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Towarzystwo Naukowe <Lublin> [Hrsg.]
Roczniki Humanistyczne: Historia Sztuki = History of art = Histoire de l'art — 45.1997

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Mazurczak, Urszula M.: Zur Problematik des Motivs des "Gelehrten im Atelier": am Beispiel des Porträts von Filippo Buonaccorsi auf dem Epitaphium in der Krakauer Dominikanerkirche
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https://doi.org/10.11588/diglit.27403#0161
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ZUR PROBLEMATIK DES MOTIVS DES „GELEHRTEN IM ATELIER’

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Ethos des Autors, die Tadellosigkeit seiner Rede und Schrift im weiteren
Sinne: im ôffentlichen, politischen, literarischen Leben, wie sie in den Schu-
len pietâtvoll gelehrt wurde, übte unverànderten EinfluB auf die Kunst aus,
insbesondere in der Miniaturmalerei. Deshalb wurde mit auBerordentlicher
Sorgfalt dargestellt, was zuvor in der sozialen paideia und der geistigen Erzie-
hung entstanden war.

Das so erarbeitete Ethos des Autors stellte ein fertiges Materiał für die
Portràts der Humanisten in ihren Ateliers dar. Es war verstàndlich und aktua-
lisierte sich nicht allein auf der stilistisch-bildnerischen Ebene, der eine Kon-
zeption zugrundelag, die den Humanisten vor allem als Mensch sah. Die
bildnerischen Topoi der Autoren, die im Bereich der lateinischen Skriptorien
entstanden, welche ein eigenes, sich vom byzantinischen Prototyp unter-
scheidendes Modeli erarbeitet hatten, legten Nachdruck auf die Aktivitat des
Schriftstellers - eine spezifische Dynamik, die sich aus anderen Prâmissen
über den Autor selbst ergibt. Darüber hinaus führte die Scholastik, die das
Amt des Kommentators und Schreibers entfaltete, die Rhetorik gleichzeitig auf
ein anderes Niveau der Mitteilung als im Falle derjenigen, die Byzanz ange-
nommen hatte. Im Abendland wurde die Rhetorik im Bereich der Grammatik,
Dialektik und auch Logik angesiedelt, womit ihr ihre selbstàndige Wirkkraft
im Schulsystem genommen wurde. Hier wurden verschiedenen Techniken des
dictamen an lateinischen Texten bevorzugt50. Seit dem 11. Jahrhundert
erhielt die Rhetorik einen neuen Rahmen als ars dictaminis oder dictandi, die
in der Kanzleiarbeit Verwendung fand, wo das Amt der notari entwickelt
wurde. Die Rhetorik wurde nicht als Selbstzweck betrachtet, sondern sie
wurde vielen verschiedenen und sich verândernden Klassifikationen unter-
geordnet: sei es der Grammatik oder der Dialektik. In der praktischen Bedeu-
tung wurde sie geradezu auf die Stilistik reduziert und erhielt deren abfâllige
Fàrbung. In solchen spàtmittelalterlichen enzyklopàdischen Werken wie „Spé-
culum maius” von Vinzenz von Beauvais nimmt in Buch II und III, wo von
den sich aus dem Trivium ableitenden Disziplinen die Rede ist, die Rhetorik
kaum drei Seiten ein. Sowohl die Rhetorik als auch die Poetik werden nicht
als selbstàndige Disziplinen behandelt, sondern als Teil der Logik51. Diesen

50 E. G a r i n, L'educazione in Europa, Bari 1957. Deutsche Übersetzung: Geschichte
und Dokumente der abendldndischen Padagogik, Bd. I: Mittelalter, Hamburg 1964, Kap. 1,
S. 21 ff.; H. J. M a r r o u, Augustinus und das Ende der antiken Bildung, Hamburg 1982,
passim.

51 Diese Problematik ist viel zu umfangreich, als daB sie hier ausführlich behandelt
werden kônnte, um so mehr, als zu diesem Thema schon folgende Arbeiten erschienen sind:
F. M a r z, Klassiker christlicher Erziehung, München 1988; F. Weissengruber,
Cassidors Stellung innerhalb der monastischen Profanbildung des Abendlandes, „Wiener
 
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