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Ritter, Stefan; Rummel, Philipp; Becker, Thomas; Ganschow, Thomas; Godbillon, Isabelle; Großmann, Sonja; Herb, Christiane; Kalogeroudi, Eleni; Meyr, Martina
Archäologische Untersuchungen zur Siedlungsgeschichte von Thugga: die Ausgrabungen südlich der Maison du Trifolium 2001-2003 — Thvgga, Band 3: Wiesbaden, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.42449#0339
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304

Die Funde

ins Auge. Von diesem Verlauf setzt sich der Anteil im 475. Jh.
n. Chr. deutlich ab, der nur noch knapp unter 15 % der Kno-
chen dieser Zeitperiode ausmacht. Unter Berücksichtigung
der zum Teil statistisch geringen Mengen, die sicherlich Aus-
wirkung auf die konkreten Anteile der verwitterten Knochen,
kaum jedoch auf die hieraus ablesbare Tendenz haben, lässt
sich diese Vergrößerung der Anteile mit einer Erhöhung durch
umgelagerte Knochen erklären. Diese Beobachtung wird un-
terstrichen durch das Ergebnis der Auswertung der Keramik,
vor allem der Terra Sigillata, bei der in den Fundkomplexen
ebenfalls eine Vermischung des Bestandes mit Altstücken zu
beobachten ist942. Weiterhin können auch direkt einige umge-
lagerte Knochen nachgewiesen werden, auch wenn diese ledig-
lich in der geringen Zahl von zehn Fragmenten vorliegen. Der
Nachweis für die Umlagerung ergibt sich aus der Beobachtung,
dass diese Fragmente abgerundete Bruchkanten aufweisen, die
durch Reibung bei der Bewegung des Bodenmaterials abge-
schliffen wurden. Diese Befunde implizieren allerdings nicht,
dass Fragmente ohne Verrundungsspuren nicht umgelagert
sind, da der Prozess der Verrundung optional ist. Aus diesen
verschiedenen Beobachtungen muss die Konsequenz gezogen
werden, auf eine Untersuchung der einzelnen Zeithorizonte zu
verzichten, da ab der frühen Kaiserzeit eine Vermischung mit
Altmaterial festzustellen ist und hierdurch das Ergebnis ver-
fälscht würde. Lediglich die Betrachtung der Tierknochen aus
den frühesten Fundschichten (Fundkomplexe 140 und 215)
wäre hier prinzipiell möglich, doch ist ihr Anteil mit 71 Einzel-
knochen sehr gering. Der Tierknochenbestand wird daher im
Folgenden als ein Gesamtkomplex betrachtet und als solcher
ausgewertet. Im Flinblick auf die Interpretation der Fundzu-
sammenhänge kann aber in jedem Fall festgehalten werden,
dass am Tierknochenmaterial ein Hiatus zwischen den mit-
telkaiserzeitlichen und den spätrömisch-frühbyzantinischen
Fundkontexten zu beobachten ist. Offensichtlich fanden in
der Spätzeit kaum Bodenbewegungen und damit verbunde-
ne Umlagerungen von Altmaterial statt, sodass der Anteil der
Knochen mit Verwitterungsspuren gering blieb.
Von den insgesamt 762 bestimmbaren Knochenfragmenten
lassen sich 96,72 % verschiedenen Haustierarten zuweisen
(Tab. 2). Vornehmlich setzten sich diese aus den Nutztierras-
sen Rind, Schaf, Ziege und Schwein zusammen. In geringer
Zahl sind die übrigen Arten Pferd, Esel, Hund und Haushuhn
vertreten, wobei zu bemerken ist, dass sich der Anteil der Haus-
huhnknochen durch ein außergewöhnliches Ensemble von 29
Beinknochen (Tarsometatarsi und erste Phalanges post.) aus
Bef. 52 deutlich erhöht hat und ohne diese im Bereich von
1,23 % liegt.
Der Vergleich mit den wenigen Vergleichskomplexen aus
dem Bereich des heutigen Tunesiens zeigt auffällige Ähnlich-
keiten in der Verteilung (Tab. 9). Dies gilt vor allem für die all-
gemein dominierende Position der kleinen Hauswiederkäuer.
Zur Beurteilung der Anteile der einzelnen Nutztierarten
zueinander dient zunächst die Bestimmung der sogenannten
Mindestindividuenzahl (MIZ), die die geringstmögliche Zahl
an Individuen einer Art innerhalb des untersuchten Materials
angibt. Diese ist anhand der doppelt vertretenen Knochenpar-

