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Ritter, Stefan; Rummel, Philipp; Becker, Thomas; Ganschow, Thomas; Godbillon, Isabelle; Großmann, Sonja; Herb, Christiane; Kalogeroudi, Eleni; Meyr, Martina
Archäologische Untersuchungen zur Siedlungsgeschichte von Thugga: die Ausgrabungen südlich der Maison du Trifolium 2001-2003 — Thvgga, Band 3: Wiesbaden, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.42449#0046
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Die Ergebnisse: Zusammenfassung und historische Auswertung

Frau zwischen 40 und 60 Jahren (Grab 6), ein jugendliches
Individuum zwischen 15 und 20 Jahren (Grab 10), ein Kind
zwischen 6 und 8 Jahren (Grab 2) und sechs Kinder zwischen
0 und 4 Jahren (Gräber 1,3, 5, 7, 8, 9) handelt222.
Die acht Gräber der jüngeren Individuen waren in zwei
Reihen von je vier Gräbern angeordnet. Die beiden Erwachse-
nengräber lagen östlich dieser beiden Reihen mit dem deutlich
separierten Frauengrab 6. In dem Vorbericht äußerten wir auf
Grund dieser Anordnung die Vermutung, dass es vielleicht um
die Begräbnisstätte einer Familie handele223. Da jedoch nicht
die gesamte Ausdehnung des Gräberfelds bekannt ist und die
beiden erwachsenen Personen schon in recht fortgeschritte-
nem Alter gestorben sind, muss die Frage nach dem Verwandt-
schaftsgrad offen bleiben. Eine ähnliche Gruppe spätantiker
Gräber wurde auf dem Forum von Rougga entdeckt, wo drei
von elf Bestattungen diejenigen von Erwachsenen waren224.
Grabform und Bestattungsweise der Verstorbenen entsprechen
dem nordafrikanischen Standard. Einfache rechteckige Steinkis-
ten aus lokalem Kalkstein sind neben einfachen Erdgräbern die
verbreitetste Grabform im spätantiken und frühmittelalterlichen
Nordafrika225. Die gestreckte Rückenlage der Toten mit dem
Kopf im Westen und , Blickrichtung1 nach Osten ist ebenfalls die
übliche Bestattungsweise im christlichen Nordafrika.
Das junge Mädchen in Grab 3 (Bef. 105, Taf. 26, 2. 4) wur-
de mit einer Kette aus kleinen, schwarzen Glasperlen (Kat. Q
2) und einem einfachen Bronzearmreif mit Streifenverzierung
(Kat. Ql) am linken Unterarm bestattet (Taf. 37, 4. 5). Auch
im Halsbereich des Kindes aus Grab 8 (Bef. 240) fanden sich
Perlen einer Halskette (Kat. Q3) (Taf. 37, 6). Obwohl christli-
che Gräber im spätantiken Nordafrika in der Regel beigabenlos
waren226, sind durchaus Beispiele von Gräbern mit meist weni-
gen Funden bekannt, die zu Kleidung und Schmuck der Verstor-
benen zum Zeitpunkt der Bestattung gehörten. Wie in anderen
Regionen des römischen Reiches wurden auch in Nordafrika
Mädchen und junge Frauen gelegentlich mit Schmuck bestat-
tet221 Im Schädelbereich des Mannes aus Grab 4 (Bef. 106)
lag eine stark abgegriffene Münze (Kat. A 39), bei der es sich
möglicherweise um eine Charonsmünze handelt. Beispiele für
diese heidnische Tradition in mehrheitlich christlichem Umfeld
sind forschungsstandbedingt vor allem aus Karthago, aber auch
aus anderen Städten Nordafrikas bekannt228.
Es ist beim heutigen Forschungsstand unsicher, ob der Fried-
hof zum Zeitpunkt seiner Entstehung noch innerhalb der Stadt
lag oder ob sich die Grenze der bewohnten Stadt schon Rich-
tung Stadtzentrum verschoben hatte und die Gräber somit au-
222 s. Kap. III. 2. 1 und 2. 2.
223 Khanoussi — Ritter — von Rummel 2004/2005, 63.
224 Guery 1985a, 404.
225 Duval 1995.
226 Eger 2012, 84 E; Duval 1995, bes. 189. Andere spätantike Gräber in
Thugga waren ebenfalls beigabenlos : Poinssot - Lander 1925, 235 f. mit Anm. 6.
227 Ein anderes nordafrikanisches Beispiel ist das Grab eines Mädchens aus
der Westnekropole von Tipasa (Algerien): Bouchenaki 1975, 170; Abb. 150.
151; Taf. 28. - Ein Grab des 4. oder 5. Jhs. n. Chr. mit ähnlichen Beigaben
(Glasperlenkette, Bronzearmreif): Cadenat 1969, passim. - Ein Grab des 4.
oder 5. Jhs. n. Chr. der Ostnekropole von Setif (Algerien) enthielt eine kreuz-
förmige Fibel: Guery 1985, 285 mit Taf. 75 Nr. 326a. - Allgemein zur Beigabe
von Schmuck- und Kleidungszubehör im spätantiken Nordafrika mit weiteren
Beispielen jetzt Eger 2012, 92-96.
228 Eger 2012, 90-92.

