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Riedl, Peter Anselm
Die Heidelberger Jesuitenkirche und die Hallenkirchen des 17. und 18. Jahrhunderts in Süddeutschland: ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Baukunst — Heidelberger kunstgeschichtliche Abhandlungen, N.F., 3: Heidelberg, 1956

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https://doi.org/10.11588/diglit.36444#0121
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HAUPTTEIL

Stand also die Entwicklung in Nordwest- und Westdeutschland hauptsäch-
lich im ZeiAen des Fortlebens und Weiterwirkens der Gotik: in Süddeutsch-
land war sie ungleiA dramatisAer und komplizierter.
Der Bau des SAi&sals war hier die Jesuitenkirche St. Michael in
München (Abb. 15u. 16)2*-. IhreEntstehungsgeschiAte sAon ist ungewöhnliA.
1583 wurde auf Geheiß des Herzogs Wilhelm V. der Bau begonnen, 1588 im
wesentliAen vollendet; 1590 stürzte der im Winkel zwisAen Langhaus und
Chor stehende Turm ein; der ganze Chorteil wurde daraufhin geschleift und
durA eine neue, beträchtliA größere Anlage ersetzt. 1597 war die KirAe fer-
tig. — Die anläßlich der Weihe herausgegebene FestsArift „Trophaea Bavarica
Sancto MiAaeli ArAangelo in Templo et Gymnasio Societatis Jesu dicata, Mo-
naAii 1597" gibt bedeutsame AufsAlüsse über die mit dem KirAenbau ver-
knüpften Anliegen der Bauherren"*^ Vorbild für die MünAener MiAaelskirAe
sollte, so wird beriAtet, das MiAaelsheiligtum sein, welAes Kaiser Konstantin
an der byzantinisAen Küste hatte erriAten lassen. „War jenes Michaelium . . .
ein Dank- und Siegesmal zur Erinnerung an die Hilfe, die der Führer der himm-
HsAen Heerscharen sAon den Argonauten und dann dem Kaiser im Kampf
gegen seine Feinde an jener Stelle gewährt hatte, so sollte das MünAener Heilig-
tum Bayern und seinem Herzog die Unterstützung des Himmels im Kampfe
gegen die lutherisAe Ketzerei siAern" (Hauttmann). Max Hauttmann hat dar-
auf hingewiesen, daß die „Humanisten-Theologen" des MünAener Baukolle-
giums, sofern sie ja niAt wissen konnten, wie das besagte konstantinisAe
MiAaelium ausgesehen hatte, die Konstantinsbasilika in Rom als stellvertreten-
des Modell benützt haben müssen^**; Grundriß und SAnitt der Basilica Con-
stantini waren jedenfalls im 16. Jahrhundert weit verbreitet und den Münche-
ner Bauherren gewiß leicht zugängliA.
Die erste MiAaelskirAe war eine tonnengewölbte Saalkirdte mit beiderseits
je drei emporenunterteilten, tonnengewölbten NisAen zwisAen tief einsprin-
genden Strebepfeilern, sowie einem eingezogenen, innen absidial, außen poly-
gonal sAließenden Chor. Das Langhaus des ersten Baus hat siA bis heute
wenig verändert erhalten. — In der Tat lassen siA manche AhnliAkeiten des
Langhaussystems mit dem System der Konstantinsbasilika beobaAten: der
breite, tonnengewölbte Hauptraum, die drei großen SeitennisAen mit den
Quertonnendecken. Andererseits sind die UntersAiede so beträchtliA (das
HauptsAiff der Konstantinsbasilika hatte beispielsweise einen eigenen Ober-
gaden), daß man sAwerliA von einer Abhängigkeit sprechen kann. — Der
Name des Planschöpfers der ersten MiAaelskirAe hat siA bis heute nicht
ermitteln lassen; ausführender Werkmeister und mögliAerweise an der Planung

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