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Rocznik Historii Sztuki — 10.1974

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I: Z zagadnień teorii sztuki
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Jaworska, Władysława: Munch i Przybyszewski
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https://doi.org/10.11588/diglit.14269#0103
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MUNCH I PRZYBYSZEWSKI

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ihre Hand: dem Schweden Strindberg, dcm Deutschen — Schleich, dcm Norwegcr — Munch und dem Polen — Przybyszew-
ski. Niemals verzieh, Strindberg ihr, noch Przybyszewski, er rachte sich an beiden, verunglimpftc sic in Gesprâchen, Briefen,
Schriften. Mit Munch dagegen verkniïpften sich. seit diesem Moment die Freuddschaftsbandc d;r Przybyszewskis noch mehr.
Das betrifft hauptsâchlich die Jahre 1893—1894, d.i.bis, als zur Zeit Munch sich nacb Norwegcn begab.

Przybyszewski weckle sicherlich Munchs Interesse ais Modeli. Im Jahre 1894 malte Munch sein Portràt (in Pasteli), das er
darauf zweimal in litographischer Technik wierdcrholte. Vermutlich aus dieser Zeit stanunt auch eine sonderbare Ôlstudie
Munchs, die das Gesicht Przybyszewskis mit einem langen Knochen darstellt (Munch-Muscum in Oslo). Das Antlitz seines
Freundes diente ihm auch zu andsren Bildsrn ais Modeli. Mau darf sagen, daB immer dann, wcnn es galt in einem seiner Bilder
eine mânnliche Gâtait wiederzugeben, die psychischen Qualen, d:r Verzweiflung und âuBerstcr Angst ausgestzt ist — sind es
Przybyszewskis Ziige. Es genûgt, sein Portrât mit den Bildern Eifersucht (beide Versionen), Leidenschaft oder auch Roter Wildwein
zu vergleicben.

Es besteht die Frage, ob und auf welche Weise Munch und Przybyszewski sich gcgenseitig beinfluBten. Derartige Vergleiche
konnen wohl gezogen werden, jedoch nicht in der Sphâre des hihalts (in diesem Bezug konnten auch Verbindungen, aber auBe-
kiinstlerischer Art eingefàdelt werden), sondern in der Sphâre der antirationalen Stronumgen der Epoche, in diesem Fali der
Ideologie der Enttâuschung, der Hoffnungslosigkcit, des Pessimismus. Dann zeigt sich, daB sie auf àhnliche Art und Weise
auf Geschehnisse reagierten, nach Ausdruck suchten, jeder auf scincm Gebiet, fur die einander nahestehenden Anschauungen
iiber die Mysterien der Liebe und des Todes, und daB sie sich in dieser Hinsicht gegenseitig stark beeinf luBtcn.

Przybyszewski schrieb eigentlich nur eine einleitend erwâhnte. Studie iiber Munch: Psychischer Naturalismus, die Anfang
1894 die ,,Freie Biihne" veroffentlichte. Dicsc Studie, etwas abgeândert und erweitert, erschien in Buchform und forderte
zur Mitarbeit die folgenden Autoren der drci wciteren Kapitel auf: Dr. Franz Servacs, Willy Pastor und Julius Meier-Graefe. Das
Buch, betitelt Das Werk des Eduard Munch und mit einem Geleitwort aus der Feder Przybyszewskis, erschien in Berlin im Fischer-
verlag. Die tschechische Ausgabe des Essays iiber Munch ist die darauffolgende Métamorphose des Psychischen Naturalismus.
Es wurde gedruckt, in drei Teilen, in den Nummern von Januar bis Mârz 1897 der „Moderni Revue". Seit 1896 stand Przyby-
szewski mit Ernest Prochazka, dem damaligen Redakteur dieser avantgardistisch.cn Zeitschrift in Prag in âuBerst reger Zusam-
men arbeit. Er sandte ihm eigene Artikel und auch solche seiner mit ihm befreundeten deutschen Schriftstcller. Immer wieder
dynamisierte er brieflich mit neuen Einfâllen dièse Zeitschrift und die Kiinstlerkreise in Prag ; er wurde zu einem der meist-
gelesenen Autoren in Bohmen.

