Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Ritter, Stefan; Rummel, Philipp; Becker, Thomas; Ganschow, Thomas; Godbillon, Isabelle; Großmann, Sonja; Herb, Christiane; Kalogeroudi, Eleni; Meyr, Martina
Archäologische Untersuchungen zur Siedlungsgeschichte von Thugga: die Ausgrabungen südlich der Maison du Trifolium 2001-2003 — Thvgga, Band 3: Wiesbaden, 2015

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42449#0029
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Frühe Kaiserzeit

25

Die ,Bauopfer’
Auf dem alten Hofniveau 155=157 kam, nur wenig südlich des
älteren Ofens, in einer flachen, aschehaltigen Grube 150 eine
freigeformte Schüssel mit zwei Griffen zutage (Taf. 15, 1 Beil.
1), die, wenn auch in 17 Fragmenten, fast vollständig an diesem
Ort aufgefunden wurde und im Innern Brandspuren aufweist
(Kat. I 14 Abb. 50)94. Die nahezu vollständige Erhaltung und
die Fundsituation zeigen, dass diese Schüssel hier ganz offen-
kundig absichtsvoll deponiert wurde. Die Praxis, zum Beginn
von Baumaßnahmen Gefäße in dieser Weise niederzulegen, war
sehr verbreitet; solche ,Bauopfer’ oder ,Gründungsdepots’ sind
insbesondere aus Karthago, aber auch aus anderen nordafrika-
nischen Städten von punischer Zeit bis weit in die Kaiserzeit
belegt95. Der Befund ist also offenbar als ein solches ,Bauopfer’
anzusehen, das hier, bevor man den alten Hofboden mit Schutt
aufzufüllen begann, niedergelegt wurde, um den Beginn der
Umgestaltungsarbeiten im Hof zu markieren.
Eine vergleichbare Situation findet sich im Norden des alten
Hofes, wo unmittelbar auf demselben, nunmehr aufgegebenen
Stampflehmboden 236 und dicht beieinander liegend die drei
oben erwähnten republikanischen Asse zutage kamen96. Diese
wurden hier, bevor der Boden mit der Schuttschicht 175 be-
deckt wurde, wahrscheinlich absichtlich niedergelegt. Die Sit-
te, im Zuge von Baumaßnahmen Münzen zu deponieren, ist
aus römischen Privathäusern gut bezeugt9 . Für diese Deutung
spricht, als eigenwertiges Indiz, auch der Umstand, dass es
sich just um drei Asse mit dem Janus-Kopf auf der Vorderseite
handelt: Denn gerade die Janus-Asse besaßen, wie etwa die im
l.Jh. n. Chr. populären römischen Neujahrslampen zeigen,
eine glückbringende Bedeutung98. Somit handelt es sich auch
bei den drei Assen offenbar um ein ,Bauopfer1, das man zu
Beginn der Neugestaltung des Hofes in der frühen Kaiserzeit
auf dessen altem Boden 236 deponierte, bevor man ihn mit
Auffüllschichten zu bedecken begann.
Die Neugestaltung des Hofes wurde also offensichtlich an
zwei Stellen durch Bauopfer markiert: in der Hofmitte durch
die Schüssel, an der Nordmauer des Hofes hingegen durch die
Deponierung dreier alter Ianus-Asse.
Die frühkaiserzeitlichen Funde
In diese Phase gehören folgende Befunde mit ihrem Fundma-
terial: die Ofenstrukturen 46=41, 141, 134=292, 135 und
360; das ,Bauopfer’ 150; die unteren Verfüllschichten des
94 Hierzu s. Kap. IV. 2. 9.
95 s. etwa Karthago, archaische Zeit: Niemeyer u. a. 1996, 12 f. mit Abb. 6.
7. - Chemtou, zweite Hälfte des 2. Jhs. n. Chr.: Rakob 1994, 30 f. Abb. 37
Taf. lla-d.
96 Hierzu s. Kap. II. 2.
97 Hierzu s. Donderer 1984, bes. 179-181. Wie Donderer zeigt, können
auch „lose Münzen in den Unterschichten von Estrichböden“ als Bauopfer in-
terpretiert werden (ebenda 179).
98 Hierzu s. Heres 1972 (mit den Quellen und weiterer Lit.). Die ikono-
graphisch stark schematisierten römischen Neujahrslampen zeigen eine von
verschiedenen Gegenständen umgebene Victoria, darunter drei Münzen, von
denen eine jeweils den Janus-Kopf zeigt; dieses Motiv bezieht sich auf die gut
bezeugte Sitte, sich zu Neujahr alte Bronzemünzen zu schenken.

