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Ritter, Stefan; Rummel, Philipp; Becker, Thomas; Ganschow, Thomas; Godbillon, Isabelle; Großmann, Sonja; Herb, Christiane; Kalogeroudi, Eleni; Meyr, Martina
Archäologische Untersuchungen zur Siedlungsgeschichte von Thugga: die Ausgrabungen südlich der Maison du Trifolium 2001-2003 — Thvgga, Band 3: Wiesbaden, 2015

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42449#0073
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Die Bestattungen

69

verwachsen ist. Hinzu kommen Schmelzhypoblasien an drei
Zähnen, die wahrscheinlich auf eine Mangelernährung in der
Entwicklungsphase des Individuums zurückzuführen sind296.
Auffällige genetische Varianten konnten nicht nachgewiesen
werden. Metrische Daten konnten aus den genannten Grün-
den nur in geringem Umfang ermittelt werden (Tab. 5.6).
Einzelknochen
Bei der Untersuchung der Tierknochen29/ konnten auch zwei
menschliche Knochen aussortiert werden. Es handelte sich um
die Kniescheibe (Patella) aus der Schicht 103 (Fund-Nr. 209)
und ein 1. Fingerglied (Phalanx 1 ant.) aus der Schicht 113
(Fund-Nr. 230). Die beiden Stücke datieren aufgrund ihres
Fundzusammenhangs folglich in die erste bzw. zweite Hälfte
des 1. Jhs. n. Chr., wobei ein direkter Zusammenhang zu ei-
nem Individuum hieraus nicht unbedingt geschlossen werden
kann. Auffällig ist allerdings das ähnliche Febensalter der bei-
den Knochen, das sich für die Patella vom Gesamteindruck
des Knochens als spätjuvenil-adult angeben lässt, während die
Phalanx 1 aufgrund der nicht angewachsenen proximalen Epi-
physe zu einem unter 20 Jahre alten Individuum gehörte.
Menschliche Einzelknochen aus dem Knochenabfall im
Siedlungskontext stellen keine Seltenheit dar. Sie sind aus ar-
chäozoologischen Untersuchungen in den verschiedensten Be-
reichen des Römischen Reiches belegt, sowohl für das antike
Tunesien298 wie auch beispielsweise für das Gebiet der Provinz
Raetia299. Die Ursache ist noch nicht hinlänglich erforscht,
doch kann man in einigen der Fälle eine Umlagerung älterer
Bestattungen vermuten. Dies ist auch für die beiden Thug-
genser Knochen nicht auszuschließen, was die älteren Gräber
I (Bef. 284) und II (Bef. 334) nahelegen. Zwar fanden sich im
Grabungsareal keine Hinweise auf Störungen von Bestattungen
dieses Zeithorizonts, was aber einen Ursprung aus einem ge-
störten Grab außerhalb des archäologisch untersuchten Areals
nicht ausschließt. Als ein Indiz für die Zugehörigkeit zu einem
älteren Grab kann allerdings die ähnliche Altersbestimmung für
die beiden Knochen gewertet werden. Verlagerungen von Kno-
chenmaterial lassen sich ebenso wie die von Keramikscherben
verschiedentlich belegen, sodass eine Verteilung auf verschie-
dene Schichten durchaus nicht ungewöhnlich erscheint. Auf
die Möglichkeit, ob mit nicht regulären Bestattungsarten, von
denen sich als Befund lediglich einzelne Knochen ohne Skelett-
verband nachweisen lassen, zu rechnen ist, deutet nichts hin.
Zusammenfassung
Bei der anthropologischen Untersuchung der in den Grabungs-
kampagnen 2001 und 2002 geborgenen Skelettresten konnten
insgesamt zwölf Individuen sowie zwei Einzelknochen ausge-
wertet werden.

296 Schulz 1988, 494-495.
297 s. Kap. IV. 5.
298 Hier scheint eine Aussortierung im Vorfeld der archäozoologischen
Untersuchungen stattgefunden zu haben, da diese Knochen in den parallelen
anthropologischen Berichten vorgestellt werden.
299 z. B. Guide 1985, 17 Tab. 1.

Die zu einem vandalisch-byzantinischen Familienfriedhof
gehörenden Gräber 1-10 beinhalteten acht Kinder, ein ju-
gendliches Individuum und einen erwachsenen Mann (über
60 Jahre) sowie eine erwachsene Frau (40-60 Jahre). Die Er-
haltung der Skelette kann als mäßig bis gut angesprochen wer-
den. Weitere Parameter wurden erhoben, sind aber aufgrund
der statistisch kleinen Grundmenge kaum aussagekräftig. Da
die Gesamtausdehnung des Friedhofsareals nicht erfasst wurde,
fällt eine demographische Bewertung der Population schwer.
Der hohe Anteil an verstorbenen Kindern erscheint im Ver-
gleich mit anderen zeitgleichen Gräberfeldern wenig überra-
schend, doch sind die erwachsenen Individuen vor allem durch
das Fehlen adult Verstorbener unterrepräsentiert.
Weiterhin wurden zwei prähistorische Bestattungen (Grä-
ber I und II) anthropologisch untersucht, wobei die Aussage-
möglichkeit aufgrund der widrigen Erhaltungs- und Unter-
suchungsbedingungen begrenzt ist. Es handelt sich um zwei
erwachsene männliche Individuen, die in angehockter Position
bestattet wurden. Hinweise auf pathologische Veränderungen
fanden sich bei den Skeletten nicht, metrische Daten konnten
nur in geringem Umfang erhoben werden.
Aus dem Tierknochenmaterial wurden zwei menschliche
Knochen aussortiert. Sie stammen aus Fundkontexten des
1. Jhs. n. Chr. und gehören vielleicht zu einem spätjuvenil-
frühadulten Individuum unbekannten Geschlechts. Ob es
sich um verlagerte Knochen einer älteren Bestattung handelt
oder andere Ursachen für die Einbringung der Knochen in die
Fundkomplexe vorliegen, muss offenbleiben.

Maß (nach Martin 1914)
2001/4
2002/2
1
172
-
5
-
-
8
142
-
9
92
-
10
113
-
11
130
-
12
110
-
13
124
-
17
129
-
20
134
-
43
97
-
65
109
-
66
91
-
68
68

69
21
36
70
62

71
33
41
79
112°
121°

Tab. 1 Maße am Schädel bei den erwachsenen Individuen
(Angaben in mm):

Index
2001/4
2002/2
Längen-Breiten-Index
82,56 = brachycephal
-
Längen-Höhen-Index
75 = hypsicran
-
Breiten-Höhen-Index
90,85 = tapeinocran
-

Tab. 2 Schädelindices
 
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