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Ritter, Stefan; Rummel, Philipp; Becker, Thomas; Ganschow, Thomas; Godbillon, Isabelle; Großmann, Sonja; Herb, Christiane; Kalogeroudi, Eleni; Meyr, Martina
Archäologische Untersuchungen zur Siedlungsgeschichte von Thugga: die Ausgrabungen südlich der Maison du Trifolium 2001-2003 — Thvgga, Band 3: Wiesbaden, 2015

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42449#0338
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Untersuchungen zu den Tierknochen

303

5. UNTERSUCHUNGEN ZU DEN TIERKNOCHEN
Thomas Becker

Tierknochen
Im Rahmen der Ausgrabungskampagnen 2001 und 2002 in
Thugga konnten auch aus den verschiedenen Schichten Tier-
knochen geborgen werden, von denen eine Stichprobe un-
tersucht wurde; die Ergebnisse dieser Untersuchung sollen
an dieser Stelle vorgestellt werden. Archäozoologische Un-
tersuchungen im punischen und römischen Nordafrika sind
bislang selten. Hier lassen sich vor allem die umfangreichen
Untersuchungen in Karthago anführen, wo aus verschiedenen
Grabungskampagnen Tierknochenmaterial unterschiedlich-
ster Zeitstellung untersucht wurde936. In die Untersuchungen
von G. Nobis fanden auch zwei Fundstellen aus dem Umland
von Karthago Eingang. Weiterhin wurden die Tierknochen
der Grabungen im Bereich des Bades und des Friedhofes von
Leptiminus/Lepita bearbeitet937. Darüber hinaus liegen bisher
keine Komplexe aus dem übrigen Tunesien vor. Vor allem für
den Westen des Landes und dabei insbesondere für das Lan-
desinnere gibt folglich die Vorlage einen ersten Eindruck des
Tierknochenspektrums.
Material und Methodik
Für die Untersuchung der Tierknochen wurden Komplexe aus
den verschiedenen Siedlungsperioden für eine Untersuchung
ausgewählt. Da die verschiedenen Zeitperioden eine unter-
schiedliche Anzahl von Tierknochen geliefert haben, konnte
hier keine gleichmäßige Verteilung erreicht werden (Tab. 1).
Ca. 2/3 der untersuchten Stichprobe von 1029 Fragmenten
wurden während der Grabungskampagne 2002 vor Ort aufge-
nommen, während die Bestimmung der restlichen Knochen in
Deutschland stattfand. Die Knochen vom Mähnenschaf und
von der Landschildkröte wurden anhand der Vergleichssamm-
lung des Museums Alexander-König in Bonn bestimmt938.
Die Untersuchung umfasste neben der Festlegung von Tier-
art, Knochen und anatomischer Position des Stückes Indika-
toren zum Alter und Geschlecht der Tiere. Veränderungen am
Knochen selbst bzw. an dessen Oberfläche (Spuren von Schlag
und Schnitt, Verbiss, Verbrennung, Verwitterung, Verrun-
dung, Versinterung, Verdauung, Wurzelfraß) fanden ebenfalls
Eingang, während von einer Ansprache der Farbe aufgrund
durchgehend gleichmäßiger Verfärbung abgesehen wurde. Im
Rahmen der Bearbeitung erfolgten eine Beschreibung der ver-
einzelt auftretenden pathologischen Veränderungen und das
Vermessen der Knochen nach den von A. von den Driesch de-

936 Reese 1981; Schwartz 1984; Nobis 1999.
937 Burke 2001.
938 An dieser Stelle gilt ein herzlicher Dank dem Leiter der Sektion Mam-
malia, Herrn Dr. R. Hutterer, für seine Unterstützung.

finierten Messstrecken939. Zum Abschluss wurden die Knochen
grammgenau gewogen.
Das Material liegt in sehr kleinteiligem Zustand vor, was das
durchschnittliche Gewicht der wiegbaren Knochen mit 6,91
gr. eindrücklich belegt. Aus dieser Berechnung fallen alle Kno-
chen, die mit einem Gewicht unter 0,5 gr. den Gewichtswert 0
erhalten haben, und alle, die aufgrund anderer Konventionen
nicht gewogen werden. Dies gilt für sämtliche Vogel-, Mollus-
ken- und Menschenknochen, deren Einbeziehung in die Ge-
wichtsmenge aufgrund eines unterschiedlichen Verhältnisses
zwischen Knochen- und Fleischgewicht die statistische Aus-
wertung verfälschen würden, und für sämtliche stark verbrann-
ten Knochen über Stufe Wahl 3940, da der Verbrennungsprozess
das Knochengewicht bei Temperaturen ab 750° C verändert
und damit ein verändertes Gewicht aufgenommen würde.
Durch dieses geringe Fragmentgewicht erklärt sich auch der
mit 25,75 % relativ hohe Anteil an nicht bestimmbaren Frag-
menten.

Auswertung
Im Rahmen der Untersuchung war zunächst eine getrennte
Betrachtung des Materials nach verschiedenen Zeithorizonten
geplant. Hieran wurden vor allem Fragen zur Ernährungsent-
wicklung innerhalb des ausgegrabenen Stadtareals geknüpft.
Als Vorbild stand die Vorgehensweise von G. Nobis für das
Material von Karthago zur Verfügung, wo die Knochen nach
den Zeitperioden „Punisch“, „Übergang“, „Römisch“ und
„Vandalisch/Byzantisch“ getrennt aufgenommen wurden941.
Beim Tierknochenmaterial aus der vorliegenden Grabung sind
die Fundkomplexe verschiedenen Zeitperioden zugeordnet,
soweit sich diese im Rahmen der archäologischen Auswertung
einem bestimmten Zeithorizont zuweisen ließen (Tab. 1).
Um die sichere Zuweisung der Knochenfunde zu einer Zeit-
periode zu überprüfen — entgegen den anderen Fundgruppen
wie beispielsweise der Keramik lassen sich Tierknochen logi-
scherweise nicht aus sich selbst, sondern nur aus ihrem Kon-
text heraus datieren -, bedarf es vor der weiteren Auswertung
einer Betrachtung der taphonomischen Veränderungen, d. h.
Veränderungen auf der Knochenoberfläche, die Rückschlüsse
beispielsweise zu den Lagerungsbedingungen der Knochen zu-
lassen. Für die Fragestellung, ob es sich bei Knochen um ori-
ginär während einer Zeitperiode in den Boden gelangte Kno-
chen handelt oder ob es - wie es im Siedlungskontext häufiger
beobachtet werden kann - umgelagertes „Altmaterial“ sein
kann, das durch Bewegung von umliegendem Erdmaterial bei-
spielsweise durch Aufplanierungen verlagert wurde, eignet sich
vor allem die Auswertung von Verwitterungsspuren, die auf
eine längere Lagerung von Knochen an der Oberfläche oder in
oberflächennahen Schichten deuten können. Betrachtet man
am vorliegenden Material die Anteile der Knochen mit Verwit-
terungsspuren pro Zeitperiode (Tab. 1), so fällt ein stetiger An-
stieg des Anteils vom ersten Abschnitt bis hin ins 3. Jh. n. Chr.
939 von den Driesch 1976.
940 Wahl 1981.
941 Nobis 1999, 574 f.
 
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