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Ruskin, John
Ausgewählte Werke in vollständiger Übersetzung (Band 11/12): Moderne Maler (Band 1-2) — Leipzig, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.3877#0129

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silbernen Kanäle stiehlt, hebt sich der Schaum von
ihrer wogenden Fläche und schwindet dahin; drunten
in der Tiefe lagern die glitzernde Stadt und die
grünen Weiden wie Atlantis zwischen weißen, sich
schlängelnden Strömen; flockiges Licht fällt schneller
und breiter zwischen gestirnte Türme, je mehr die
bekränzten Wellen sich brechen und über ihnen ver-
schwinden und die grauen Schatten der verworrenen
Spitzen und Kanten der dunkeln Berge auf der Ebene
kürzer werden. Hat Claude das gemalt? Warte noch
ein wenig; dann sammeln sich die zerstreuten Nebel
in den Abgründen und fluten zu dir empor aus den
gewundenen Tälern, bis sie sich in ruhigen Massen,
leuchtend in Morgenlicht, auf die höheren Bergabhänge
niederlegen, deren meilenweite Wellenlinien zer-
schmelzen im lichten Gewand, bis sie dahinschwinden,
in seinem Glanz verloren, um oben am heiteren
Himmel wieder aufzutauchen wie ein wilder,
glänzender, unmöglicher Traum, grundlos und un-
erreichbar, ihre Linien verschwindend in substanz-
losem, höhnendem Blau des tiefen Sees da unten.
Hat Claude das gemalt? Warte noch etwas. Dann
sammeln diese Nebel sich zu weißen Türmen und
stehen wie Festen an den Vorgebirgen, massig, be-
wegungslos, jeden Augenblick höher in den Himmel
wachsend und längere Schatten auf die Felsen
werfend. Aus dem blassen Blau des Horizonts
bilden sich Truppen schneller, dunkler, spitzer
Nebel, die den Himmel zollweise mit ihrem grauen

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