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Hofmann, Ludwig [Hrsg.]; Redslob, Edwin [Hrsg.]
Ludwig von Hofmann, Handzeichnungen — Weimar: Kiepenheuer, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.45054#0013
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undFarbe erstehen läßt, unterzieht er die organischeErscheinungderstrengsten,
der Selbstzucht eines Max Liebermann verwandten Kontrolle und vergleicht
die Einzelheiten mit der Natur.
In diesem Bestreben, das innere Bild vor der Wirklichkeit zu prüfen, liegt
eine wesentliche Eigenart der Kunst Ludwig von Hofmanns; hier wurzelt ihr
Zusammenhang mit Feuerbach, hier ihr Gegensatz zu dem Akademiegeist des
19. Jahrhunderts, der die Natur auf Grund der vor Gipsabgüssen erlernten
Schönheitskurven verbessern wollte.
Hofmann hat sich zu diesem Weg der Selbstkontrolle erst gefunden.
Auch er fing — wie fast alle Stilisten — zunächst damit an, daß er die reale
Beobachtung — das Modell — visionär zu steigern versuchte. Im Reifen der
Kraft gelang es ihm dann, woran noch Marees scheitern mußte, das Verhältnis
umzukehren, das Bild im Inneren zu erleben, aber seine Gestaltung vor der
Wirklichkeit zu erhärten.
Wie dabei die bildnerische Vorstellung entstand, wodurch also die
Phantasie angeregt wurde, das berührt Fragen, die das Psychologische wie
das Künstlerische angehen.
Zur Beantwortung hat man zwei Anhaltspunkte: die Titel der Bilder und
das Studienmaterial zu einzelnen Entwürfen. Die Titel zeigen deutlich, daß
sie — wenn man von frühesten Arbeiten absieht — nicht der Ausgangspunkt
waren, sondern erst nachträglich unter dem Zwang der Ausstellungen gegeben
wurden. Die Schöpfungen Hofmanns sind niemals illustrativ. Er hat nicht
„den Frühling“ darstellen wollen, „die Exstase“, „die Niobiden“ er hat reine,
im Empfinden lebende Gesichte verwirklicht und dem Bild nachträglich einen
Namen gegeben, der seinen Inhalt andeutet, ohne ihn rationalistisch zu
erschöpfen.
Vor allem aber zeigen die Entwürfe und Studien, wie sehr ein innerer
Wille das Bild gestaltete. Bestimmte Gefühlsmomente kehren immer wieder,
vor allem das Sehnen und Verlangen, das den Menschen mit der Natur ver-
bindet. Bald ist es ein Greifen nach Früchten, ein Schöpfen an Quellen, bald
gibt sich eine Gestalt dem Duft der Blume hin, bald schreitet sie im Rhythmus
von Welle und Wind. Die Arme sind erhoben, der Kopf ist zurückgebogen
— aus Durst und Verlangen wird Hingabe, Jubel, Anbetung, Verzweiflung —
die Bewegung steigert sich zum Tanz, die Ruhe wird Genuß und seliges Be-
trachten. Gruppen entstehen, ordnen sich ein in das ornamentale Gefüge
von Bäumen und Felsen, Jüngling und Pferd verbinden sich zu einer Einheit,
die alle Kraft der Jugend verherrlicht. Als Gegenspiel zu dieser Welt freudiger
Entfaltung erscheint gelegentlich die Groteske, in der sich der Künstler von

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