172 Die Deutsche Kunst in Dürers Mannesjahren
DIE DEUTSCHE KUNST
IN DÜRERS MANNESJAHREN
Die Fülle der Meister und der Werke, die nunmehr auf uns eindringt,
übersteigt die alles bisher Betrachteten bei weitem. Wenn wir
nur auf die bekannten Namen bedeutender Künstler blicken, so haben
wir es mit gut einem halben Hundert von Meistern zu tun, die gleich-
zeitig mit dem reiferen Dürer am Werke waren. Und wie vieles geht
noch unter keinem oder einem nur willkürlich zugesprochenen, nicht
unbestrittenen Eigennamen! Die Zauberkraft des Namens hat ihre
großen wissenschaftlichen Bedenken. Was hieß nicht alles Riemen-
schneider, was nicht alles Dürer! Auch der ehrliche Forscher kommt
leider in Gefahr, den Abstand zu unterschätzen, der die große Zahl
der nur in Urkunden vorkommenden Künstlernamen von der weit
kleineren Zahl derjenigen abtrennt, mit denen Werke verbunden wer-
den können. Hunderte von Namen ohne Werke auf der einen Seite,
Tausende von Werken ohne Namen auf der anderen! Könnte man
beide Arten der Beurkundung, überlieferte Nachrichten und erhaltene
Werke, zu völligem Zusammenfall bringen, so hätte man das Gerüst
des Wirklichen, wenigstens soweit es erhalten ist. Das ist unmöglich,
und so zieht in notwendig irreführender Weise das Bekannte das Un-
bekannte auf sich. Jeder plötzliche Fund, der einen fast vergessenen
Namen durch eine wirklich handfeste Entdeckung mit einem schon
lange berühmten, aber bis dahin ganz anders benannten Kunstwerke
neu verbindet, sollte warnen und zum Aufhorchen zwingen. Bis vor
kurzem galt das bedeutende Wiener Doppelbildnis Burgkmairs und
DIE DEUTSCHE KUNST
IN DÜRERS MANNESJAHREN
Die Fülle der Meister und der Werke, die nunmehr auf uns eindringt,
übersteigt die alles bisher Betrachteten bei weitem. Wenn wir
nur auf die bekannten Namen bedeutender Künstler blicken, so haben
wir es mit gut einem halben Hundert von Meistern zu tun, die gleich-
zeitig mit dem reiferen Dürer am Werke waren. Und wie vieles geht
noch unter keinem oder einem nur willkürlich zugesprochenen, nicht
unbestrittenen Eigennamen! Die Zauberkraft des Namens hat ihre
großen wissenschaftlichen Bedenken. Was hieß nicht alles Riemen-
schneider, was nicht alles Dürer! Auch der ehrliche Forscher kommt
leider in Gefahr, den Abstand zu unterschätzen, der die große Zahl
der nur in Urkunden vorkommenden Künstlernamen von der weit
kleineren Zahl derjenigen abtrennt, mit denen Werke verbunden wer-
den können. Hunderte von Namen ohne Werke auf der einen Seite,
Tausende von Werken ohne Namen auf der anderen! Könnte man
beide Arten der Beurkundung, überlieferte Nachrichten und erhaltene
Werke, zu völligem Zusammenfall bringen, so hätte man das Gerüst
des Wirklichen, wenigstens soweit es erhalten ist. Das ist unmöglich,
und so zieht in notwendig irreführender Weise das Bekannte das Un-
bekannte auf sich. Jeder plötzliche Fund, der einen fast vergessenen
Namen durch eine wirklich handfeste Entdeckung mit einem schon
lange berühmten, aber bis dahin ganz anders benannten Kunstwerke
neu verbindet, sollte warnen und zum Aufhorchen zwingen. Bis vor
kurzem galt das bedeutende Wiener Doppelbildnis Burgkmairs und