sind zumalin ihrerzweitenHälfte
von merkwürdiger Ausdruckskraft und sind dennoch gleich den zwei
vorangehenden Jahrzehnten lange Zeit nicht genug beachtet worden.
Nicht gering war dabei die Schuld der an sich sehr berechtigten
Dürer-Verehrung. Das Vor-Dürerische schien nur im Hinblick auf
den einen Großen betrachtenswert, und man maß es nach dem, was
daran noch nicht Dürer war, als sei es darum reine Vorbereitung
und nicht schon selber ein Leben. Lange übersah man die Genialität
in jener Zeit. Man sah überhaupt nicht richtig hin. Sobald man es
tat, enthüllte sich ein Reichtum, den man durchaus als Eigenwert
anzusehen hat: wohl ein Noch-Nicht und ein Nicht-Mehr, wie jede,
wie auch die Dürer-Zeit, aber ebenso ein sehr eigenes Leben voll
hoher Werte, voll leidenschaftlicher Gegensätze, unruhig und bro-
delnd, voll wahrer Genialität, und durchaus genährt von den eigen-
sten Kräften des Volkes. Es gab für das frühere falsche Bild auch
noch einen zweiten Grund. Man war übereingekommen, daß sich
damals die deutsche Kunst an die niederländische verknechtet hätte.
Der Irrtum ging sehr weit. Daß er ein Irrtum war, dürfen wir heute
ruhig aussagen. Nur dies ist völlig richtig, daß jene Zeit mit beson-
derer Spannung nach den Niederlanden blickte, und daß man gerne
dort lernte. „Darnach ist Albrecht Dürrer, mein lieber Vater, in
Deutschland kommen, lang in Niederland gewest bei den großen
2*
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DIE ALTDEUTSCHE KUNST
VOR DÜRERS GEBURT
„UM 1467"
Der Titel ist natürlich zu genau, um genau zuzutreffen. Aber die
1460er Jahre der deutschen Kunst sind zumalin ihrerzweitenHälfte
von merkwürdiger Ausdruckskraft und sind dennoch gleich den zwei
vorangehenden Jahrzehnten lange Zeit nicht genug beachtet worden.
Nicht gering war dabei die Schuld der an sich sehr berechtigten
Dürer-Verehrung. Das Vor-Dürerische schien nur im Hinblick auf
den einen Großen betrachtenswert, und man maß es nach dem, was
daran noch nicht Dürer war, als sei es darum reine Vorbereitung
und nicht schon selber ein Leben. Lange übersah man die Genialität
in jener Zeit. Man sah überhaupt nicht richtig hin. Sobald man es
tat, enthüllte sich ein Reichtum, den man durchaus als Eigenwert
anzusehen hat: wohl ein Noch-Nicht und ein Nicht-Mehr, wie jede,
wie auch die Dürer-Zeit, aber ebenso ein sehr eigenes Leben voll
hoher Werte, voll leidenschaftlicher Gegensätze, unruhig und bro-
delnd, voll wahrer Genialität, und durchaus genährt von den eigen-
sten Kräften des Volkes. Es gab für das frühere falsche Bild auch
noch einen zweiten Grund. Man war übereingekommen, daß sich
damals die deutsche Kunst an die niederländische verknechtet hätte.
Der Irrtum ging sehr weit. Daß er ein Irrtum war, dürfen wir heute
ruhig aussagen. Nur dies ist völlig richtig, daß jene Zeit mit beson-
derer Spannung nach den Niederlanden blickte, und daß man gerne
dort lernte. „Darnach ist Albrecht Dürrer, mein lieber Vater, in
Deutschland kommen, lang in Niederland gewest bei den großen
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