tien und, bei den gängigen Nutztierarten, der Altersverteilung
der Zähne abzulesen (s. u. und Tab. 6). Hieraus ergibt sich eine
Individuenzahl für die jeweilige Tierart (Tab. 1), die bei den
Nutztierarten Rind (2), Schaf (2), Schaf/Ziege (3), Ziege (1)
und Schwein (6) durch subadulte Individuen bestimmt sind.
Die Gesamtzahl würde sich wahrscheinlich bei den kleinen
Hauswiederkäuern noch reduzieren, wenn eine Zuweisung der
allgemein als Schaf/Ziege bestimmten Knochen zur jeweiligen
Art möglich gewesen wäre.
Das Vermessen von Tierknochen aus archäologischen Aus-
grabungen dient der Rekonstruktion der Körpergröße und
Wuchsform der historischen Tierarten. Am hier vorgestellten
Knochenmaterial gestaltet sich eine Berechnung der Widerrist-
höhen (als eine Angabe der Körpergröße) schwierig, da kaum
vollständige Langknochen aus dem Siedlungsmaterial vorlie-
gen, deren Längenmaße eine Rekonstruktion der Körperhöhe
erlauben. Lediglich an dem Metatarsus eines Equiden und dem
Metacarpus einer Ziege können Widerristhöhen von 127 bzw.
66 cm ermittelt werden943.
Für einen Vergleich der Wuchsform der einzelnen Haustier-
arten steht lediglich das Material von Karthago in Auszügen
zur Verfügung944, da alle anderen Untersuchungen945 auf eine
Erhebung metrischer Daten verzichtet haben. Ein überregiona-
ler, d. h. über das heutige Tunesien hinausgehender Vergleich
erscheint nicht sinnvoll, da hiermit lediglich Unterschiede in
der Wuchsform der Tiere herausgearbeitet würden, die damit
beispielsweise wenig über Zuchterfolge oder wirtschaftliche
Grundlagen der Region aussagen.
Da auch für das vermessene Material von Karthago nur aus-
gewählte Maße publiziert wurden946, bleibt die Vergleichsmög-
lichkeit gering. Es zeichnet sich jedoch ab, dass bei den kleinen
Hauswiederkäuern und Hühnern sowie beim Schwein ähnli-
che Wuchsformen vorhanden sind. Die Rinder sind dagegen
gegenüber den in Karthago gehaltenen Tieren deutlich kleiner.
Dies erklärt sich wahrscheinlich mit den Unterschieden in der
Geomorphologie im Umland der beiden Städte. In der stärker
zerklüfteten Landschaft um Thugga lassen sich kleinere, wi-
derstandsfähigere Rinderrassen besser halten als größere, zur
Erzeugung einer größeren Fleischmenge züchterisch optimier-
te Rassen. Beim Hund stammen die zwei vermessenen Kno-
chen von größeren Tieren als in Karthago, doch bleibt diese
Beobachtung aufgrund der kleinen Anzahl in ihrer Aussage
beschränkt.

943 von den Driesch — Boessneck 1974, 333. 341.
944 Nobis 1999.
945 Reese 1981; Schwartz 1984; Burke 2001.
946 Nobis 1999, 619-628.

942 Hierzu s. Kap. II. 4—II. 6.
 
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