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53

Nachzeichnungen

II y a dans le mot >croquis< l'idee de rapidite, et aussi une
idee de prise de possession: croquer une ceuvre ou un
motif, c'est l'avaler, se l'approrier [...] un croquis elimine
toujours plus qua ne retient. Il revele ce qu'un instant l'ar-
tiste juge essentiel, ou digne d'etre retenu, de l'ceuvre d'un
autre artiste.
Jean-Pierre Cuzin [Paris 1993, 78]

Was ist eine Nachzeichnung

?

Von der Nachzeichnung sind Kopie und Va-
riation zu unterscheiden. »Unter Kopien im
strengen Sinne verstehen wir wörtliche Wieder-
holungen, die ein Höchstmaß an Werkgerech-
tigkeit im Sinne von handwerklichem Anspruch
und Materialtreue erstreben.«"? Während eine
Kopie also immer eine materialgleiche Nachbil-
dung ist, kann die Zeichnung nach einer Skulp-
tur schon per se aufgrund der medialen Unter-
schiede keinen Anspruch auf vollständige
Wiedergabe erheben. Sofern der Zeichner es
darauf anlegt, einige oder viele Aspekte der
Skulptur festzuhalten, ist der Begriff der Nach-
zeichnung angemessen. Der Zeichner kann
jedoch darüber hinaus etwas entwickeln, das
sich nicht in seinem Vorbild findet; etwas, das
er dort vermißt und wozu ihn die Skulptur
anregt. Für einen solchen Fall, in dem der
Zeichner seinen Ausgangspunkt vorsätzlich
und zuweilen bis zur Unkenntlichkeit verän-
dert, möchte ich im folgenden den Begriff der
Variation verwenden.

Eine akkurate Zeichnung Naldinis und eine
flüssige Skizze von Rubens zeigen die Bandbrei-

te von Nachzeichnungen (Taf. zz, NZ118 338
und Taf. 56, NZ 400). Naldinis Zeichnung
nach der Skulptur von Giuliano de' Medici dien-
te als Vorlage für einen Kupferstich (Taf. zi) und
war vermutlich für diesen Zweck angefertigt
worden. Dies erklärt die miniaturhafte Sorg-
falt, die untypisch für die sonst unscharfe,
mehrfach gezogene Linienführung des Pontor-
mo-Schülers ist. Naldini ist hier sogar bemüht,
die Verzierungen des Brustpanzers, die Falten
des darunterliegenden Gewandes und selbst die
einzelnen Haarlocken genau festzuhalten. Er
verschmilzt die feinen Striche seines Stiftes zur
glatten Fläche, die den Eindruck glänzenden
Marmors wiedergeben.

Rubens' Blatt ist in den ersten Jahren des 17.
Jahrhunderts in Florenz entstanden. Nebenein-
ander zeigt er zwei Ansichten der Medicima-
donna. Rechts konzentriert er sich auf den
Jesusknaben. Rubens betont die heftige Torsion
des Kindes und das bewegte Spiel seiner Arme
sowie die ihn festhaltende Hand der Mutter.
Besondere Aufmerksamkeit hat er dem in seiner
Zeichnung fließenden, wellenförmigen linken

117 Bloch [1979, 57]. Eine weiterführende Begriffs-
klärung im Bereich Replik, Kopie, Fälschung, Zitat,
Paraphrase, Hommage usw. leisten Wünsche [1972.,
64 ff.], Ressort [1973I, Wien [1980, 3 ff.] und Wien
[1994, 14 ff.]. Allgemein zur Kopie und ihren Varianten
siehe: Maison [i960], Dresden [1970], Haverkamp-

Begemann [1988, zz ff. mit Besprechung früherer
Literatur], Krauss [1989], Lenz [199z], Thomson
[199z] und Paris [1993].
118 Das Kürzel >NZ< verweist auf das Verzeichnis der
Nachzeichnungen im Anhang.
 
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