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276 Die Deutsche Kunst in Dürers Mannesjahren

DÜRER UND SEINE ALTERSGENOSSEN
ALBRECHT DÜRER
Als im Jahre 1578 zwei schweizerische Künstler in Isenheim arbei-
teten, schrieb jeder von ihnen einen Vierzeiler auf die Rückseite des
Altares, dankenswerte Zeugnisse für den Willen des Geistes, festzu-
halten, was an alter Größe entschwunden schien. Hagerich von Chur
schrieb damals:
Diese Kunst kundt von Gottesgunst,
Wanns Gott nit gunnt, so ist's umsunst,
Ein jeder dieses Werk Gott loben sot (sollte),
Dann diese Kunst kommt von Gott!
Wirklich! Das sind wahre Worte, und sie treffen tiefer, als sie viel-
leicht selber wußten. Ist aber nicht auch dies ein Wort, das auf
M. G. N. zutreffen würde: „Daraus wird der versammelte heimliche
Schatz des Herzens offenbar durch das Werk und die neue Kreatur,
die einer in seinem Herzen schöpft in der Gestalt eines Dings?" Nicht
eines solcherWorte kennen wir von Nithart, er brauchte sie auch nicht
zu sprechen. Daß aber dieses Wort auf ihn so vollendet zutrifft, ohne
doch auf ihn gemünzt zu sein, das ist für Nithart ebenso bezeichnend,
wie es für Albrecht Dürer ist, daß er es schreiben konnte. Der hatte
auch das Wort! Man kann das seiner Kunst ansehen. Für die Deut-
schen war das etwas Neues. Dürer mußte reden, also laut denken, wie
schon lange die Italiener. Er tat es nicht, um es diesen nachzutun, er
mußte; das Wort drängte sich ihm auf. Er erst war der volle Mensch
der Luther-Zeit; er war auch jünger als Nithart.
Als er 1471 in Nürnberg zur Welt kam, war die Stadt, die früher
keineswegs die erste Deutschlands war, schon im Aufstiege zu einer
neuen Hauptstadt deutscher Kunst. Sie war zunächst eine Stadt der
Maler, nicht, wie Würzburg, der Bildner gewesen. Wo die Mainfran-
ken der Bischofsstadt meißelten, haben die Nürnberger gerne gemalt.
Gemalte Epitaphien sind für ihre Stadt so kennzeichnend wie für
 
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