IV. Die Vermittlung kanonistischer Einzeltexte
Die systematischen und chronologischen Sammlungen, die Placidus heranzog, konnten ihm
nicht alle im engeren Sinne kanonistischen Materialien bieten. So fanden die beiden vom Autor
zitierten Beschlüsse der römischen Herbstsynode von 1078 vor der Abfassung des Traktates
nur in solche systematischen Sammlungen Eingang, die in keinem deutlichen Zusammenhang
mit der Arbeit des Placidus stehen1. Erst von der Kanonistik nach ihm sollte der von ihm
exzerpierte Brief Papst Urbans II. an den Propst Lucius von St. Juventus rezipiert werden2,
wobei lediglich der längere Auszug, den Gratian bot, im Druck einsehbar ist3. Zu diesen
Texten des 11. Jahrhunderts, für die eine Einzelüberlieferung zu erwarten ist, mußten bei der
Auswertung der Kanoneskonkordanz noch die beiden Exzerpte aus der Konstantinischen
Schenkung gerechnet werden. Auch diese liegen nur in solchen jüngeren systematischen
Sammlungen vor, die in keiner deutlichen Beziehung zum Traktat stehen4. Die daher
naheliegende Verwendung eines Einzelexemplares gewinnt an Wahrscheinlichkeit, weil die
Ps.Isidor-Vorlage des Placidus der Hss.-Klasse A 2 angehörte, deren kürzere Version der
Schenkung bereits vor dem Textteil abbricht, den der Autor exzerpierte5.
1. Die Konstantinische Schenkung
Dem Befund, daß Placidus die beiden Abschnitte aus dieser Fälschung nicht dem Zusammen-
hang einer kanonistischen Vorlage entnahm6, steht der Nachweis von mindestens zwei
Exemplaren dieses Textes in der Nonantolaner Bibliothek gegenüber. Erhalten blieb aber
lediglich jenes in der Sammel-Hs. der Acta sancti Silvestri, die das Abteiarchiv noch heute
verwahrt7. Dieser Kodex, der als Vorlage des Placidus in Betracht zu ziehen ist, entstand um
1 Die Belege s. o. S. 74, Anm. 215.
2 S. u. Anm. 28.
3 Das Exzerpt, das Gratian C 1,3,8, Sp. 413 ff., anführte, entspricht ungefähr der ersten Hälfte des Urban
II.-Briefes JL 5743, Mansi, Bd. 20, Sp. 659-662,26, und enthält somit die drei Auszüge des Placidus:
LdHE 52,2; 80 und 101 (130ff.: Mansi, Bd. 20, Sp. 661,31-57). In der C3L 2,9,25 (Vat. Lat. 3831, Bl. 34va,
bzw. 2,9,22 ACPist C 135, Bl. 59ra; s. o. S. 55, Anm. 110) findet sich lediglich das erste Exzerpt des
Placidus, LdHE 52,2 (130), mit seiner Einleitung LdHE 52II1 (134).
4 Von den oben (S. 72, Anm. 209) nachgewiesenen Sammlungen hätte höchstens die 3Part in der
Nonantolaner Bibliothek zur Verfügung stehen können. Daß Placidus sie aber noch für die Konstantini-
sche Schenkung hätte heranziehen sollen, nachdem sie ihm keine ausreichende Vorlage für seine Ps.Isidor-
Übernahmen bot, ist unwahrscheinlich; s. o. S. 136, Anm. 62f.; für LdHE 571 (87: Fuhrmann, CC,
S. 93 ff.,261-276) allerdings hätte die 3Part 1,31,8, hier nach Admont Stiftsbibliothek 162, Bl. 20r, und Vat.
Reg. Lat. 973, Bl. 21r, ein ausreichendes Exzerpt geboten, nämlich Fuhrmann, CC, S. 89,233 f., und
S. 92,253-95,276.
5 Vgl. Fuhrmann, CC, S. 13 f. Die im vorliegenden Zusammenhang eingesehenen Ps.Isidor-Hss. der
Klasse A 2 (Bamberg Staatsbibliothek MSC can. 4, Bl. 115v; BCMan 205, Bl. 112r; Rom Biblioteca
Vallicelliana D 38, Bl. 151v, und Vat. Lat. 3788, Bl. 156v) brechen den Text am Beginn des elften
Paragraphen mit den Worten me sanitati comperi (= Fuhrmann, CC, S. 80,157) bzw. me sanitati comperi
redditum (so BCMan 205) ab. Lediglich der A 2-Kodex Vat. Lat. 629 bietet eine Ergänzung bis zum
Schluß; vgl. Fuhrmann, CC, S. 32f. Placidus aber zitierte LdHE 571 (87) die Paragraphen 18 und 17
(= Fuhrmann, CC, S. 93 ff.,261-276).
6 Der zusätzliche Rückgriff auf ein Ps.Isidor-Exemplar der Klasse A 1 darf wohl grundsätzlich
ausgeschlossen werden, zumal zwei Kodizes dieser Sammlung in Nonantola nicht nachweisbar sind.
