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Die Altdeutsche Kunst vor Dürers Geburt
architektonischer Innenrahmungen, wie sie besonders deutlich beim
Wurzacher Altäre wahrzunehmen waren. Beide Arten liegen aber
noch in den 6oer Jahren miteinander im Kampfe.
Den Reichtum dieser Zeit kann man vorübergehend auf sehr
scharfe Gegensätze bringen, aber keineswegs auf ein einziges Paar,
sondern auf deren eine ganze Reihe. Die sehr verschiedene Stellung
der Künste, von der schon so oft zu reden war, wird sich darin deut-
lich offenbaren. Die längere Erfahrung der Plastik, die ihre klassische
Zeit schon hinter sich hat, ihr höheres Alter, läßt die Malerei jünger,
anfängerhafter erscheinen. Tatsächlich hat diese sich mit anderen
(und für sie sehr neuen!) Fragen abzugeben als die Plastik. Die Er-
oberung des Raumes steht ihr zu großen Teilen noch bevor, und sie
hat manche Kinderkrankheiten durchzumachen da, wo die Plastik
manchmal eher schon in einer Überreife steht. Gerade den Deutschen
ist die reine Raumdarstellung (die man mit Landschaft ja nicht ver-
wechseln möge!), als Folge der ihnen von Natur aus nicht liegenden
Anerkennung des Betrachters (Bd. II, S. 199 ff.) schwierig und stellen-
weise gefährlich geworden. Ein Künstler wie jener des Erfurter Regler-
Altares, der mit altertümlicher Kühnheit die Gestaltenbegegnung der
Raumdarstellung überordnete, konnte großartigere, das will hier
sagen: der damaligen Plastik gleichartigere, gleichwertigere Wirkun-
gen erreichen, als viele zeitgenössische Maler, die Neueres erstrebten
und darum zwischen Raumerschließung und Gestaltengedränge in
schweren Zwiespalt gerieten.
MEISTER UND WERKE
ERHART UND GERHART
Die Gestalt — sie hatte eine viel ältere Geschichte in sich. Bei
ihr handelte es sich — für ein Volk, das mehr als 200 Jahre vorher
die Blüte des staufischen Zeitalters erlebt hatte — durchweg schon
um Späterscheinungen. In der Plastik ist auch die Spannweite der
Gegensätze noch um einige Grade mächtiger. Erhart und Gerhart
Die Altdeutsche Kunst vor Dürers Geburt
architektonischer Innenrahmungen, wie sie besonders deutlich beim
Wurzacher Altäre wahrzunehmen waren. Beide Arten liegen aber
noch in den 6oer Jahren miteinander im Kampfe.
Den Reichtum dieser Zeit kann man vorübergehend auf sehr
scharfe Gegensätze bringen, aber keineswegs auf ein einziges Paar,
sondern auf deren eine ganze Reihe. Die sehr verschiedene Stellung
der Künste, von der schon so oft zu reden war, wird sich darin deut-
lich offenbaren. Die längere Erfahrung der Plastik, die ihre klassische
Zeit schon hinter sich hat, ihr höheres Alter, läßt die Malerei jünger,
anfängerhafter erscheinen. Tatsächlich hat diese sich mit anderen
(und für sie sehr neuen!) Fragen abzugeben als die Plastik. Die Er-
oberung des Raumes steht ihr zu großen Teilen noch bevor, und sie
hat manche Kinderkrankheiten durchzumachen da, wo die Plastik
manchmal eher schon in einer Überreife steht. Gerade den Deutschen
ist die reine Raumdarstellung (die man mit Landschaft ja nicht ver-
wechseln möge!), als Folge der ihnen von Natur aus nicht liegenden
Anerkennung des Betrachters (Bd. II, S. 199 ff.) schwierig und stellen-
weise gefährlich geworden. Ein Künstler wie jener des Erfurter Regler-
Altares, der mit altertümlicher Kühnheit die Gestaltenbegegnung der
Raumdarstellung überordnete, konnte großartigere, das will hier
sagen: der damaligen Plastik gleichartigere, gleichwertigere Wirkun-
gen erreichen, als viele zeitgenössische Maler, die Neueres erstrebten
und darum zwischen Raumerschließung und Gestaltengedränge in
schweren Zwiespalt gerieten.
MEISTER UND WERKE
ERHART UND GERHART
Die Gestalt — sie hatte eine viel ältere Geschichte in sich. Bei
ihr handelte es sich — für ein Volk, das mehr als 200 Jahre vorher
die Blüte des staufischen Zeitalters erlebt hatte — durchweg schon
um Späterscheinungen. In der Plastik ist auch die Spannweite der
Gegensätze noch um einige Grade mächtiger. Erhart und Gerhart