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Busch, Jörg W.
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 5): Der Liber de honore ecclesiae des Placidus von Nonantola: eine kanonistische Problemerörterung aus dem Jahre 1111 ; die Arbeitsweise ihres Autors und seine Vorlagen — Sigmaringen: Thorbecke, 1990

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.73976#0098
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zählt223. Nach Abzug der fünf Registerstellen Gregors I., die in keinem offensichtlichen
Reihenzusammenhang stehen, und der beiden Bibelstellen, die eigene Traktatkapitel bilden,
bleiben somit noch 46 Zitate aus der patristischen und jüngeren theologischen Literatur. Für
diese muß der Rückgriff auf die betreffenden Werke gerade bei jenen Schriften angenommen
werden, die mit mehreren oder längeren Auszügen vertreten und in diesem Umfang nicht
kanonistisch rezipiert sind. So entfallen 32 Stellen auf die Ambrosiusbriefe, den Traktat De
dignitate sacerdotali, die Psalmenerläuterungen und den Kommentar zum Johannesevange-
lium des Augustinus sowie auf Gregors I. Homilien und Moralia. Bei den restlichen 14 Stellen
hingegen, die überwiegend nur einmal zitierten Werken entstammen, liegt vor näherer
Prüfung die Annahme einer nichtkanonistischen Vermittlung nahe, wie sie ein Florilegium
hätte bieten können.
Die Auswertung der Kanoneskonkordanz für das vergleichend heranzuziehende Nonan-
tolaner Fragment Vat. Lat. 10.802 zeigt insofern einen deutlichen Unterschied zum Traktat,
als die drei im Fragment wörtlich angeführten Exzerpte aus der ps.isidorischen Sammlung nur
von Anselm von Lucca rezipiert wurden224, während eine solche Übereinstimmung zwischen
seiner Sammlung und bestimmten Texten oder gar einer Reihe des Placidus nicht festzustellen
ist. Weil aber die Zuschreibung zu dem dritten Text im Fragment derart ist, daß sie nur auf
Grund der Kenntnis der gesamten materiellen Quelle, nicht aber an Hand der Angabe in der
Sammlung Anselms erstellt werden konnte, erscheint eine Vermittlung durch sie ausgeschlos-
sen225. Mithin können die im Fragment wörtlich angeführten Texte bei der Behandlung der
Ps.Isidor-Benutzung des Placidus, die nur in Paraphrase gebotenen Väterstellen hingegen mit
den Verweisstellen des Traktates vergleichend berücksichtigt werden.
II. Die systematischen kanonistischen Vorlagen
1. Das Dekret Bischof Burchards von Worms
Den 25 Stellen, die nach der Kanoneskonkordanz aus dem Dekret Burchards herrühren
dürften1, bot zur Zeit des Placidus zumindest ein Nonantolaner Exemplar dieser Sammlung
eine Vorlage. Denn bereits unter Abt Rudolf I. (1002-1035) war ein Liber canonum Burchardi
episcopi erworben worden, wie der elfte Eintrag in der Nonantolaner Erwerbungsliste A
belegt. Diese Notiz bezeugt zudem erstmals und relativ früh das Auftreten dieser bedeutenden
vorreformerischen Sammlung in Italien, die wohl zwischen 1008 und 1012, spätestens aber bis
223 S. u. S. 226f. zu LdHE 52,2, 80 und 101 (130ff.).
224 Fragm.2,1, Z.42-46: Ps.Anaclet 3,30, Hinschius, S. 83,4-7, Anselm CC2,1, S.7; Fragm.2,2,
Z. 46-58: Ps.Militiades 1,3, Hinschius, S. 243,27-34, Anselm CC2,41, S. 93; Fragm. 3, Z. 71-80: Ps.Felix
II. (III.) 12,30, Hinschius, S. 488,25-35, Anselm CC2,59, S. 102f. Die bloßen Bezugnahmen auf
Väterschriften im Fragm. s.o. S. 57, Übersicht6.
225 Die Zuschreibung des Ps.Felix-Briefes 12,20, Hinschius, S. 488,28-35, beschränkt sich bei Anselm
CC2,59, S. 102, auf den Namen des Papstes, während er im Fragm. 3, Z. 69f., als Beschluß des Konzils
von Nizäa bezeichnet wird, der im Brief des genannten Papstes zu finden sei. Da dieser Verweis auf das
Konzil von Nizäa weiter oben in dem angeblichen Felix-Brief, Hinschius, S. 488,1, zu finden ist, muß
dieser dem Autor des Fragmentes zumindest in einem größeren Umfang als in dem in Anselms Sammlung
vorliegenden bekannt gewesen sein.

1 S. o. S. 67ff., 75.

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