Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Ritter, Stefan; Rummel, Philipp; Becker, Thomas; Ganschow, Thomas; Godbillon, Isabelle; Großmann, Sonja; Herb, Christiane; Kalogeroudi, Eleni; Meyr, Martina
Archäologische Untersuchungen zur Siedlungsgeschichte von Thugga: die Ausgrabungen südlich der Maison du Trifolium 2001-2003 — Thvgga, Band 3: Wiesbaden, 2015

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42449#0343
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
308

Die Funde

teil beim Wurzelfraß bis in flavisch-trajanische Zeit auf. Der
zwischen den Anteilen von Verwitterung und Wurzelfraß va-
riierende Verlauf im Zeitraum zwischen dem 2. und 4./5. Jh.
n. Chr. scheint auf unterschiedliche Ursachen hinzudeuten.
Der hohe Wurzelfraß an den Knochen in den Befunden aus
der Zeit um 100 n. Chr. muss auf eine verstärkte Einwirkung
von Wurzeln zurückzuführen sein, die am ehesten mit einer
stärkeren Begrünung des Siedlungsareals während dieser Zeit
zu erklären ist. Natürlich lässt sich auf archäozoologischem
Wege der Entstehungszeitpunkt des Wurzelfraßes auf dem
Knochen nicht absolut bestimmen, da er sowohl kurz nach
der Einbettung des Knochens in den Boden wie auch nach ei-
nem längeren Zeitraum entstanden sein kann, wenn über dem
eingebetteten Knochen kein weiterer Boden mehr aufgetragen
wurde und damit ein Eindringen der Wurzeln bis zu den Kno-
chen verhindert wurde. Das Minimum beim Wurzelfraß und
das Maximum bei den Verwitterungsspuren im späten 2./3. Jh.
n. Chr. könnte - unter Berücksichtigung der statistisch gerin-
gen Fundzahl — möglicherweise auf ein wenig begrüntes Areal
mit einem erhöhten Anteil an nahe der Oberfläche verwittern-
den Knochenabfällen sprechen. Die Änderung in der Höhe der
beiden taphonomischen Veränderungen im 4./5- Jh. n. Chr.
deutet auf einen Wechsel zu einem begrünten, möglicherweise
ungenutzen Areal in dieser Zeit959.
Als besondere Veränderungen findet sich an zwölf Kno-
chen ein partieller oder vollständiger Sinterüberzug, der sich
mit Ablagerungen von Kalkmineralien aus in den jeweiligen
Schichten vorhandenem Wasser erklärt. Gängigerweise finden
sich solche Knochen im Zusammenhang mit Gebäudeteilen
mit häufiger Wassernutzung wie beispielsweise Badetrakten.
Der Nachweis gelingt lediglich für Knochen der vorchristli-
chen Jahrhunderte (8) und der ersten Hälfte des 1. Jhs. n. Chr.
(2) sowie für zwei zeitlich nicht einzuordnende Fragmente.
Eine weitere Interpretation dieses Befundes bleibt offen.

Die Altersverteilung der Hauptnutztierarten Rind, Schaf/
Ziege und Schwein zeigt einen relativ hohen Anteil subadul-
ter Individuen an. Zudem scheinen extrem alte Tiere nicht
vorhanden gewesen zu sein. Aus der Verteilung lässt sich für
die kleinen Hauswiederkäuer und das Schwein eine Züchtung
vor Ort in geringem Umfang vermuten, die aber sicherlich
den Bedarf der durch das Material repräsentierten Tiere nicht
deckte. Bei den Rindern muss wohl von einer Zucht an an-
derer Stelle und einem Kauf ausgegangen werden, wobei dies
natürlich eine temporäre Haltung und Nutzung einiger Tiere
implizieren kann. Wahrscheinlich wurde das Fleisch einiger
ausgewachsener Rinder als vorportioniertes Gut beim Metzger
gekauft. Beim Huhn lässt sich eine Haltung vor Ort nicht ge-
sichert belegen.
Pathologische Veränderungen und Schlachtspuren passen
sich dem Bild von anderem Siedlungsmaterial an. Belegt wer-
den konnte zudem aufgrund einiger Abfälle eine Produktion
von Knochengegenständen in kleinerem Umfang im Umfeld
der Grabung.
Vor allem die taphonomischen Veränderungen an den Kno-
chen geben Anhaltspunkte für die Rekonstruktion des Sied-
lungsareals im Bereich der Grabungsflächen, zum einen im
Bezug auf mögliche bewachsene Freiflächen (Wurzelfraß, Ver-
witterungsspuren), andererseits auf die Nutzung von Feuer im
Umfeld einiger Siedlungsschichten.

Synthese
Die vorliegende Stichprobe aus dem Tierknochenmaterial der
Grabungen in Thugga 2001-2002 ist in ihrer Zusammenset-
zung als typischer Schlacht- und Speiseabfall aus einem Sied-
lungskontext zu bezeichnen. Zwar verbietet sich aus den darge-
legten Gründen eine getrennte Betrachtung des Materials nach
Zeithorizonten, doch zeigt der Vergleich mit anderen Fundor-
ten die für das antike Tunesien weitgehend charakteristische
Dominanz von Schaf und Ziege vor den anderen Nutztierar-
ten Rind und Schwein. Als wohl regionales Charakteristikum
konnten die annähernd ausgewogenen Anteile von Ziege und
Schaf und die im Vergleich zur Küstenstadt Karthago kleineren
Rinder herausgearbeitet werden, was sicherlich damit zu erklä-
ren ist, dass das Bergland der Region ein geeigneter Haltungs-
und Zuchtraum für diese Tiere ist.
In dieses Fandschaftsbild passen sich ebenfalls die drei nach-
gewiesenen Wildtierarten Mähnenschaf, Hase und Fandschild-
kröte sehr gut ein.

959 Hierzu s. o. Kap. II. 6.
 
Annotationen