Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Die Deutsche Kunst in der Jugendzeit Dürers

97

DIE DEUTSCHE KUNST
IN DER JUGENDZEIT DÜRERS
DIE KUNST UM 1480
Wir verlassen einen Abschnitt in der Entfaltung unserer Kunst, der
bei nur einigermaßen gerechter Würdigung für sich allein einen
unserer Bände erfordern würde. Wir treten mit gleich schmerzlich
bewußter, ja noch weitergehender Selbstbeschränkung in die Kunst
um 1480 ein. Dürers früheste uns bekannte Arbeiten fallen bereits
hinein, aber wir fragen noch nicht danach. Wir fragen nach denjenigen
Männern, die zu Dürer und seinen Altersgenossen im Verhältnis der,
Väter zu den Söhnen standen. Die geistige Luft, die sie verbreiteten,
hat Dürer eingeatmet. Sie war sehr anders, als der Deutsche sich gerne
die Zeit vor dem Auftreten des vermeintlich „ersten Genies" vorzu-
stellen pflegt. Sie war nicht hausbacken, treuherzig, spießig, behaglich,
traulich, keine „Gartenlaube" — die überhaupt in unserer Kunst einen
verblüffend geringen Raum einnimmt. Für Dürer selbst hat sich
Wölfflin am Eingang seines berühmten Buches mit Recht gegen ähn-
liche Irrtümer verwahrt. Aber diese Verwahrung gebührt sich schon
gegenüber dem Vater- und schon dem Großvatergeschlechte des Gro-
ßen, sie geziemt sich überhaupt gegenüber aller alten deutschen Kunst.
Die Luft jener Tage war heiß, sie kochte von unheimlichen Kräften.
Die Vorstellung, als sei bei uns gerade die Kunst, dieser Erdbeben-
zeiger der Geschichte, bis zu Dürers Auftreten mehr ein braves, gewiß-
lich recht hochstehendes Handwerk voll gutgläubiger Absichten ge-
wesen, diese romantische Albernheit löst sich schon beim Blick auf das
Vorangegangene auf. Die Meister, die wir zuletzt am Werke sahen

7 Pinder, Dürerzeit
 
Annotationen