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Ritter, Stefan; Rummel, Philipp; Becker, Thomas; Ganschow, Thomas; Godbillon, Isabelle; Großmann, Sonja; Herb, Christiane; Kalogeroudi, Eleni; Meyr, Martina
Archäologische Untersuchungen zur Siedlungsgeschichte von Thugga: die Ausgrabungen südlich der Maison du Trifolium 2001-2003 — Thvgga, Band 3: Wiesbaden, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.42449#0039
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Flavisch-trajanische Zeit

35

Flavisch-trajanische Zeit:
Zusammenfassung
Im späten 1. oder beginnenden 2. Jh. n. Chr. wurde das alte,
seit vorrömischer Zeit bestehende Fiofhaus abgerissen und an
seiner Stelle ein größerer, nach Osten erweiterter Neubau er-
richtet (Taf. 42). Dieser bestand aus zwei voneinander unab-
hängigen Einheiten: im West-Trakt einem großen, mit einer
Sitzbank versehenem Flof und im Osten einem kleineren Hof,
von dem man in einen länglichen, quergelagerten Raum ge-
langte, dessen rückwärtiger Bereich durch einen aufwendige-
ren Lehmplattenboden hervorgehoben war.
Bei dem neuen Gebäude handelte es sich nicht um ein reprä-
sentatives Wohnhaus etwa nach Art der Maison du Trifolium,
die etliche Jahrzehnte später nur wenige Meter weiter nördlich
erbaut wurde: mit ihren zahlreichen Räumen unterschiedlicher
Größe, die sich um einen geräumigen zentralen Peristylhof
ordnen und auf diesen öffnen (s. Abb. 1. 3). Von diesem groß-
zügigen und aufwendig ausgestatteten Prachthaus unterschei-
det sich unser Gebäude in mehrfacher Hinsicht sehr markant:
in der bescheideneren Größe; in der additiven Binnengliede-
rung in kleine, voneinander separierte Raumeinheiten; in der
weniger sorgfältigen Bauausführung; und schließlich und vor
allem auch im Fehlen jeglicher repräsentativerer Ausstattungs-
elemente wie Säulenstellungen oder Mosaikfußböden.
Dennoch scheinen die Aufgabe des alten, vorrömischen
Hauses mit seinem wirtschaftlich genutzten Hofbereich, seine
Ersetzung durch ein deutlich größeres Gebäude und die wohl
nicht lange danach erfolgte Anlage einer gepflasterten Fahrstra-
ße unmittelbar im Norden die ersten Schritte bei der Umge-
staltung dieses Stadtbezirkes zu einem gehobenen Wohnviertel
zu markieren.
Nach dem bisherigen Kenntnisstand setzte dieser Prozess in
Thugga nicht vor der Mitte des 2. Jhs. n. Chr. ein202, doch be-
gann er möglicherweise schon einige Jahrzehnte früher. Denn
in dem von uns untersuchten Areal lassen sich nun bereits für
die flavisch-trajanische Zeit radikale Eingriffe in seit langem
vorhandene Baustrukturen fassen. Nicht nur deutet der Um-
stand, dass bei dem neu errichteten Gebäude der Baugrund
über den Vorgängerbau hinaus erheblich ausgedehnt wurde,
auf eine Verschiebung der Grundstücksgrenzen, die möglicher-
weise mit gewandelten Besitzverhältnissen einherging. Wichtig
ist vor allem, dass mit der Errichtung des neuen Hauses eine
Funktionsveränderung einherging, die sich darin manifestiert,
dass der seit vorrömischer Zeit zu Wirtschaftszwecken dienen-
de Hof im neuen West-Trakt diese Funktion nunmehr endgül-
tig verlor.

202 s. etwa Stutz 2002, 113-127, bes. 123-125.

Von einer zunehmenden Erhöhung des Lebensstandards in
diesem Areal zeugt auch das Fundmaterial aus den flavisch-
trajanischen Schichtenbefunden. Das Keramikspektrum wird
zwar, wie in der vorangehenden, tiberisch-claudischen Phase,
weiterhin von Grobkeramik-Gefäßen aus lokalen oder regio-
nalen Töpfereien dominiert, doch unter den übrigen Fundgat-
tungen sind durchaus Akzentverschiebungen zu verzeichnen:
So sind etwa Glasgefäße häufiger vertreten, und vor allem ist
der Anteil an Tafelgeschirr deutlich höher als zuvor, wobei un-
ter den Sigillata-Gefäßen neben die Importe aus Italien und
Gallien nun auch afrikanische Sigillaten zu treten beginnen.
Für die Stadtgeschichte Thuggas ist das neu errichtete Wohn-
gebäude vor allem wegen seiner Zeitstellung von Interesse. Für
die flavische und trajanische Zeit sind in Thugga kaum grö-
ßere öffentliche Bauaktivitäten belegt203; der große Bauboom,
dem das Stadtbild seine Monumentalisierung verdankt, setzte
erst später, in hadrianisch-antoninischer Zeit ein. Die bauli-
che Struktur des hier fortan bestehenden Neubaues zeigt, dass
es neben den aufwendigen und nach symmetrischen Gestal-
tungsprinzipien angelegten Peristylhäusern, die das bisherige
Bild vom Wohnen im römischen Thugga prägen, noch bis weit
in die Kaiserzeit Häuser gab, die nach dem herkömmlichen
Schema punischer Hausarchitektur gestaltet waren.

203 Zu den Thuggenser Stiftungen im späteren 1. Jh. und frühen 2. n. Chr.
s. Saint-Amans 2004, 31 (tabellarische Übersicht über die inschriftlich bezeug-
ten Aktivitäten unter den Flaviern und Trajan), 55—110.
 
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