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Resümee

Agiugnivi che non e di poca importanza che la multitndine
contiene in se molti oc[cjhi e molti cervelli, e chi vede una
cosa e che ne considera im'altra, e quel che non ved'uno, lo
vede quel che gli e allato; talche, notando uno una cosa e
quell'altro un'altra e conferendo insieme di molti particu-
lari che di per se sarebbon perfetti, ne nasce junj universa-
le perfetto

Raffaello Borghini \Selva di Notizie, zit. nach Barocchi
1971,1,629]

Die Interpretationsgeschichte der Mediciskulp-
turen weist keinen stringenten linearen Verlauf
auf. Nicht nur fallen die Ergebnisse der Be-
trachtung bisweilen unter Zeitgenossen sehr
unterschiedlich aus, auch sind die Interpreta-
tionen der Skulpturen unmittelbar von dem -
sprachlichen oder grafischen - Medium abhän-
gig, in dem sie zum Ausdruck gebracht werden.
Anders gesagt: Beschreibungen und Nachzeich-
nungen sind spezifische Ausdrucksmöglich-
keiten, die sich zum Erfassen bestimmter
Aspekte einer Skulptur eignen, während sie
andere Gesichtspunkte mangels geeigneter Aus-
drucksmöglichkeiten zwangsläufig unberück-
sichtigt lassen. Diese Ausdrucksmöglichkeiten
sind dem Wandel der Sprache und der Zeichen-
kunst unterworfen. Einige der auffälligsten
Eigenschaften dieser medienspezifischen Aus-
drucksformen und ihrer geschichtlichen Ent-
wicklung lassen sich folgendermaßen zusam-
menfassen:

- Der Nachzeichner überträgt die dreidimen-
sionale Skulptur auf ein zweidimensionales
Blatt. Er muß einen bestimmten Standort
wählen und reflektiert damit die von Texten
meist übergangene Frage der Ansichtigkeit der
Statuen (siehe S. 86-91). Bereits im 16. Jahr-
hundert achtet der zeichnende Künstler mit
Nachdruck auf kompositioneile, lineare, bild-
flächenbezogene Formen und Formzusammen-
hänge (S. 85). Mit der zunehmenden Auto-

nomisierung der Linie, die in der Geschichte
der grafischen Künste in den vergangenen Jahr-
hunderten erfolgt, gewinnen diese Aspekte
zusätzlich an Bedeutung. Gleichzeitig ver-
schiebt sich die Funktion der Nachzeichnung
immer mehr: Standen im Cinquecento Lernen
und Abbilden im Vordergrund, wird seit dem
ausgehenden 18. Jahrhundert die Nachzeich-
nung zum erklärten Mittel der Interpretation,
des bildlichen Begreifens der gezeichneten
Skulpturen. Damit gewinnt die Interpretation
der Nachzeichnungen an Schärfe (S. 54 - 63).
- Während Nachzeichnungen eine visuelle In-
terpretation der Statuen sind, die sich natur-
gemäß eng an deren spezifische Erscheinung
hält, übertragen Beschreibungen die Statuen in
ein inhaltlich wie zeitlich komplexes Bezugs-
feld. Indem Skulpturen mit Worten beschrieben
werden, werden sie in ein direktes oder indirek-
tes Vergleichsverhältnis zu der allgemeinen
Bedeutung der verwendeten Begriffe gesetzt
(vgl. S. 42 - 47): Wenn von der Notte gesagt
wird, daß sie eine schlafende Frau sei, entsteht
die ausführlich diskutierte Frage, ob denn eine
Frau in dieser Haltung schlafen könne (S. 80).
Auf der anderen Seite sind Beschreibungen wie
alle sprachlichen Äußerungen an eine zeitliche
Textfolge gebunden, was zu einer verstärkten
Aufmerksamkeit für zeitliche Strukturen der
Skulpturen führt: sei es deren Genese, sei es
die physische und psychische Handlung der
 
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