7 Zu AANon Acta s. Silvestri, Bl. 80v-88v, vgl. Gullotta, S. 182, und Fuhrmann, CC, S. 29.
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Die systematischen und chronologischen Sammlungen, die Placidus heranzog, konnten ihm
nicht alle im engeren Sinne kanonistischen Materialien bieten. So fanden die beiden vom Autor
zitierten Beschlüsse der römischen Herbstsynode von 1078 vor der Abfassung des Traktates
nur in solche systematischen Sammlungen Eingang, die in keinem deutlichen Zusammenhang
mit der Arbeit des Placidus stehen1. Erst von der Kanonistik nach ihm sollte der von ihm
exzerpierte Brief Papst Urbans II. an den Propst Lucius von St. Juventus rezipiert werden2,
wobei lediglich der längere Auszug, den Gratian bot, im Druck einsehbar ist3. Zu diesen
Texten des 11. Jahrhunderts, für die eine Einzelüberlieferung zu erwarten ist, mußten bei der
Auswertung der Kanoneskonkordanz noch die beiden Exzerpte aus der Konstantinischen
Schenkung gerechnet werden. Auch diese liegen nur in solchen jüngeren systematischen
Sammlungen vor, die in keiner deutlichen Beziehung zum Traktat stehen4. Die daher
naheliegende Verwendung eines Einzelexemplares gewinnt an Wahrscheinlichkeit, weil die
Ps.Isidor-Vorlage des Placidus der Hss.-Klasse A 2 angehörte, deren kürzere Version der
Schenkung bereits vor dem Textteil abbricht, den der Autor exzerpierte5.
1. Die Konstantinische Schenkung
Dem Befund, daß Placidus die beiden Abschnitte aus dieser Fälschung nicht dem Zusammen-
hang einer kanonistischen Vorlage entnahm6, steht der Nachweis von mindestens zwei
Exemplaren dieses Textes in der Nonantolaner Bibliothek gegenüber. Erhalten blieb aber
lediglich jenes in der Sammel-Hs. der Acta sancti Silvestri, die das Abteiarchiv noch heute
verwahrt7. Dieser Kodex, der als Vorlage des Placidus in Betracht zu ziehen ist, entstand um
1 Die Belege s. o. S. 74, Anm. 215.
2 S. u. Anm. 28.
3 Das Exzerpt, das Gratian C 1,3,8, Sp. 413 ff., anführte, entspricht ungefähr der ersten Hälfte des Urban
II.-Briefes JL 5743, Mansi, Bd. 20, Sp. 659-662,26, und enthält somit die drei Auszüge des Placidus:
LdHE 52,2; 80 und 101 (130ff.: Mansi, Bd. 20, Sp. 661,31-57). In der C3L 2,9,25 (Vat. Lat. 3831, Bl. 34va,
bzw. 2,9,22 ACPist C 135, Bl. 59ra; s. o. S. 55, Anm. 110) findet sich lediglich das erste Exzerpt des
Placidus, LdHE 52,2 (130), mit seiner Einleitung LdHE 52II1 (134).
4 Von den oben (S. 72, Anm. 209) nachgewiesenen Sammlungen hätte höchstens die 3Part in der
Nonantolaner Bibliothek zur Verfügung stehen können. Daß Placidus sie aber noch für die Konstantini-
sche Schenkung hätte heranziehen sollen, nachdem sie ihm keine ausreichende Vorlage für seine Ps.Isidor-
Übernahmen bot, ist unwahrscheinlich; s. o. S. 136, Anm. 62f.; für LdHE 571 (87: Fuhrmann, CC,
S. 93 ff.,261-276) allerdings hätte die 3Part 1,31,8, hier nach Admont Stiftsbibliothek 162, Bl. 20r, und Vat.
Reg. Lat. 973, Bl. 21r, ein ausreichendes Exzerpt geboten, nämlich Fuhrmann, CC, S. 89,233 f., und
S. 92,253-95,276.
5 Vgl. Fuhrmann, CC, S. 13 f. Die im vorliegenden Zusammenhang eingesehenen Ps.Isidor-Hss. der
Klasse A 2 (Bamberg Staatsbibliothek MSC can. 4, Bl. 115v; BCMan 205, Bl. 112r; Rom Biblioteca
Vallicelliana D 38, Bl. 151v, und Vat. Lat. 3788, Bl. 156v) brechen den Text am Beginn des elften
Paragraphen mit den Worten me sanitati comperi (= Fuhrmann, CC, S. 80,157) bzw. me sanitati comperi
redditum (so BCMan 205) ab. Lediglich der A 2-Kodex Vat. Lat. 629 bietet eine Ergänzung bis zum
Schluß; vgl. Fuhrmann, CC, S. 32f. Placidus aber zitierte LdHE 571 (87) die Paragraphen 18 und 17
(= Fuhrmann, CC, S. 93 ff.,261-276).
6 Der zusätzliche Rückgriff auf ein Ps.Isidor-Exemplar der Klasse A 1 darf wohl grundsätzlich
ausgeschlossen werden, zumal zwei Kodizes dieser Sammlung in Nonantola nicht nachweisbar sind.
7 Zu AANon Acta s. Silvestri, Bl. 80v-88v, vgl. Gullotta, S. 182, und Fuhrmann, CC, S. 29.
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