BeinfluBt von seinen polnischen Freunden, hauptsâchlich von Zenon Przesmycki, verlâBt Przybyszewski im September
1898 Berlin und iibersiedelt mit Dagny nach Krakau. Mit seiner Ankunft erlebt Krakau eine kulturelle Révolution, und Munchs
Geist trug auch dazu bei. Bald wurde cr Chefredakteur der avantgardistischen Zeitschrift ,,Życie" (Das Lcbcn) mit Stanisław
Wyspiański als kiinstlerischem Leiter. Schon das zweite von Przybyszewski herausgegcbene Hcft brachte Abbildungen dreier
Bilder von Munch. In demselben Jahre, in den Nummern 43 und 44, erschien ein reich illustrierter Artikel von Przybyszewski
Edvard Munch.

Im Jahre 1900 gab Przybyszewski das Buch Auf den Wegcn der Seele heraus, in sechs Teilen abgefaBt, darin wieder ein im
Vergleich mit der Zeitschrift „Życie" abgeândertes Studium, betitelt Edvard Munch 1902, als dièses Buch bercits acht Teile um-
faBte, erschien eine Ncuausgabe. Auf den Wegen der Seele erschien auch 1905 und 1909 in russischer und 1921 in bulgarischer
Sprachversion. Also insgesamt achtmal, in acht verschiedenen Fassungen wurde Przybyszewskis Studium iiber Munch heraus-
gegeben und damit bahnte es dem norwegischen Maler den Weg nach Mittel- und Osteuropa.

Zu Munch alsliterarisches Thema kehrte Przybyszewski nochmal, zwei Jahre vor seinem Todc, zuriiek, als er ihm ein Kapitel
in seinen Erinnerungen Meine Zeitgenossen —■ Unter Freunden widmete (1926). Dièses Buch erschien in deutscher Sprache
1965 in Miinchen mit dem Titel Erinnerungen an das literarische Berlin.

Nach ihrer Ankunft in Krakau wollten Przybyszewski und Dagny fur Munch sofort eine Ausstellung organisieren und luden
ihn nach Polen ein. Ubrigens war ihre Wohnung in Krakau ein kleiner Kunstsalon, der Ort alltâglicher Treffen der Krakauer
Bohême, wo zwar von Mobeln nur ein Klavier vorhanden war, aber an den Wândcn Bilder von Munch, Wyspiański und
Weiss sowie Zcichnungen von Rops hingen. Nach dem Umzug nach Warschau traf Dagny, bereits in polnischen Kreisen gut
eingefiihrt, wo sie sich groBer Beliebtheit erfreute, Anstellungen zu konkreten Verhandlungen beziiglich Munchs Ausstellung.
(Es soll nicht dabei vergessen werden, daB Munch, sowie auch die beiden Przybyszewski, seit Jahren stets in Elcnd lebten —
undesalltâgliche Sache war, daB sie sich gegenseitig halfen und den letzten Groschen teilten). Die von Dagny vorbereitete
Ausstellung fand im Kunstsalon Krywults in Warschau statt und umfaBte 70 Graphiken vou Munch. Sie wurde am 12. Dezem-
ber 1903 eroffnet, aber ihre Inspiratorin, Dagny Przybyszewska, war seit zwei Jahren tôt.

Dagnys Tod und die ziemlich auBcrgewohnliche Situation, in der sich Przybyszewski vom Tage seiner neuen Ehe befand,
hatten zur Folge, daB die Kontakte des Schriftstellers mit allem, was die sogenannte Vergangenheit an der Seite Dagnys betraf,
abrissen. Mit Berlin und Norwegen, also auch mit Munch. Erst seinen Erinnerungen, die er nach mehr als zwanzig Jahren schrieb,
ist zu entnehmen, daB dièse Kontakte nur âuBerlich abgerissen waren, ohne jeglichen EinfluB auf die Wârme seiner freund-
schaftlichen Gefiihle fiir Munch. Der norwegische Maler behielt auch in seinem Herzen das unberiihrte Bild seines Freundes.
In seinen Erinnerungen betitelt Mein Freund Przybyszewski, die nach dem Tode des Schriftstellers erschiencn(,,Pologne Littéraire"
1928), schreibt der schweigsame, diskrete, zuriickhaltende Munch in seiner Einsamkeit in Ekely : ,,Ich mochte so gern einen
Gedankenartikel iiber meinen lieben, alten Freund, einen groBen Dichter geschrieben haben, aber es sollte am liebsten getan
werden, wâhrcnd er noch lebte und dann als GruB und Dank fur seine Freunschaft in den jiingeren Tagen geschehen. Und es
sollte sich auch als ein Dank fur ailes, was er fiir mich damais getan hat, gestalten".

7 — Rocznik Historii Sztuki X
 
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