ßerhalb der Stadt lagen. Reste einer frühmittelalterlichen, zeit-
lich noch nicht näher bestimmbaren Befestigungsmauer finden
sich nördlich der Maison du Trifolium, was darauf hindeuten
könnte, dass der Friedhof außerhalb der Stadt lag. Innerstädti-
sche Bestattungen sind im vandalenzeitlichen, byzantinischen
und frühislamischen Nordafrika jedoch auch keine Selten-
heit. S. Stevens und A. Leone haben in Hinsicht auf Kartha-
go festgestellt, dass innerstädtische Bestattungsplätze Zeichen
der Zersplitterung des städtischen Siedlungsareales sind229. Im
vandalischen Karthago fanden sich Gräber in den gänzlich auf-
gegeben Regionen der Stadt. In byzantinischer Zeit wurden
die Gräber vor allem um Kirchen und außerhalb der Stadt-
mauer angelegt. Kleinere Bestattungsplätze finden sich jedoch
innerhalb des besiedelten Gebietes in direkter Verbindung zu
angrenzenden Wohn- und Wirtschaftsarealen230. Für das kleine
Gräberfeld in Thugga kommen all diese Möglichkeiten in Be-
tracht. Leider ist zu wenig über die Aufgabe der angrenzenden
Wohnareale bekannt, um diese Frage weiter verfolgen zu kön-
nen. Der Annex des Trifoliumshauses wurde wohl im Laufe des
5. Jhs. / frühen 6. Jhs. n. Chr. aufgegeben231, was zeitlich mit
der Anlage des Bestattungsplatzes korrespondiert.
Das Grabungsareal in der Spätantike
UND IM FRÜHEN MlTTELALTER: ZUSAMMENFASSUNG
Die Aufgabe der gepflasterten Straße 7 durch das Entfernen des
Pflasters an einigen Stellen seit dem späten 4. Jh. n. Chr. und
die anschließende kontinuierliche Ablagerung von Schutt und
Abfällen, auf denen weiterhin ein Pfad verlief, ist kein generel-
les Anzeichen für einen Niedergang Thuggas in dieser Zeit. Der
Befund zeigt in erster Linie ein wie auch immer zu erklärendes
Desinteresse an dieser einen Straße. Ohne weitere Beispielun-
tersuchungen in der Stadt kann er keine generellen Trends im
spätantiken Thugga anzeigen. Er reiht sich allerdings ein in eine
Sammlung von Indizien, die darauf hinweisen, dass Thugga im
4. Jh. n. Chr. den Höhepunkt der repräsentativ-urbanen Ent-
wicklung schon überschritten hatte. So hat etwa C. Lepelley
gezeigt, dass die letzte Inschrift Thuggas aus dem späten 4. Jh.
n. Chr. stammt232. Während die meisten größeren Städte in der
Africa Proconsularis mehrere Kirchen aufweisen, gibt es in Thug-
ga neben Tempelumwandlungen nur den Neubau der kleinen
Begräbniskirche der Victoria nahe des Saturntempels233. Es mag
sein, dass die Stadt Thugga schon weitgehend bedeutungslos ge-
worden war, als andere Städte in der proconsularischen Provinz
in architektonisch sichtbarer Form christianisiert wurden. Der
letzte bekannte Bischof Thuggas ist der in Akten des Konzils
von Karthago von 411 n. Chr. erwähnte Paschasius Thuggensis,
falls dieser nicht sogar aus einer der anderen afrikanischen Städte
gleichen Namens stammt234. In den weiteren kirchlichen Ausei-
nandersetzungen spielen Kleriker aus Thugga keine Rolle mehr.
In der Kosmographie des Honorius Julius wird Thugga nicht er-
229 Stevens 1995a, passim; Leone 2002, passim.
230 Leone 2002,244-248.
231 Hiesel - Strocka 2002, 80.
232 Lepelley 1981, 218-23.
233 Poinssot - Lander 1925.
234 Desanges 1997, 22; Grüner 2002, 61 f.
 
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