Ofens 340, 263 und 361; sodann die großflächige, dicht mit
Bruchsteinen durchsetzte Auffüllschicht 113=142 sowie die
zugehörenden Füllschichten 209, 207 und 210; ferner der
über diesen Schuttschichten angelegte neue Stampflehmboden
132 des Hofes; und schließlich noch weitere, derselben Bau-
phase zugehörende Auffüllschichten 175 und 235 im Norden
des Hofes und in dessen Nordosten 86=231, 232 und 233.
Das Fundmaterial unterscheidet sich von demjenigen aus den
früheren Schichtenbefunden besonders markant dadurch, dass
nun erstmals und zugleich in großer Zahl italische Sigillaten
auftreten. Diese bieten den wichtigsten Anhaltspunkt für die
Datierung der zugehörenden Befunde.
Bei diesen, hauptsächlich in Etrurien und Campanien pro-
duzierten Gefäßen handelt es sich vor allem um Teller sowie
Schalen, Becher und andere Trinkgefäße. Die weitaus meisten
der klassifizierten Fragmente stammen aus der massigen Auf-
füllschicht 113=142 (Kat. C 2, 3, 5, 6, 8, 9, 11, 14, 17, 24,
30, 35, 39, 41, 54, 60, 61, 65, 71, 91, 93, 112, 120) und dem
darüberliegenden Fehmboden 132 (Kat. C 4, 45, 47, 48, 73,
82, 106). Einzelne Stücke fanden sich in den Strukturen des
neu angelegten Ofens (Kat. C 13 aus Bef. 46; Kat. C 96 aus
Bef. 134) sowie in dessen unterster Verfüllschicht 340 im In-
neren (Kat. C 77, 80, 83)99.
Bei zwei in augusteische Zeit datierenden Tellern konnte
durch chemische Analyse die Herkunft aus Arezzo nachge-
wiesen werden (Kat. C 2, 5)1 °°. Genauere Hinweise liefern bei
zwei, aus Bef. 113=142 stammenden Gefäßen die teilweise er-
haltenen Töpferstempel: Bei einem Teller bezeugt der Stempel
eine Herstellung in der Werkstatt des Cn. Ateius (Kat. C 8),
und ein weiterer Stempel könnte auf eine Produktion in der
Werkstatt des C. Memmius weisen (Kat. C 157)101 - Nur ganz
vereinzelt kamen Fragmente sog. tripolitanischer Sigillaten
(bzw. „produzione A di Baia di Napoli”) zutage, die vor allem
in augusteischer und tiberischer Zeit teils in der Gegend um
Neapel, teils aber auch in Nordafrika selbst produziert wurden;
bei einem in tiberisch-claudische Zeit zu datierenden Teller er-
brachte die chemische Analyse eine Herkunft aus Nordafrika
(Kat. C 126, aus Bef. 113)102.
Italische Sigillata-Gefäße wurden in Nordafrika seit augustei-
scher Zeit, im Zuge der damals erfolgenden Intensivierung der
Handelsbeziehungen mit Italien, in großem Umfang impor-
tiert. Die frühesten unserer Exemplare datieren in früh- und
mittelaugusteische Zeit, die spätesten weisen in die Zeit um
die Mitte des 1. Jhs. n. Chr.103. Einige der vertretenen Formen
liefen zwar noch bis in flavische Zeit weiter, doch für die Da-
tierung der Phasengrenze in das mittlere 1. Jh. n. Chr. spricht
das völlige Fehlen afrikanischer Sigillaten, die ab flavischer
99 Hinzu kommen zahlreiche, nicht katalogisierte Fragmente (aus Bef. 46,
113, 132, 134, 141, 142, 207, 210, 340); hierzu s. Kap. IV. 2. 2.
100 Hierzu s. Kap. IV. 2. 3.
101 Hierzu s. Kap. IV. 2. 2. - Einen (allerdings nicht lesbaren) Stempel trägt
auch das einzige aus diesen Befunden stammende Exemplar einer Eastern Sigil-
lata A (Kat. C 158, aus Bef 132).
102 Hierzu s. Kap. IV. 2. 3. — Weitere ,tripolitanische Sigillaten1 sind Kat. C
135 (aus Bef 132) und zwei nicht katalogisierte Fragemente (aus Bef 113 und
132).
103 Hierzu s. Kap. IV. 2. 2.
 
Annotationen