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Ritter, Stefan; Rummel, Philipp; Becker, Thomas; Ganschow, Thomas; Godbillon, Isabelle; Großmann, Sonja; Herb, Christiane; Kalogeroudi, Eleni; Meyr, Martina
Archäologische Untersuchungen zur Siedlungsgeschichte von Thugga: die Ausgrabungen südlich der Maison du Trifolium 2001-2003 — Thvgga, Band 3: Wiesbaden, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.42449#0019
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II. Die Ergebnisse:
Zusammenfassung und historische Auswertung

1. PRÄHISTORISCHE ZEIT
Stefan Ritter
Um die früheste Geschichte des Grabungsplatzes zu erkun-
den, stießen wir während der Herbstkampage 2002 an zwei
geeigneten Stellen in die tiefsten von menschlichen Eingriffen
berührten Schichten vor: zunächst im Osten des westlichen
Grabungsareals, wo der Weg nach unten nicht durch spätere
Strukturen blockiert war, und dann im Nordwesten des öst-
lichen Areals, wo die Steine der hier verlaufenden kaiserzeitli-
chen Pflasterstraße schon in der Antike entfernt worden waren
(Taf. 42 Beil. 1).
Die ältesten anthropogenen Spuren fanden wir in der — di-
rekt über dem anstehenden Lehmboden 353 liegenden — un-
tersten, dunkelgraubraun-schwarzen, mit großen Kalksteinen
durchsetzten Humusschicht 247=76=373=320.

Die beiden Bestattungen
Im westlichen Grabungsareal sondierten wir im Nordosten
des späteren Hofes, unmittelbar vor den Mauern 64 und 83,
eine 2,00 x 1,80 m große Fläche (Beil. 1). Dabei stießen wir
in der Humusschicht 247 auf ein menschliches Skelett, Grab I
(Bef. 284)' . Der Körper war zwischen großen anstehenden,
eckigen bis leicht gerundeten Kalksteinen in den dunklen Hu-
mus eingebettet und auch mit demselben Material bedeckt
(Taf. 7, 1. 2).
Bei dem Toten handelt es sich, wie die anthropologische Ana-
lyse durch Th. Becker zeigt, um ein männliches, erwachsenes
Individuum18. Der Leichnam lag in stark kontrahierter Hal-
tung in Südwest-Nordost-Richtung, den leicht geneigten Kopf
im Südwesten. Der Oberkörper befand sich in Rückenlage,
wobei der linke Arm zum Kopf hin angewinkelt war, wogegen
der rechte Arm am Körper lag und zum oberen Beckenbereich
geführt war. Die stark angehockten Beine lagen zum Teil unter
der späteren Mauer 64. Um das Sterbealter festzustellen, lie-
ßen wir am Freiburger Institut für Humangenetik und Anth-
ropologie eine Zahnzementanalyse (TCA = Tooth Cementum
Annulation for Age Estimation) vornehmen. Diese ergab, dass
dieser Mann im Alter zwischen 30 und 36 Jahren verstarb19.

17 Bodenhöhe des Grabes: 509,68-509,70 m ü. LHN.
18 Hierzu s. Kap. III. 2. 1; 2. 2.
19 Hierzu s. Kap. III. 2. 3 mit Taf. 30, 1. 2.

Im Norden des östlichen Areals, d. h. im Bereich der späteren
Pflasterstraße, sondierten wir die tiefsten Schichten auf einer
1,20 x 1,00 m großen Fläche (Beil. 1). Hier kam in derselben
untersten bewegten Schicht, dem Humus 247=76=373=320,
ein weiteres Skelett zutage, Grab II (Bef. 334)20. Der Tote lag
wiederum in den Humus (373) eingebettet, und auch hier war
keine Grabgrube erkennbar (Taf. 8, 1. 2).
Der Bestattete, ein Mann, lag in West-Ost-Richtung, mit
dem Kopf wieder im Westen, diesmal allerdings auf der rech-
ten Körperseite21. Im Unterschied zu dem im West-Areal ge-
fundenen Skelett waren die Extremitäten sehr viel stärker an-
gewinkelt. Der Kopf war zur Brust gesenkt, beide Arme waren
angewinkelt und zum Kopf geführt. Die Beine waren extrem
stark angehockt, wobei der linke Fuß den rechten Unterschen-
kel überkreuzte. Die Zahnzementanalyse ergab, dass dieser
Mann, als er verstarb, zwischen 37 und 41 Jahren alt war22.
Irritierend an diesen beiden Bestattungen war die fehlende
Sicherung der Grabstätten. Es fehlte jedes Kennzeichen der
aus Nordafrika vielerorts vertrauten, aus aufgestellten Stein-
blöcken errichteten und mit solchen abgedeckten Dolmen-
gräber, wie sie etwa auch aus der Thuggenser Nord-Nekropole
in größerer Zahl bekannt sind. Verwunderlich war zudem,
dass sich keinerlei Beigaben fanden. Die betreffenden Schich-
ten 247=76=373=320 enthielten, abgesehen von wenigen
Tierknochen, in großer Zahl — zusammen mehrere hundert
- Schneckengehäuse, aber keine Artefakte. Die Schneckenge-
häuse deuten darauf, dass diese Flächen über lange Zeit unbe-
baut offenlagen.
Damit bekam die Frage nach der Datierung besonderes Ge-
wicht. Denn der stratigraphische Befund der unmittelbar dar-
überliegenden Schichten 215 und 319, deren frühestes Fund-
material in das späte 3. oder 2. Jh. v. Chr. gehört23, lieferte
lediglich einen groben terminus ante quem.
Um den Zeitraum der beiden Bestattungen zu bestimmen,
ließen wir am Physikalischen Institut der Universität Erlangen
anhand je eines gut erhaltenen Oberschenkelknochens C14-
Analysen durchführen. Das Ergebnis war überraschend: Der im
West-Areal gefundene Mann (Grab I) wurde zwischen dem frü-
hen 19. und dem späteren 16. Jh. v. Chr. bestattet (Abb. 5)24, der
im Ost-Areal gefundene Tote (Grab II) zwischen dem mittleren
18. und ebenfalls dem späteren 16. Jh. v. Chr. (Abb. 6)25.

20 Bodenhöhe des Grabes: 510,04-510,09 m ü. LHN.
21 Hierzu s. Kap. III. 2. 1; 2. 2.
22 Hierzu s. Kap. III. 2. 3 mit Taf. 30, 3. 4.
23 s. Kap. II. 2.
24 Probe Erl 5463 (3425 BP ± 62): 1872-1637 cal BC (68,3 %); 1892-
1536 cal BC (95,4%).
25 Probe Erl 5953 (3350 BP ± 48): 1728-1536 cal BC (68.3 %); 1744-
1520 cal BC (95.4%).
 
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